Jennifer Hanson gewinnt die zweite Runde mit "Thankful"

Jennifer Hanson; Foto: Juan Pont LezicaKaum ein Songschreiber in Nashville würde, wenn einer seiner Songs Platz 1 erklommen hat und ein weiterer von ihm auf Platz 5 steht, dies mit den Worten kommentieren "Oh nein, so ein Mist"

Aber genau so reagierte Jennifer Hanson zu Beginn des Jahres 2007, als Bucky Covington das gemeinsam mit ihrem Ehemann Mark Nesler und Tony Martin geschriebene Album "A Different World" herausbrachte, weniger als ein Jahr nachdem "The Wreckers" mit dem Titel "Leave the Pieces", den sie zusammen mit Billy Austin geschrieben hatte, einige Wochen lang die Charts anführten.

Nachdem sie lachend die Ironie der Situation ausreichend gewürdigt hatte, rückte Hanson die Perspektiven zurecht. "Eigentlich hielt ich mich zu der Zeit nicht für eine Songschreiberin, weil ich wirklich nur für mich selbst geschrieben habe" sagte sie. "Beide Songs zeigen mich wie ich bin, durch und durch. Deswegen sehe ich es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn ich habe eine Karriere als Künstlerin angestrebt und diese beiden Songs sind mir irgendwie durchgeschlüpft."

Andererseits half ihr der Erfolg der beiden Songs, die Türen zu öffnen, an die sie seit 1996 anklopfte, als sie aus Los Angeles, Kalifornien. kam, um ihr Glück in Nashville, Tennessee, zu suchen. Sie unterschrieb 1988 einen Autorenvertrag bei Acuff-Rose Music Publishing (heute Teil von Sony/ATV Music Publishing), erhielt 2000 einen Entwicklungsvertrag als Künstlerin und veröffentlichte nun als Künstlerin eines Major Labels eine Single, "Beautiful Goodbye", aus ihrem Debütalbum. Dieser Titel stieg 2003 bis in die Top 15 auf.

Danach wurde die Geschichte kompliziert, da Capitol Records Nashville und Hanson sich nicht über eine Single einigen konnten, die dem Erscheinen ihres nachfolgenden Albums grünes Licht geben sollte. Zwei Jahre lang unterbreitete sie stets neues Material, unter anderem "A Different World" und "Leave the Pieces," wurde aber jedes Mal mit dem Hinweis abgewiesen, sich nochmal an den Schreibtisch zu setzen und alles zu überarbeiten.

"Irgendwann wurde mir dann klar, dass wir musikalisch nicht mehr auf gleicher Welle liegen und so tat ich etwas, was manche vielleicht als dumm bezeichnen würden" sagte Hanson. "Ich bat darum, aus diesem Deal entlassen zu werden. Und Mike Dungan (Präsident und Geschäftsführer von Capitol Records Nashville) war sehr großzügig. Er verstand meine Frustration und ließ mich gehen. Es war absolut einvernehmlich und freundlich".
 
Es war außerdem großzügig von diesem Label, Hanson von der Verpflichtung zu befreien, die Songs neu aufzunehmen und zu veröffentlichen, die sie für das projektierte zweite Album bei Capitol bereits aufgenommen hatte. Im Frühjahr 2006 begann die Reise in Richtung "Thankful", ihrem ersten Album für Universal South.
 
Jennifer Hanson"Ich fühlte mich wieder frei und voller Kreativität", erinnerte sich Hanson, die alle Titel auf Thankful als Co-Autorin mitgeschrieben hatte. "Es gab plötzlich wieder so viel Musik in mir. Meine Zeit an diesem dunklen, unkreativen Ort war vorüber und ich war von einem Moment zum nächsten wieder voller Melodien und fühlte mich überglücklich".
 
Um ihr Glück voll zu machen, begannen jetzt auch die Tantiemen für die von den "Wreckers" aufgenommene Version von "Leave the Pieces" zu fließen und gaben ihr so die Möglichkeit, "Thankful" auf eigene Faust weiter zu schreiben und aufzunehmen. Um ihr Budget unter Kontrolle zu halten, gleichzeitig aber wichtige kreative Impulse zu bekommen, lud Hanson Nick Brophy dazu ein, als Ko-Produzent an diesem Album mitzuwirken.

"Er ist ein bewundernswerter Techniker und ein großer Produzent" sagte sie. "Er spielt einfach alles. Wenn er nicht weiß, wie etwas gespielt wird, nimmt er es einfach in die Hand und bringt es sich selbst bei. Er hat ein Heimstudio. Ich hatte jedoch keine Ahnung, ob ich in irgendeiner Form an ein Major Release oder einen Plattenvertrag gebunden sein würde, und so trafen wir eine Vereinbarung. Ich bezahlte einen Pauschalbetrag vorab und versprach für den Fall, dass irgend jemand dieses Album kaufen würde, dass wir uns einigen würden bezüglich Produktionshonorar, Studiokosten usw. Er willigte in dieses Risiko ein".

Für Brophy war es auch eher eine Chance als ein Risiko. Genauso wie Hanson kam er aus Los Angeles, wo er bereits einigen Erfolg als Produzent, aber auch als Komponist von Themenmusik für die ABC-TV-Serie "Wasteland", den Eddie Murphy Film "Pluto Nash - Im Kampf gegen die Mondmafia" und andere Projekte hatte. Er war bereits ein Hanson-Fan bevor er im Jahr 2003 nach Nashville umzog, und als ihre gemeinsame Freundin Julie Vassar sie zu einer Dreier-Schreibsitzung zusammenbrachte, erkannte Brophy sofort, das er gerne mit ihr zusammenarbeiten würde.

"Bei unseren allerersten gemeinsamen Songschreiber-Sitzungen schrieben wir bestimmt mindestens einen Song pro Tag und etwas später dann zwei pro Tag," erinnerte sich Brophy. "Wenn ich sage 'einen Song schreiben', dann haben wir ihn natürlich auch gleich aufgenommen. Sie hatte ziemlich klare Vorstellungen davon, wie das Ergebnis aussehen sollte, und das findet man bei Künstlern nicht so oft. Um ehrlich zu sein, ich war kolossal beeindruckt".

Brophy war jedoch nicht nur von der guten Zusammenarbeit mit Hanson beeindruckt, sondern er brachte auch einen weniger beachteten Teil ihres Talents zum Vorschein, indem er sie dazu ermunterte, ihre Akustikgitarren-Tracks selbst zu spielen. "Ich hatte noch nicht einmal auf meinem ersten Album selbst gespielt" sagte sie. "Ich war sehr gehemmt; bei all diesen hervorragenden Musikern in dieser Stadt sah ich keine Chance, jemals als Instrumentalist einen Track zu bespielen. Aber Nick gab mir die Zeit, die ich brauchte, um es richtig zu machen."

"Jennifer wollte ständig, dass wir die besten Musiker der Stadt engagieren sollten, um die Akustik-Teile einzuspielen, aber ich wollte unbedingt hören, wie sie sie spielt" sagte Brophy. "Ich wollte keine perfekte, lupenreine Performance. Ich wollte das rohe, nicht das feingeschliffene Produkt und außerdem wollte ich heraushören, welche Vorstellungen sie hatte. All das war bereits ab unserer ersten gemeinsamen Schreibsitzung deutlich zu erkennen".

Ein paar letzte Feinheiten kamen nach Fertigstellung der grundlegenden Tracks hinzu, die sehr kritische Live-Einspielung des Schlagzeugs mit Steve Brewster, um den von Brophy programmierten Rhythmus-Tracks Leben einzuhauchen, etwas Süße von Jonathan Yudkin an den Streichinstrumenten und von Russ Pahl auf der Steel Guitar, und ein beeindruckendes Gesangs-Duett mit Vince Gill im Titelsong, gemeinsam geschrieben von Hanson und Tommy Lee James. Es war als Duett gedacht, aber für den zweiten Part stand noch niemand zur Verfügung, als Brophy und Hanson an jenem Tag zur Mittagspause gingen.

Vince Gill"Er fragte mich 'Wenn du die freie Wahl hättest, wer mit dir zusammen singt, wen würdest du dir wünschen?'" erinnerte sich Hanson. "Ich sagte 'Das ist ganz leicht zu beantworten. Ich würde Vince Gill nehmen. Aber was soll ich machen - ihn etwa einfach anrufen?' Und Nick sagte 'na klar, warum rufst du ihn nicht einfach an?' Und dann dachte ich 'na gut, was hab' ich schon zu verlieren?'"

Nachdem sie seine Handynummer von Billy Thomas erfahren hatte, der sowohl für Gill als auch für Hanson Schlagzeug spielt, rief sie an. Er hob ab, und sofort willigte er ein, im Studio zu erscheinen.

"Ich war schon immer von ihrer Musik und ihrer Stimme angetan" sagte Gill. "Alles, was ich bisher von ihr gehört habe, klingt sehr erwachsen. Es hört sich sehr durchdacht an. Sie hat nie etwas gemacht, nur um auf der neuesten Welle mitzuschwimmen Und all diese Qualitäten erinnern mich stark an Rosanne Cash. Sie ist eine sehr, sehr musikalische Frau, und für mich gibt es nichts anziehenderes".

Der größte Teil von "Thankful" wurde zu Beginn des Jahres 2007 fertiggestellt, und Hanson traf sich mit Mark Wright, Präsident, und Fletcher Foster, Geschäftsführer und Senior-Vizepräsident bei Universal South, die sie um eine Showcase-Aufführung baten und ihr prompt einen Plattenvertrag anboten. "Das Timing war einfach perfekt, da ich wusste, dass Fletcher bereits während seiner Zeit bei Capitol Nashville in meine Karriere investiert hatte. Ich bin ihm und Mark dankbar dafür, dass sie sich einfach angehört haben, was ich gemacht habe und sich dem Zauber hingegeben haben, der in diesen Stücken steckt. Sie haben erkannt, dass ich heute nicht mehr die gleiche Künstlerin bin wie damals. Ich habe eine gefestigte Meinung über mich als Musikerin, und das ist gut so, für uns alle.
 
"Und", fügte sie lachend hinzu, "jetzt konnte ich Nick endlich angemessen bezahlen".

vgw
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