Auch auf ihrem vierten Album "Chains & Stakes" rühren The Dead South ihren abenteuerlichen Mix aus Bluegrass, Folk und Punk-Energie an
Ein Ortswechsel in einen, in ihrem Fall völlig anderen Kulturkreis, sorgt mit Sicherheit für neuen Input, für neue, frische Inspirationen. Ob das allerdings etwas Gutes zu bedeuten hat, steht freilich auf einem anderen Blatt. Doch keine Sorge, liebe Dead South-Fans, im Falle der Band um Sänger und Gitarrist Nate Hilts hat sich der Tapetenwechsel absolut ausbezahlt. Die vierköpfigen Bluegrass-Berserker aus der Prärie-Provinz Saskatchewan sprühen auf "Chains & Stakes" wieder vor Einfällen und Spielfreude.
"Chains & Stakes": Bluegrass und Folk jenseits des Mainstreams
So manch skurrile Idee inklusive, versteht sich. Dass sie ihre sperrigen Einfälle nicht irgendwo im Hinterland ihrer Alben verstecken, versteht sich bei ihnen auch. Nein, gleich im Opener "Blood on the Mind" machen sie deutlich, um welche Art von Roots-Act es sich bei The Dead South handelt: Um eine Band, die keine Scheuklappen zulässt, die keine musikalischen Berührungsängste kennt, die der Phantasie freien Lauf lässt.
So entpuppt sich beispielsweise der gut dreieinhalbminütige Auftakt-Song als eine Art Song-Collage: Zunächst bringt die Band für eine halbe Minute einen knochentrockenen Folk-Blues zu Gehör, nur Akustik-Gitarre und rauhkehliger Gesang. Dann, nach einer halben Minute nicht nur Double-Time, sondern Vervielfachung des Tempos - und dazu ein Schwenk in Bluegrass- und Folk-Gefilde.
Von konventionellen Klängen sind Hilts & Co. aber immer noch so weit entfernt, wie Acapulco vom Polarkreis. Immer wieder blitzen Breaks, Einschübe und das eine oder andere Banjo-Gewitter auf. Es mag gewöhnungsbedürftig sein. Nein, es ist gewöhnungsbedürftig! Aber so soll es ja auch sein. The Dead South haben noch nie Musik für den schnellen kurzen Musik-Hunger gemacht, sondern Songs, an die man sich herantasten muss und die einem etwas Geduld und Toleranz abverlangen. Die einen aber dann mit so mancher Entdeckung belohnen.
The Dead South gingen für die Sessions nach Mexiko City
Zur Song-List von "Chains & Stakes" gehören auch vier kurze Tracks. Man könnte auch sagen, Song-Skizzen. Alle sind sie zwischen einer Minute und eindreiviertel Minuten lang. Kurze Pretiosen, die aber mitunter musikalische Sprengkraft besitzen - wie "20 Mile Jump", ein Bluegrass auf Speed, oder plötzlich der introvertierte Folk von "Where Has the Time Gone" oder das wehmütige, mit sphärischen-hypnotischen Geigenklängen an einen Soundtrack erinnernde "Clemency".
Herzstück des vierten The Dead South-Albums bilden der kraftvolle, fast vierminütige Folk-Bluegrass-Feger "A Little Devil" und das viereinhalbminütige "Son of Ambrose". Hier zeigt die Band, dass sie zwischendurch auch halbwegs konventionell zu Werke gehen kann: ein flotter Folk-Song, angetrieben von der für die Band typischen Banjo-Betonung zwischen den Vierteln.
Natürlich fragt man sich, ob der Spirit von Mexiko City musikalisch auf "Chains & Stakes" einfloss. Klare Antwort: Jein. Mariachi-Bläser kommen auf dem Album jedenfalls nicht vor. Aber so manch' feurige Corridos-Melodie oder auch Rancheras-typische Vocals lassen sich, hört man genauer hin, gelegentlich im neuen Dead South-Outfit ausmachen. Mit der erstaunlich subtilen Folk-Ballade "Father John", die wohl kaum auf den Rockmusiker Father John Misty gemünzt ist, klingt das Album gefühlvoll und überzeugend aus.
Fazit: Obwohl in Mexiko City aufgenommen, bleiben sich The Dead South auch auf "Chains & Stakes" musikalische treu und bieten erneut ein höchst originelles Bluegrass- und Folk-Crossover.