Tatsächlich muss man sagen, dass Gary Allan auf der gemeinsam mit Mark Wright produzierten CD musikalisch einer Band wie Bon Jovi wesentlich näher steht, als, sagen wir, Tim McGraw oder Keith Urban. Von traditionellen Country-Acts wie Alan Jackson oder Randy Travis trennen ihn mittlerweile ein paar musikalische Galaxien. Klar verläuft eine Musikerkarriere in den seltensten Fällen so gerade wie ein Highway durch Texas. Und dass der eine oder andere mal in diese, mal in jene Richtung kurvt, um neue Inspirationen aufzutanken ist nicht nur legitim - das ist auch verständlich, oft genug auch notwendig.
Die Kritik an "Living Hard" mache ich - natürlich rein subjektiv - deshalb weniger an seinem 2005 mit dem ersten "hutlosen" Album "Tough All Over" eingeschlagenen Rockkurs fest. Was weit mehr wurmt, ist das mangelnde Konzept der neuen CD, die gesamte Aura und, als wichtigster Kritikpunkt, die zum großen Teil doch recht maue Qualität der Songs. Natürlich hält ein Schwergewicht wie Gary Allan auch hier ein paar nette Lieder parat. Doch für einen Platin-geschmückten Top-Act wie ihn, muss die Messlatte höher angelegt werden. Diesen eigenen Ansprüchen wird er mit der CD keineswegs gerecht.
Dabei fällt der Einstieg in seinen achten Tonträger noch recht passabel aus. Nein, man muss sogar sagen "gut". Das von Jim Beavers und Jonathan Singleton entworfene "Watching Airplanes" besticht mit einer an die Beatles erinnernden Verträumtheit und luftigen Melodien und einem von Geigen gefidelten, charmant-naiven Pathos. Klarer Fall: Der Song hat das gewisse Etwas. Damit gehört der Opener aber auch schon zu einer Randgruppe unter den insgesamt zehn Titeln. Lediglich das in bester Tom Petty-Manier interpretierte "She's So California", der erdige Country-Rocker "Half Of My Mistakes" und - als wirklich einziger echter Countrysong - die akustische Ballade "Yesterday's Rain" fallen positiv auf. Der Rest? Songs und Melodien von der Stange, mit häufig zugekleisterten Arrangements.
Ja, man muss sich schon ein bisschen wundern. Denn mit "Tough All Over" konnte Gary Allan tatsächlich auch als Rocker überzeugen. Mit seiner zuletzt erschienenen Zusammenstellung "Greatest Hits" sowieso: neun Punkte gab es an dieser Stelle für die Compilation - ein Indiz für das große Talent des Südkaliforniers, der einst angeblich ein glühender Verehrer von Merle Haggard und Buck Owens war. Lang, lang muss das her sein ...
Wie lange, verdeutlichen Titel wie "Like Its A Bad Thing" oder "Wrecking Ball". Hier greift der Sänger und Gitarrist in die Poser-Rock-Kiste der 80er Jahre, um verzerrte Gitarrenriffs und aufgeblähte Arrangements hervorzukramen. "Hart", "wild", "verwegen" - so soll es wohl klingen. Tut's aber nicht, sondern lediglich "altbacken", "banal" und "aufgesetzt". Diese unschmeichelhaften Attribute verdient sich auch "Learning How To Bend", ein Midtempo-Rocker mit Geigen und Kopfstimme. Das nachfolgende "As Long As You're Looking Back" schneidet dagegen mit nostalgischen Beat- und Folk-Ansätzen weit besser ab.
Mit dem letzten Song, dem Titeltrack, hat Gary Allan schließlich den Tiefpunkt der CD erreicht. Ein wirklich nerviger Rock-Heuler mit jeder Menge "Uuuhhs" und "Aaahhhs": wie Bon Jovi, nur nicht ganz so überzeugend.
Fazit: Gary Allan will ein Rockstar sein -bleibt aber irgendwo im Niemandsland hängen. Ohne Konzept, ohne überzeugende Songs. Ein energischer Schritt in die völlig falsche Richtung.
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: 20. November 2007 |
Titelliste
Links
01 | Watching Airplanes | 07 | Wrecking Ball |
02 | We Touched the Sun | 08 | Yesterday's Rain |
03 | She's So California | 09 | Trying to Matter |
04 | Like It's a Bad Thing | 10 | Trying to Matter |
05 | Learning How to Bend | 11 | Living Hard |
06 | As Long as You're Looking Back |