Deutlich mehr musikalische Substanz findet sich auf Lunds Soloalben. Seit 15 Jahren spielt er Folk, Country und Rock mit seiner fabelhaften Backingband The Hurtin' Albertans, in denen der Jazz-geschulte Bassist Kurt Ciesla und Brady Valgardson am Schlagzeug ein solides Rhythmus-Fundament für die Gitarren- und Lap-Steel-Ausflüge von Grant Siemens bieten.
Für ihr neues Album machten sich die vier auf eine weite Reise zu dem Mann, der schon als "Nashvilles Antwort auf Rick Rubin" gilt und zuletzt das famose "Something More Than Free" von Jason Isbell produzierte: Dave Cobb. Der Produzent schloss sich zunächst wochenlang mit Lund ein und arbeitete die Arrangements aus, später wurde dann alles weitestgehend live in Cobbs Studio eingespielt.
Ein Ansatz, der sich ausgezahlt hat: "Things That Can't Be Undone" funkelt nur so vor musikalischer Vielfalt. Da ist der 70s-Country-Rock von "Goodbye Colorado", der Rockabilly-Swing von "Alt Berliner Blues" und im Opener "Weight of the Gun" flirtet der Kanadier gar mit Motown-Melodien. "Talk Too Much" hat viel vom ungezügelten Bluesrock, wie ihn die Rolling Stones in den späten 60er Jahren zelebrierten und in "Washed Up Rock Star Factory Blues" verhilft Kumpel Evan Felker von der Band Turnpike Troubadours dem Song zu dem gewissen Johnny-Cash-Feeling.
Höhepunkt des Albums: die wunderschöne Alt-Country-Hymne "Sadr City" mit einem Refrain, der einen so schnell nicht loslässt. Der Song behandelt die Schrecken des Irak-Krieges: die Belagerung eines Stadtteils von Bagdad aus der Sicht eines US-Soldaten.
Corb Lund hält auf "Things That Can't Be Undone" die Tradition des ehrlichen Storytellings aufrecht, mit einem Humor, der niemals zynisch ist, höchstens schmerzvoll und sardonisch. Mehrmals singt Lund über das Leben "on the road", aber sein wahres Anliegen ist ernster. Dem Kanadier gelingt es stets, komplexe Themen mit einfachen Worten auf Songformat hinunterzubrechen. Ob im "Alt Berliner Blues", der von der Schließung einer traditionsreichen Kneipe in der deutschen Hauptstadt handelt, im schlichten Akustik-Song "S Lazy H" über einen Mann, der seine Ranch verliert, oder in "Washed Up Rock Star Factory Blues", in dem Lund das Schicksal besingt, das jedem chronisch erfolglosen Musiker droht (die Rückkehr in einen Nine-to-Five-Job) - Verlust ist das Thema, das sich wie ein roter Faden durch diese zehn sensiblen Songs zieht.
In der sehnsuchtsvollen Folk-Ballade "Sunbeam", mit der Lund das Album beschließt, betrauert der Sänger den Tod seiner jungen Nichte: "Sunbeam, you are gone, but not forgotten/You I carry with you every day/I think about the smile you smiled so often/Till I see you once again some day". Ein wahrhaft Hartherziger, der beim Hören dieser letzten Sekunden von "Things That Can't Be Undone" keinen Kloß im Hals bekommt.
Fazit: Ein Singer/Songwriter, der vor ernsten Themen nicht zurückschreckt und obendrein ein fabelhaftes musikalisches Gebräu aus Americana, Alternative Country und Honky-Tonk kreiert: "Things That Can't Be Undone" ist ein Volltreffer in jeder Hinsicht.
Label: New West (rough trade) | VÖ: 9. Oktober 2015 |
01 | Weight of The Gun |
02 | Run This Town |
03 | Alt Berliner Blues |
04 | Alice Eyes |
05 | Sadr City |
06 | Washed-Up Rock Star Factory Blues - Up Rock Star Factory Blues |
07 | S Lazy H |
08 | Goodbye Colorado |
09 | Talk Too Much |
10 | Sunbeam |