Der Countrypurist sollte allerdings nicht verzweifeln, wenn die Show mit Jazz anfängt, er wird etwas später auch noch auf seine Kosten kommen. Und dies bringt uns schon mittenrein in das Leben von Kenny Rogers. Mit Jazz fing bei ihm alles an und dorthin ist er jetzt wieder zurückgekehrt. "Going Home", wie es der Titel der DVD schon aussagt. Begleitet von einem großen Orchester unter der Leitung von David Foster fesselt Kenny Rogers bereits im ersten Moment. Seine Ruhe, seine Ausgeglichenheit, seine Sicherheit und nicht zuletzt seine tiefe rauchige, aber dennoch warme Stimme, die immer wieder einen Kontrast zu den Streicherarrangements bietet, versetzen das Publikum - darunter auch Dustin Hoffmann, wer genau hinsieht - in Verzücken. Die Vielseitigkeit, die Kenny Rogers besitzt wird erst so richtig nach dieser DVD klar. So begann er mit Jazz, wechselte von der Countrymusic über Folk wieder zur Countrymusic und macht heute wieder Jazz. (Man muss bitte bedenken, dass die Aufnahmen "House of Blues", die dieser DVD zugrunde liegen aus dem Jahre 1995 stammen, also schon 10 Jahre alt sind).

Kenny Rogers mag man am Besten mit einem guten Wein vergleichen, der mit zunehmendem Alter immer besser wird. Historische Aufnahmen (Bild und Film) zeigen Kenny als jungen Bassisten beim Bobby Doyle Trio (Anfang der 60er), welches er mit Bobby und Don Russel bildete. Beide haben spontan zugesagt bei seinem Konzert im "House Of Blues" zu kommen und sind mit ihm auf der Bühne zu Sehen und zu Hören. Auf unterhaltsame Weise erzählt Rogers über sein Leben und seine Musik. Er gesteht, dass er in früheren Tagen mit Sonnenbrille, Ohrringen, langen Haaren und einer alten Jeansjacke auftrat und dies genoss. Heute von diesem Mann kaum vorstellbar. Aufnahmen von "Ruby (Don't Take Your Love To Town)" belegen seine damaligen Kleidungssünden.

Der erste Teil der DVD (Titel 1-6) ist seiner Jazzleidenschaft und seinen beiden früheren Bandkollegen Bobby Doyle und Don Russel gewidmet. Den Bass ergreift er bei der von Glenn Miller bekannt gemachten Nummer "In The Mood" (geschrieben von Joe Garland) und erklärt dem Publikum: "Was Sie vielleicht nicht wissen ist, dass ich früher Bass bei Bobby Doyle und Don Russel gespielt habe. Sie werden nun erleben warum ich das Bassspielen bei Bobby Doyle und Don Russel aufgegeben habe."

Ab Track 7 kommen die Countrypuristen zu ihrem Recht. "Ruby", "The Gambler", "Islands In The Stream" mit Dolly Parton, "Love The World Away" oder der vom RnB auf Country umarrangierte Song von Lionel Richie "Lady". Auch über seine vielen unterschiedlichen Duett-Partner (Dolly Parton, Sheena Easton, Kim Carnes, Garth Brooks, Ray Charles...) erzählt er ein wenig und zeigt sie in einer kleinen Fotoauswahl.

Mit "I Get Along Without You Very Well" werden weitere Aspekte von Kenny's Musik vorgestellt. So singt er zum Beispiel mit der bekannten A-cappella-Formation Take Six "Love Is Just Around The Corner" oder blendet von einer alten Aufnahme des "Sweet Music Man" in neuere. Im "House Of Blues" keinen Bluestitel zu singen ist nicht möglich und so gibt er mit drei unterstützenden weiblichen Backgroundsängerinnen das "Sweet Home, Chicago" und lässt den Saal kochen...

Fazit: Faszinierende Einblicke eines Entertainers der auf eine bewegendes Musikerleben zurückblicken kann. "Going Home" wird bestimmt auch einige Country-Puristen von seiner "anderen" Musik überzeugen können und Horizonte erweitern. Kenny Rogers ist auf kein Genre festzulegen sondern in vielen zu Hause, die er dann auch mit ganzen Herzen betreibt. 59 Minuten dieser fantastischen DVD vergehen viel zu schnell und man will mehr dieses charismatischen Sängers. Doch leider ist nichts mehr auf "Going Home" enthalten. Keine Extras oder Boni. Nur diese 59 Minuten. Aber die sind es wert.