"Judge Jerrod & The Hung Jury" ist ein Album, das sich gleich in der ersten Woche auf der Nr.1 der Billboard Country Album Charts platzierte und damit nach 24 Wochen Lady Antebellum mit ihrem Album "Need You Now" von dort verdrängte. Die erste Scheibe von Jerrod Niemann, die seinen Fans ad hoc klar vor Augen und Ohren führt, warum der Songwriter so eifrig darauf erpicht ist, möglichst viele verschiedeneStile aus der endlos weiten Country-Welt zu interpretieren.
Judge Jerrod & The Hung Jury startet mit überraschenden Kick
"Judge Jerod" gibt seiner Scheibe gleich mit dem Intro, das wie ein Film-Trailer produziert wurde, einen völlig überraschenden Kick, gefolgt von der nicht minder überraschenden, weil vom ersten Ton an sehr wehmütig klingenden Ballade "They Should Have Named You Cocaine". Das Album starte also mit einem spannenden Kontrastprogramm und klimpert nicht - wie viele andere - im Honky-Tonk-Stil daher. Im Gegenteil: Auch das zweite Intermezzo ("Phone Call at 3 A.M.", ein seltsamer, nächtlicher Telefonanruf) und der darauf folgende Titel "Down in Mexico", der Lust auf Sonne, Strand und Bikinimädels in Mexiko machen soll, tauchen uns in ein Wechselbad der Gefühle: Meint Jerrod Niemann das wirklich so, wie er's geschrieben hat, oder nimmt er uns gehörig auf die Schippe?
Jerrod Niemann muss nicht mehr beweisen, dass er singen kann. Und er muss vor allem niemandem mehr in der großen weiten Country-Welt beweisen, dass er ein genialer Songwriter ist. Schließlich hat er für bekannte Interpreten Songs geschrieben, darunter drei Lieder für Garth Brooks und weitere Hits für Jamey Johnson, Neal McCoy, Julie Roberts und den Flynville Train. Also ein guter Songschreiber, der nach zwei Independent-Alben bislang mit dem Schreiben mehr Erfolg hatte als mit seiner eigenen Musik. Das ist nun anders: Mit diesem neuen Album bringt Niemann das komplette Country-Spektrum zum Klingen: Von spröder Country Music der 70er, über sanft schmachtende Songs à la 80er ("Come Back to Me") bis zum überschwänglichen Pop-Country der 90er ("How Can I Be So Thirsty"), jeder einzelne Song mit Herzblut, überschäumendem Temperament oder süffisanter Ironie interpretiert.
Alles in Allem ist Jerrod Niemann so etwas wie ein "gesetzloser Gentleman", ein "eleganter Müßiggänger", einer, der Spaß an der Komödie- und an echter Musik hat. Einer, der über sich selbst singt, er sei "weder reich, noch berühmt", einer, der "Old School Music wieder neu macht" ("Old School New Again" und "The Bucking Song"). Ein traditionalistischer Modernist. Eine fein durchdachte und nachdenkliche, auf seltsame Weise attraktive CD.
Neben dem Nummer-1-Hit "Lover, Lover", einem Remake von Sonia Dadas Song "You Don't Treat Me No Good No More" (1992), ist einer der besten Titel der CD der wunderbare Song "What Do You Want" - eine zärtliche Schimpftirade ("I'm so tired of living like this - I don’t have the time, neither do my friends"), getragen von einer singenden, hawaiianischen Melodie. Die dazwischen gestreuten Sketche - einer besser inszeniert als der andere, muss man im Kontext zur amerikanischen Country-Szene verstehen, man kann aber einfach auch Spaß daran haben. Ebenso wie an der Tatsache, dass sich die Storys in den 12 Songs meistens ums Saufen drehen - darunter auch die aktuelle, frech-flotte Single "One More Drinkin' Song", "How Can I Be So Thirsty" oder auch der Country-rockige Stimmungsmacher "For Everclear". Melancholisch, voller Blues, garniert mit Pop und stets hervorragend musiziert sind seine Balladen, die er den Frauen widmet, wie der feine Herz-Schmerz-Country-Popsong "I Hope You Get What You Deserve".
Komplett überraschend für Jerrod Niemann selbst ("Ich hab mir heute morgen ungläubig die Augen gerieben...!") marschierte das "Judge Jerrod & The Hung Jury" vom Start Mitte Juli schnurgerade auf Platz Eins der US-Country Album Charts. Die Fans sind offensichtlich nicht nur begeistert von seinen Songs, sondern auch von der verrückten Komposition mit Sketchen und Intermezzi. "Das ist zwar nicht wirklich eine neue Idee", sagte Jerrod Niemann im Interview mit einem US-Magazin, "aber ich fragte mich, warum sollen wir das nicht auch machen?" Der Erfolg gibt ihm Recht. "Vielleicht gefällt das nicht Allen. Aber den Humorvollen, denen es gefällt, und die den Spaß verstehen, bin ich wirklich dankbar dafür!" Eine alte Idee- neu getunt.
Fazit: Tadellose und charaktervolle Musik, dazu magische Texte und intelligenter Humor-so soll Country sein: einfach Klasse.
Label: Sea Gayle / Arista Nashville (Sony) | VÖ: 30. Juli 2010 |
01 | Intro |
02 | They Should Have Named You Cocaine |
03 | Lover, Lover |
04 | Phone Call at 3 A.M. |
05 | Down in Mexico |
06 | What Do You Want |
07 | A Friednly Request |
08 | The Buckin' Song |
09 | Old School New Again |
10 | Intermission |
11 | Come Back to Me |
12 | Drunken Complaint |
13 | How Can I Be So Thirsty? |
14 | Bakersfield |
15 | A Concerened Fan |
16 | One More Drinkin' Song |
17 | I Hope You Get What You Deserve |
18 | Deep Thoughts |
19 | For Everclear |
20 | Outro |