Aber das ist längst nicht so in derMusic Row, wo Faith Hill, 40, für ihre poplastigen Songs kritisiert wurde und bei den Awards nicht in die engere Wahl kam. Trotz ihrer rekordverdächtigen Tour wurde Faith Hill in keiner Kategorie für die diesjährigen Preise der Country Music Association nominiert."Das hat mir nichts ausgemacht, denn ich glaube, die Leute in dieser Stadt mögen mich sowieso nicht besonders", so Faith Hill. "Ich glaube, sie sind der Meinung, dass ich nichts zum Format der Country-Musik beitrage. Ehrlich gesagt fühle ich mich hier nicht zu Hause."
Faith Hill sprach kürzlich in einem Interview über ihre Musik und das Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hat. Darin kam zum Ausdruck, dass sie im vergangenen Jahr mit ihrem Platz in der Musikwelt kämpfte und sich fragte, ob sie überhaupt noch zur Country-Musik gehöre. Im letzten Jahr war Faith Hill nicht so sehr wegen ihrer Musik in den Schlagzeilen, sondern wegen Streitigkeiten während der Bekanntgabe einer Gewinnerin bei den CMA Awards, einem aufpolierten Titelbild und ihren Kommentaren, nachdem ein weiblicher Fan ihrem Mann während eines Konzertes in den Schritt gegriffen hatte."Die Branche lässt sich hier die Chance entgehen, sie für die Dinge zu ehren, die sie für die Country-Musik getan hat und das ist sehr schade", so ihre gute Freundin Reba McEntire. "Leider passiert das sehr oft. Diese Kleinlichkeit und das engstirnige Denken sind sehr schlecht für unsere Branche. Wenn wir schon jemanden haben, der die Fahne der Country-Musik bei einem großen Publikum hochhält, so wie Tim und Fait es tun, sollten wir sie dabei unterstützen und sie nicht dafür bestrafen. Was wir tun, ist nichts anderes als Selbstmord begehen."
Gekleidet in ein schwarzes, fließendes Top und Jeans sitzt Faith Hill auf der Veranda des Hermitage Hotels, wo einst ihr Auftritt für "Behind the Music" des Musiksenders VH-1 aufgezeichnet wurde. Sie erholt sich gerade von dem nach eigenen Aussagen schwersten Jahr in ihrer professionellen Karriere, das mit ihrer schon berühmten scherzhaften Reaktion "What?" und den dramatisch erhobenen Händen nach der Verkündung der Gewinnerin Carrie Underwood als beste Sängerin bei den CMA Awards begann. Die prüfenden Blicke derjenigen, die ihre Reaktion für ernst gemeint ansahen, ließen ihr noch Wochen danach Tränen in die Augen steigen, denn die Angriffe waren persönlich und bösartig. "Das hat mich letztes Jahr fast umgebracht", so Faith Hill. "Ich rief meinen Manager an und sagte: Ich höre auf. Ich gehöre hier nicht mehr hin. Keiner versteht mich. Ich kann auch woanders hingehen, wo die Menschen mein Anliegen verstehen."
Im Januar wurde Faith Hill mit einem weit schwereren Schicksalsschlag konfrontiert: Ihre leibliche Mutter starb im Alter von 62 Jahren unerwartet an einem Herzstillstand (Faith Hill möchte ihren Namen nicht nennen). Ihre leibliche Mutter, Tochter eines Baptistenpredigers in einer kleinen Stadt in Florida, war zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit schwanger und das Paar konnte ihren Eltern so nicht gegenübertreten, also zogen sie nach Mississippi um und gaben ihre Tochter zur Adoption frei. Vier Jahre später bekamen sie einen Sohn - Faith Hills Bruder, zu dem sie nun auch Kontakt hat. Faith Hills leiblicher Vater kam bei einem Autounfall ums Leben, als ihr Bruderein Jahr war und ihre leibliche Mutter, eine Malerin, die gerne alte Häuser auf Vordermann brachte, heiratete nicht wieder. Sie trafen sich, als Faith Hill in ihren Zwanzigern war. "Sie war eine sehr starke und eigensinnige Frau", sagt Faith Hill über sie. Nach dem Eklat bei den CMA Awards unterstützte sie Faith Hill, indem sie ihr riet, sich nicht gesenkten Hauptes zurück zu ziehen und stark zu bleiben. "Sie meinte nur: Wie können sie es wagen? Es waren sehr schwere Zeiten nach ihrem Tod, denn wir lernten uns gerade erst ein bisschen besser kennen. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es für sie so allein die ganzen Jahre gewesen sein muss."
Die beruflichen Rückschläge haben Faith Hillsl Willen zum Erfolg nur noch gestärkt - den sie auf ihre eigene Art und Weise erreichen will. Anstatt eines Abklatsches des überaus erfolgreichen Hitalbums "Breathe" von 1999 zu veröffentlichen, hat Faith Hill das künstlerisch sehr mutige Album "Cry" aufgenommen, das aus ihrer Sicht ihr bestes Album bis jetzt ist. Das 2002 veröffentlichte Album verkaufte sich 2,7 Millionen Mal und ist damit ihr drittbestes Album. "Als ich dieses Album aufnahm, sagte ich mir: Es gibt keine Mauern mehr. Meine Arme liegen nicht mehr in Ketten", so Faith Hill. Obwohl sie einen Grammy gewann, beschwerten sich die Country-Radiostationen, dass es kein richtiger Country wäre. "Ich konnte diese Aussage - Wir denken, dass du nicht mehr in das Format passt - nicht mehr hören, und ich musste sie mir in den letzten beiden Jahren sehr oft anhören! Ich präsentiere ihnen herausforderndes Material, das gebe ich zu. Es passt in keine Schublade, es klingt nicht wie die anderen. Aber ich kann hier sitzen und ehrlich sagen, dass ich mich nicht darüber beschwere. Ich fühle mich frei und ungebunden. Das ist ein tolles Gefühl. Es kümmert mich wirklich nicht. Mir ist es wichtig, dass das, was ich tue, gut ist."
Faith Hill kehrte 2005 mit dem Album "Fireflies" und im Besonderen mit der Nummer-1-Single "Mississippi Girl" zu ihren Country-Wurzeln zurück, aber manche Kritiker waren der Meinung, dies wäre ein kalkulierter Schachzug gewesen, um wieder in das Format zu passen. "Ich bin durch und durch ein Country-Mädchen", meint Faith Hill dazu. Von jetzt an, so sagt sie selbst, folgt sie nur noch ihrem Herzen, in dem zweifelsohne Country-Musik schlägt, aber eben auch eine gehörige Portion Soul. Und sie glaubt, dass ihr Instinkt sie nicht betrogen hat.

Auf der Suche nach der Seele
Vor einigen Monaten sagte Faith Hill den Direktoren bei Warner Bros. Nashville, dass sie, wenn sie nicht die Alben aufnehmen könne, die sie ohne die Beachtung von Radioformaten machen wolle, gar keine Alben mehr aufnehmen würde. Bei Warner Bros. Nashville war man damit einverstanden und somit beginnt Faith Hill diesen Herbst mit dem Soul-Album, von dem sie weiß, dass es ihren Fans gefallen wird. Bei den Aufnahmen wird es keine Beschränkungen oder Abgabetermine geben, an die sie gebunden wäre. "Das Radio wird mir nicht vorschreiben, was ich den Rest meiner Karriere machen werde", sagt sie. "Ich weiß nicht, ob meine Songs jemals wieder von einem Country-Radiosender gespielt werden. Das kann ich wirklich nicht sagen. Aber ich weiß, was für eine Art Künstlerin ich bin, was für eine Sängerin ich bin. Und darauf werde ich mich von jetzt an konzentrieren. Keiner sagt mir, was ich zu tun habe, außer mir selbst. Ich habe ihnen alles gegeben. Ich habe sie überall mit hingenommen, um die ganze Welt. Ich wurde immer als Country-Künstlerin Faith Hill vorgestellt - bei den Oscars, beim Super Bowl, als ich die Nationalhymne sang, in Europa, Japan. Aber davon redet jetzt keiner mehr... Ich fühle mich dieser Branche nicht mehr zugehörig."
Wenn man sie fragt, ob sie schon einmal in Erwägung gezogen hat, die Country-Musik für eine Pop-Karriere aufzugeben, antwortet sie: "Ich weiß nicht, was ich bin. Ich weiß nicht, wie Sie mich nennen würden. Ich bin ein Country-Mädchen, das lässt sich nicht leugnen. Aber wissen Sie was? Ich weiß nicht, wohin mich mein Weg noch führt. Ich bin gerade dabei, dieses Album aufzunehmen und ich weiß noch nicht, wie es sich am Ende anhören wird. Wer weiß jetzt schon, wo es einmal gespielt werden wird?"
Im vergangenen Sommer auf der Bühne, auf der sie sich jeden Abend in der Musik verlor, hat sie wieder an Selbstvertrauen gewonnen. "Da bekam ich die Chance, allen mein wahres Künstler-Ich zu zeigen", sagt sie. "Ich konnte zeigen, was in mir steckte. Ich hatte das Gefühl, etwas beweisen zu müssen und ich bin der Meinung, dass ich das mehr als getan habe, mehr noch als letzten Sommer. Letzten Sommer habe ich die Spinnennetze entfernt und mich an die Situation gewöhnt. Aber diesen Sommer habe ich so richtig losgelegt. Ich hatte das Gefühl, ich bin wirklich zurück. Auf der Bühne fühlte ich mich wie Tina Turner. 'Hallo, ich bin zurück.' Und niemand kann mir diesen Moment nehmen."