"There You Go Again" von Asleep AtThe Wheel und Lyle Lovett erschien in diesem Jahr am 16. September und mit dieser Kollaboration findet sich ein ideales Beispiel für Musik mit starken Wurzeln, jedoch für ein neues Publikum. Ray Benson, selbst bereits stolze 70 Jahre alt, ist seit 1969 mit Asleep At The Wheel in Sachen Country Music unterwegs und schafft es trotzdem mit seinem Text eine junge Generation anzusprechen.
In den Texten findet sich beispielsweise ein Bezug auf Venmo, eine mobile App, welche keine zehn Jahre alt ist, während sich das Musikstück rein musikalisch auf Midtempo-Beat und gedämpfte Trompeten verlässt. Klare Eigenschaften des reinen Western-Swing aus den 1940er- und 50er-Jahren. Mit diesem Zusammenspiel erfüllt Benson ein Leitbild, welches er bereits 1970 für seine Band festhielt: "Die Wurzeln der amerikanischen Popmusik in die Gegenwart zu bringen."
Amerikanische Wurzeln in der Gegenwart
Mit diesem Engagement ist Asleep At The Wheel keinesfalls allein. Elektra Records veröffentlichte am 10. September 2021 das bereits 1940 erstmals erschiene Album "Home in This World: Woody Guthrie's Dustbowl Ballads" mit neuen Versionen von Lee Ann Womack, Chris Thile und vielen anderen. Riders In The Sky spielten am 21. September 2021 in der Grand Ole Opry und wollen mit ironischer Comedy den "Western"-Teil eines Genres, welches früher als Country & Western bezeichnet wurde, am Leben erhalten. Die Americana Music Association feiert vom 22. bis zum 25. September 2021 das Americanafest in Nashville und bewirbt das Event damit, dass "legendäre Künstler, die nächste Generation von aufkommenden Stars, Fans und Größen der Industrie für mehrere Tage der Musik und des Lernens" zusammenkommen werden. Derweil sucht die International Bluegrass Music Association (IBMA) am 28. September 2021 in Raleigh, North Carolina, unter dem Motto "Honoring Tradition. Encouraging Innovation" (Tradition Ehren. Innovation fördern) eine neue und jüngere Zielgruppe für ein in die Jahre gekommenes Genre.
Die Schwierigkeit, beim Wechsel von Generationen und dem langjährigen Bestehen von Musik ist, dass Künstler, Hörer und das gesamte Business eine Balance finden muss. Es wird immer einen Platz für Nostalgie und unvergessliche Texte, Songs und Konzerte geben, jedoch muss sich die Musik stetig entwickeln, um neue Hörer gleichermaßen zu begeistern. Sind diese neuen Hörer erst einmal für das Genre und die Musik begeistert, richten sicherlich einige den Blick in die Vergangenheit der neu entdeckten Künstler und die Geschichte des Genres erfährt neue Aufmerksamkeit.
Ray Benson zeigt sich in einem Interview mit dem amerikanischen Billboard Magazin seiner Motivation sehr bewusst und sagt, dass er "kein Stück in einem Museum" sein möchte. "Ich möchte dazu in der Lage sein, Menschen mit Musik zu unterhalten. Dass ich ihnen damit auch etwas über meine Musik, mein Genre und die Geschichte dahinter beibringe, sollen sie gar nicht merken. Wissen sollen sie nur, dass es ihnen gefällt", erklärt Benson.
The Cure bis Grateful Dead, aber Bluegrass
Dieser Motivation folgend, zeigt sich die progressive und gleichermaßen erfolgreiche Bluegrass-Band The Infamous Stringdusters. Das Quintett, welches am 30. September 2021 die IBMA Awards hosten wird, vereint Bluegrass-Instrumentalisierung und -harmonien mit dem visuellen Bild einer Jam-Band und Konzertpräsentationen. Mit Covern von The Cure oder Greatful Dead wird ein junges Publikum angesprochen, während das neuste Album der Band "A Tribute to Bill Monroe" eine Hommage an den Vater des Bluegrass richtet.
Zu dem angestrebtem Zusammenspiel zwischen neuen Klängen und alten Tugenden und dem letzten Album sagt Chris Pandolfi, Banjo-Spieler der Band, dass "Bill Monroe in Realität während seiner gesamten Karriere unglaublich experimentierfreudig war." Monroe soll alle denkbaren Instrumente, von Akkordeon bis Schlagzeug, in seiner Schaffenszeit ausprobiert haben und sich dabei nie beirren lassen. In diesem Sinne der Experimentierfreudigkeit ist wohl das gesamte Werk von den Infamous Stringdusters als Tribut an Bill Monroe und das Genre zu verstehen.
Die anstehenden Events der IBMA und der Americana Music Association unterstützen hierbei klar den Trend zu neuen Einflüssen in alten Genres. Als Themen finden sich queere Kunst, Rassenvielfalt, soziale Medien, Streaming-Algorithmen und Podcast-Marketing auf den Podien und Bühnen wieder. Als Hank Williams, Zeit seines Schaffens, den Grundstein für Vieles in der Country-Musik legte, hätte nichts davon diskutiert werden können. Den Country gibt es noch heute und wenn aktuelle Themen den Weg in die Country-Musik finden, ist das Beste der Vergangenheit mit dem Aktuellen verbunden.