Und auch dieses Mal hat der Sänger, der in der Vergangenheit Songs für Garth Brooks oder Jamey Johnson verfasst hat, ganz offensichtlich wieder seinen eigenen Stiefel runtergespielt. Das lässt ein Blick auf die Credits der 13 Songs vermuten, denn Jerrod Niemann war immerhin an der Entstehung von acht Titeln als Songschreiber beteiligt.
Herausgekommen ist wieder eine bunte Spielwiese, deren Songs mit den beiden hervorgegangenen Werken für seinen Arbeitgeber Sony Music wenig zu tun haben. Allerdings ist "High Noon" längst nicht mehr so gewagt wie "Free The Music", von dem sich übrigens deutlich weniger Exemplare als vom gelobten "Judge Jerrod & The Hung Jury" verkauft haben.
Arg wenig mit den bisherigen Arbeiten des Sängers hat beispielsweise “Donkey“ zu tun. Eine Rap-Country-Nummer, die leider zu stark an die erfolgreichen Zeiten von Big & Rich erinnert und so trotz pumpender Beatuntermalung, einer Prise Humor und Sprecheinlagen altbacken daherkommt. Mit einem Gesang, der sonst eher im R&B zu Hause ist, kommt zeitweise auch die Single "Drink To That All Night" daher. Während Niemann beim Refrain den Country-Rocker rauslässt und verdächtig nach Luke Bryan klingt, agiert er bei den Strophen als zahmer Rapper - eine mutige, allerdings auch gewöhnungsbedürftige Kombination. Der Video-Clip zum Song ist auf jeden Fall sehenswert. (Allein für die Reaktion der Barkeeperin auf die Niemann-Order: "I'm ready for something a little different“ lohnt das Raussuchen aus dem Netz).
Stimmlich präsentiert Niemann innerhalb der 45 Minuten Spielzeit zudem bei weiteren Nummern seine Variabilität. So klingt der Mann aus Kansas bei "Lucky #7" auf einmal Dierks Bentley zum Verwechseln ähnlich. Doch noch öfter kommt einem - ganz besonders bei vielen Refrains - immer wieder Luke Bryan in den Kopf, was auch daran liegen mag, dass sich viele der neuen Nummern im Up-Tempo Bereich abspielen und sich um positive Themen aus der Partywelt drehen. "We Know How to Rock" oder "Buzz Back Girl" haben im Hintergrund zwar den ein oder anderen unerwarteten Sound-Effekt, letztlich ist das hier aber alles nah dran am aktuellen Country-Radio. Definitiv keine Sünde, aber schon seltsam, denn genau das hatte der Sänger im Vorfeld der Veröffentlichung in Interviews ausgeschlossen. Mainstream ist auch der Opener "Space". Dennoch aber strahlt dieses Mid-Tempo Stück mit ihrem eingängigen Piano-Arrangement und den smooth groovenden Gitarren eine Qualität aus, die dem Song über die notwendigen Freiräume innerhalb einer Beziehung sicher eine längere Haltbarkeit verschaffen wird. Dass Lebensfreude schnell in Belanglosigkeit umschlagen kann, zeigt die obligatorische Strand-Hymne; das eintönige "Beach Baby", welches seine Wirkung wohl nur in praller Sonne und mit einem Six-Pack in der Hand offenbart.
Freunde klassischerer Countrysounds kommen bei einer Ballade auf ihre Kosten. "I Can't Give In Anymore" ist im Umfeld von Partyliedern ein ungewöhnlich tiefsinniger Track. Die Verbitterung eines Mannes, der allein um den Erhalt einer Beziehung kämpft, bringt Niemann zudem glaubwürdig rüber.
Fazit: Die neue Mixtour von Jerrod Niemann ist im Vergleich zu den beiden vorherigen Alben überraschend unspannend ausgefallen. Fans des aktuellen Countryradios werden hier eher fündig als die Musikfreunde, die auf originelle Einfälle gehofft hatten.
Label: Sea Gayle / Arista Nashville (Sony) | VÖ: 28. März 2014 |
Titelliste
01 | Space | 08 | Donkey |
02 | Buzz Back Girl | 09 | Day Drinkin' |
03 | Drink To That All Night | 10 | The Real Thing |
04 | I Can't Give In Anymore | 11 | Beach Baby |
05 | We Know How to Rock | 12 | Refill |
06 | Come On, Come On | 13 | She's Fine (mit Colt Ford) |
07 | Lucky #7 |