Nun - Rick Rubin ist das Musterbeispiel für eine neue Generation kreativer Produzenten, die auf diversen Hochzeiten tanzen und aus ihren Flirts mit anderen Stilrichtungen die Country-Szene befruchten. An Beispielen herrscht kein Mangel: Nashville-Star Dann Huff, Produzent von Country-Größen wie Wynonna oder Keith Urban ist mit seinen überragenden Gitarren-Künsten auch bei so unterschiedlichen Acts wie Madonna bis Whitesnake und zuletzt sogar beim neuen Album der deutschen Softpopper von Pur extrem angesagt.
Bevor sich Bass-Gitarrist und Toto-Gründungsmitglied David Hungate beim großen Chet Atkins an die Studio-Regler setzte, war er für so unterschiedliche Künstler wie Bryan Adams, Greg Lake, Barbra Streisand oder die Pointer Sisters im Einsatz. Der Texaner Keith Stegall schrieb Jahre lang Pop-Kompositionen - unter anderem für Al Jarreau - bevor er seinen Busenfreund Alan Jackson produzierte.
Weil Musikproduzenten den Sound in etwa so steuern wie Regisseure ihre Filme, machen sich in der Countrymusic seit Jahren vor allem Rock-Einflüsse breit. Eine - durchaus belebende - Liaison mit der Massentauglichkeit also, die Chet Atkins und Owen Bradley Mitte der 1950er-Jahre erstmals vorführten, als sie den noch rauen Nashville-Sound mit weicheren Klängen, weniger Banjos und sanften Chören für die Hitparaden zähmten. Gedacht war dieser Kunstgriff als Antwort auf den damals heftig konkurrierenden Rock´n´Roll. Doch erstmals wurde dabei auch die Macht der Musik-Produzenten auf das Soundformat deutlich, was Stars wie Willie Nelson oder Waylon Jennings später in ihr musikalisches "Outlaw"-Dasein trieb.
Dabei schlug das Pendel dieses Klangstylings auch schnell auf die Gegenseite aus: Nachdem ein gewisser Bob Dylan mit seinem 1968 in Nashville produzierten Album "John Wesley Harding" die Country-Sounds für Rock, Pop und Folk entdeckte, ging das von den Byrds unter dem Einfluss von Gram Parsons produzierte "Sweetheart of the Rodeo" als erstes "Country-Rock"-Album in die Musik-History ein. Mit seinem Erfolgsfilm "Urban Cowboy" löste John Travolta dann Anfang der 80er einen weltweiten Country-Boom aus. Damit war das Feld für eine ganz neue Generation von Country-Virtuosen in den 1990ern bereitet: Dwight Yoakam, Randy Travis, Garth Brooks oder Steve Earle, die tief im Country verwurzelt waren, begannen hart am Pop zu segeln und strickten daraus mit ihren Produzenten einen neuen Nashville-Crossover, der teilweise die Erfolge von Megasellern wie Madonna oder Michael Jackson übertraf.
Session-Drummer wie Vinnie Colaiuta (ehemals Zappa, Sting), John Robinson (Chaka Khan) oder Eddie Bayers (Stevie Winwood) - in Pop wie Country gleichermaßen zuhause - lieferten treibende Rhytmen auf denen Fingerpicking wie auch weibliche Country-Stimmen prächtig gediehen. Ein Strickmuster, das von Rick Rubin auch beim aktuellen Dixie-Chicks-Longplayer eindrucksvoll funktioniert, auf dem sich neben aller Abwechslung auch viele sensible, nachdenkliche Momente finden. Produzierenden Saitenhexern wie Dann Huff ist es zuzuschreiben, dass bei Gitarrensoli heute eher Rock-Spielarten dominieren. Das perlende Fingerpicking eines Vince Gill ist in den letzten Jahren immer stärker zugunsten ausladender Rocksoli verschwunden, wie es Huff beispielsweise bei der Wynonna-Nummer "Free Bird" perfekt vollführt.
Weil heute auch die Musiker und Produzenten Nashvilles Global Player sind, dürfte die Entwicklung weiterhin spannend bleiben. Das Schönste: Vergangene Spielarten geraten nicht in Vergessenheit und im Zweifelsfall sollte auch für die Countrymusic jener berühmte Satz gelten, der Klassik-Legende Leonard Bernstein zugeschrieben wird. Darauf angesprochen, weshalb er die Beach Boys ähnlich hoch einschätze wie Beethoven soll der Meister erklärt haben: "Es gibt eben keine E- und U-Musik, sondern nur gute oder schlechte."