Dailey & Vincent - Let's Sing Some Country!

CD Cover: Dailey & Vincent - Let's Sing Some Country!

Die Bluegrass-Stars Dailey & Vincent präsentieren mit "Let's Sing Some Country!" ihr erstes Country-Album

Im Bluegrass ist die vielköpfige Band Dailey & Vincent längst eine feste Größe. Seit ihrem gleichnamigen Debüt-Album aus dem Jahr 2008 ist die Formation auf Platz eins oder zwei der Genre-Charts abonniert. Grammys inklusive! Auch in der Country-Gemeinde erfreut man sich leidlich an den harmonischen Roots-Klängen der Formation um Jamie Dailey und Darrin Vincent - mehr als ein 19. Platz ist indes noch nicht für sie herausgesprungen. Das könnte sich jetzt ändern. Schließlich hat die so stimmgewaltigen wie virtuose Band mit "Let's Sing Some Country!" jetzt ein neues musikalisches Terrain ins Auge gefasst. Man darf gespannt sein.

Dailey & Vincent: gelungener Trip ins Country-Fach

Und man wird vermutlich erstaunt sein. Denn was der Nashville-Act auf seinem zehnten Album anbietet, ist mehr Country, hat mehr Roots-Feeling und besticht mit mehr großartigen Melodien, als die meisten angestammten Country-Acts gerade auf Lager haben. Von der handwerklichen Umsetzung einmal ganz zu schweigen - die ist einfach nur makellos. Klarer Fall, hier sind zwei Könner am Werk. Aber auch zwei Kenner. Aus Nashville stammend, wissen die beiden Bandleader und Namensgeber natürlich nur zu genau, woraus ein überzeugender Country-Song geschnitzt ist. Sie verstehen es, das zu transportierende Gefühl in glaubwürdige Worte und nicht zu pathetische Harmonien zu verpacken.

Gleichzeitig ist es interessant, welche Art von Country Dailey & Vincent meinen, wenn sie "Let's Sing Some Country!" ausrufen. Tja, welche? Früher mag sich diese Frage nicht gestellt haben, Country war halt Country. Oder vielleicht noch Western. Aber das war's dann auch, mit Diversifikation. Heute ist das deutlich komplizierter, doch darüber muss man sich jetzt nicht auslassen. Widmen wir uns lieber den elf Tracks von "Let's Sing Some Country!", und die sind - um die Frage aufzugreifen - nicht unbedingt der heutigen Country-Definition entsprechend. Ganz und gar nicht sogar. Ihre Interpretation von "Country" hat viel mit den 1990ern zu tun, mit dem Sound, als sich das Traditions-Genre sachte dem Rock und Pop öffnete - seine Wurzeln aber noch längst nicht kappte. Viel 90er-Jahre- Feeling und dazu noch Songs, die ihre Inspiration aus der Musik der 70er- und 80er Jahre speisen. Süße, harmlose, gute Laune machende Retro-Klänge also.

Einerseits. Andererseits ist diese Musik einfach - Phrase hin, Phrase her - einfach zeitlos. Titel wie der harmonisch rockende Opener "I'll Leave My Heart in Tennessee", das nachfolgende, sehr zupackende und dabei an die guten, alten Brooks & Dunn erinnernde "You Rescue Me" und das mit fröhlichen Roots-Klängen an die frühen Alabama denken lassende "Hillbilly Highway" kennen kein Verfallsdatum. Es ist Musik, die einen sofort in eine positive Stimmung versetzt. Sie bietet Sehnsuchts-Potential, sie lädt zum Tagtraum ein, sie macht den Alltag um eine gute Note leichter und beschwingter.

Gute Idee: "Let's Sing Some Country!"

Wie es sich für ein Country-Album gehört, werden alle Facetten des Lebens musikalisch beleuchtet: Der Frohsinn, das Party-Leben, die Liebe, aber natürlich auch der Frust und die Trauer. Einen wunderschönen Song über die eher dunklen Seiten des Lebens halten Dailey & Vincent mit dem Titel "Colder Than Winter" bereit. Harmonisch verdächtig an den unverwüstlichen Klassiker "If I Were a Carpenter" angelegt, rührt die Band mit Hilfe von Nashville-Amsel-Nummer-eins - Vince Gill - einen herrlich winterlich-romantischen Hüttenzauber an. Wer auf der Suche nach dem perfekten Glühwein-Soundtrack ist - hiermit liegt man richtig! Da es bis zum ersten Türchen im Adventskalender aber noch eine Weile hin ist, bleibt dies auch der erste und einzige Ausflug in die dunkle Jahreszeit: "Those Memories of You" gibt sich bluesig-southern rockig und erinnert gleichzeitig an die Allman Brothers Band und Travis Tritt, "Dig a Little Deeper in the Well" und "Feels Like That Again" sind auf Retro-Sound gepolt und gemahnen in ihrer Machart an die Nitty Gritty Dirt Band, "Young Man's Town" zitiert den Country-Sound der 70er und "Closer To You" vermählt urwüchsiges Roots-Feeling mit gefälligen, schon fast hymnischen Pop-Harmonien.

Mit der großartigen, sehr zurückgenommenen und damit umso intensiveren Säufer-Ballade "If I Die a Drinkin'" beenden Dailey & Vincent ihren Ausritt ins Country-Fach. Man kann nur hoffen, dass es nicht ihr letzter war.

Fazit: Eine Bluegrass-Band zeigt, wo es im Country lang geht: Dailey & Vincent servieren auf ihrem ersten Country-Album "Let's Sing Some Country!" exzellente Musik. Behilflich waren Vince Gill, Alison Krauss, Rhonda Vincent und Jimmy Fortune. Ein Top-Album!

Label: BMG (Warner) VÖ: 16. September 2022
01 I'll Leave My Heart in Tennessee
02 You Rescued Me
03 Hillbilly Highway
04 Colder Than Winter (mit Vince Gill)
05 Those Memories of You
06 Dig a Little Deeper in the Well
07 Closer to You
08 Feels Like That Again
09 Young Man's Town
10 Message from the Farm
11 If I Die a Drinkin'
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Harald antwortete auf das Thema:
1 Jahr 3 Monate her
Haralds Avatar
Hallo Leute,
ich bin ja großer Fan von der Band und habe das Glück, die Band auch schon zwei Mal live erleben zu dürfen. Als ich gehört habe, dass Dailey & Vincent eine Country CD herausbringen wollen, war ich skeptisch. Jetzt habe ich mir das Werk einmal angehört. Und bin begeistert. Gerader, einfacher Countrysound ohne irgendwelchen Schnick-Schnack und das bombastische des Mainstreampopcountry, wo man keinerlei Countrymusiktypische Instrumente mehr hört.
Hoffentlich kommt die Band wieder mal nach Deutschland. Ich bin der Erste, der Karten kauft.
Harald

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