Nordamerikas Jack White dürfte Schlagerfans dagegen kaum bekannt sein: John Anthony Gillis, genannt Jack, wurde 1975 in Detroit geboren. Während seiner Ausbildung als Polsterer spielte er schon als Drummer in örtlichen Underground-Bands. Schon in der High-School hatte er Meg White getroffen und bei der Heirat drei Jahre später ihren Nachnamen angenommen. 1997 gründeten sie das Duo The Whites Stripes. Mit jedem Album wurde die Garagenrock-Blues-Band bekannter, auch wegen ihrer leicht bizarren Vorlieben für Farben und ihrem Insistieren darauf, nicht verheiratet, sondern verschwistert zu sein.
Im Jahr 2003 katapultierte "Elephant" mit dem Über-Hit "Seven Nation Army" die Gruppe endgültig zum Weltruhm. Jack White, die singende, Gitarre spielende, Song schreibende Hälfte der White Stripes, war unumstrittener Anführer. Bald schon tauchte er auf Listen auf, unter den weltweit besten Gitarristen wurde er stets unter den ersten 50 geführt. Neben seinen eigenen produzierte der achtfache Grammy-Gewinner auch Alben von Loretta Lynn, Wanda Jackson und Neil Young. Seit 2011 sind die White Stripes offiziell Geschichte, ihr letztes Konzert gaben sie bereits 2009.
Nach zwei kommerziell sehr erfolgreichen Soloalben schaut White nun zurück. "Acoustic Recordings 1998-2016" ist ein Album ganz ohne jaulende E-Gitarren und markerschütterndes Schlagzeug. 26 Songs auf zwei CDs verteilt, voller Raritäten: hier sind B-Seiten, Alternativversionen und bisher unveröffentlichtes aus allen Karriere-Stationen versammelt, chronologisch angeordnet. Der Titel "Acoustic Recordings 1998-2016" sagt schon alles: dies sind abgespeckte, deutlich gesetztere Songs. The White Stripes unplugged quasi.
Dazu passt, dass White seit einigen Jahren in Nashville wohnt, wo das Hauptquartier seines Plattenlabels Third Man Records sitzt und er einen Stern auf dem Music City Walk of Fame erhielt. Der Mann hatte schon immer eine Schwäche für uralte Blues- und Country-Songs, für Blind Willie McTell und Son House genauso wie für Johnny Cash. Von ihnen hat White seine Vorliebe für alles Unfertige, Raue, dies verlieh dem White Stripes-Output stets seinen Charme. Die ersten sieben Songs von "Acoustic Recordings 1998-2016" klingen wie Klassiker. Kaum einer dieser Songs ist länger als drei Minuten, berstend vor ungestümer Energie - dazu braucht es nicht mal Strom.
Der Post-2005-Jack White dagegen nimmt seine Songs nicht mehr so schnell auf wie noch in seinen Anfangsjahren, und das verändert die Stücke. Nicht unbedingt zum Guten: Obskures wie "Forever For Her (Is Over For Me)" oder "White Moon" von einem zu Recht vernachlässigtem Album wie "Get Behind Me Satan" kann kaum überzeugen, genauso wenig wie die später veröffentlichten "On And On And On" und "Machine Gun Silhouette".
Jack Whites Gesang auf "Acoustic Recordings 1998-2016" überzeugt selten
Gerade sein stets etwas quäkiger, dünner Gesang stört hier zunehmend. Jack White ist in erste Linie Gitarrist. Seine Künste sind legendär, Songs wie "Seven Nation Army" und zuletzt "High Ball Stepper" zeigen einen Mann, der die Saiten seiner schicken Vintage-Gitarren quält und martert, einen jüngeren Jeff Beck oder Jimmy Page.
Für die Aufnahme von Akustik-Versionen sind solche Fähigkeiten nachrangig. Dennoch gibt es auf "Acoustic Recordings 1998-2016" tolle Songs. Mit dem Sänger und Songschreiber Brendan Benson hatte White The Raconteurs formiert, deren "Carolina Drama" und "Top Yourself" hier in virtuosen Bluegrass-Versionen enthalten sind, inklusive Fiddle und Banjo. Weiteres Highlight: das für den "Cold Mountain"-Soundtrack komponierte "Never Far Away". Das Stück ist das einzige, das White nicht selbst produziert hat, T-Bone Burnett zeichnete für die Aufnahme des vielleicht schönsten Songs, den der Sänger je geschrieben hat, verantwortlich. Ähnlich grandios, sanft, und verletzlich zeigt sich Jack White auf "You've Got Her In Your Pocket".
Mit "City Lights" gibt es für Hardcore-Fans immerhin einen bisher unveröffentlichten Song der White Stripes, der mit einem kreisenden Gitarrenmotiv und raschelnder Percussion von Meg White recht hübsch daherkommt, aber doch eher verzichtbar ist.
Fazit: Jack White ist ein Country-Liebhaber, das scheint durch fast alle der 26 Songs auf "Acoustic Recordings 1998-2016" durch. Schade, dass nur wenige dieser Stücke mit einer richtigen Bluegrass-Band aufgenommen wurden. Das macht diese Kompilation eher zu einem Sammlerobjekt für White-Stripes-Fans.
Label: Third Man (Indigo) | VÖ: 9. September 2016 |
Disc 1 | |
01 | Sugar Never Tasted So Good |
02 | Apple Blossom (Remixed) |
03 | I'm Bound To Pack It Up (Remixed) |
04 | Hotel Yorba |
05 | We're Going to Be Friends |
06 | You've Got Her In Your Pocket |
07 | It's True That We Love One Another |
08 | Never Far Away |
09 | Forever For Her (Is Over For Me) |
10 | White Moon |
11 | As Ugly As I Seem |
12 | City Lights |
13 | Honey, We Can't Afford to Look This Cheap |
14 | Effect & Cause |
Disc 2 | |
01 | Love Is The Truth (Acoustic Mix) |
02 | Top Yourself (Bluegrass Version) |
03 | Carolina Drama (Acoustic Mix) |
04 | Love Interruption |
05 | On And On And On |
06 | Machine Gun Silhouette (Acoustic Mix) |
07 | Blunderbuss |
08 | Hip (Eponymous) Poor Boy (Alternate Mix) |
09 | I Guess I Should Go To Sleep (Alternate Mix) |
10 | Just One Drink (Acoustic Mix) |
11 | Entitlement |
12 | Want And Able |