Ein bemerkenswertes Teamwork, das natürlich für Songwriter-Qualität bürgt. Trotzdem ist das kein Track, der einem sofort ins Ohr flutscht. Der Titel hat Ecken und Kanten und Reibungspunkte. Aber wenn Dustin Lynch die Zeilen über die vielen Cowboy-Klischees (von Whiskey bis Marlboro) singt, dann entwickelt seine Stimme einen Sog, dem man sich nicht so leicht entziehen kann. Ein wehmütiger, etwas geheimnisvoller und mit kraftvollen Beats befeuerter Track. Keine Song-Schonkost, keine Nummer, die man mal so nebenbei beim Bügeln hören kann - nein, da muss man schon die Ohren spitzen und aufmerksam lauschen.
Mit "Killed the Cowboy" zurück in die Hit-Spur?
Fürs Bügeln eignet sich da schon eher das nachfolgende "Honky Tonk Heartbreaker", bei dem Lynch - neben drei weiteren Songschreibern - als Co-Autor mitwirkt. Ein, auch das lässt der Songtitel vermuten, aufgekratzter Party-Kracher, mit hübscher Mitgröl-Melodie und forderndem Groove. Ein Song, ganz für das Mainstream-Radio gemacht und allemal mit Hitpotential. Gegen einen neuen Hit hätte der im Mai 1985 in Tullahoma, Tennessee, geborene Country-Star sicher auch nichts einzuwenden. Denn seine letzten Veröffentlichungen schnitten, vergleichen mit den Vorgängern, deutlich schlechter ab. "Blue in the Sky", sein letztes, im Jahr 2022 erschienene Album mogelte sich gerade noch in die Top 10 der Country-Charts, in den Hot 200 landete es auf einem enttäuschenden 125. Rang. Das sah schon mal anders für Dustin Lynch aus. Sein gleichnamiges Debüt-Album aus dem Jahr 2012 schnellte beispielsweise auf Platz eins der Country- und auf Platz 13 der Hot 200-Charts. Und auch die drei weiteren schnitten sehr, sehr gut ab.
Dummerweise wollten auch die Singles von "Blue in the Sky" nicht zünden. So ganz und gar nicht sogar. Verständlich, dass er mit "Killed the Cowboy" diese Scharte jetzt auswetzen möchte. Ob es ihm gelingt? Das ist schwer zu sagen. Die Moden ändern sich laufend, was heute top ist kann Morgen schon ein Flop sein. Auf den Retro-Zug, der in Nashville gerade wieder Fahrt aufgenommen hat, ist Dustin Lynch jedenfalls nicht aufgesprungen. Nicht einmal bei dem vielversprechend klingenden Track "George Strait Jr."
Wenn man es genau nimmt, ist Dustin Lynch gerade in diesem Song viele Highway-Meilen entfernt vom King George-Sound. Schon aus einem einzigen Grund: Die Musik von George Strait zeichnet eine fröhliche Leichtigkeit und Lässigkeit aus. Sie ist bis zur letzten Note vollgepackt mit positiven Vibrationen und mit menschlicher Wärme. Seiner Musik gelingt es, Alltagsprobleme weniger groß erscheinen zu lassen. Dem von Dustin Lynch besungenen "George Strait Jr." fehlt all das. Der ist eher ein Grübler und Zauderer und dazu ein Pessimist. Dass dazu ein Drumcomputer kalte Rhythmen beisteuert, macht das Ganze nicht besser.
Dustin Lynch: Licht und Schatten
Deutlich besser kommt da schon das anschließende "Chevrolet" in die Gänge. Das Duett mit Kult-Countryrocker Jelly Roll basiert auf der Melodie des 80er-Jahre Evergreens von Dobie Gray, "Drift Away" - und behandelt das beliebte Thema: was macht Country zu Country? (u.a. ein "Sixpack von Brooks & Dunn"). Sehr lässig und für gute Laune sorgend.
In den nächsten Songs schreitet der Cowboy aus Tennessee ein paar weitere unvermeidliche Country-Themen ab: Er rockt einen Drinkin' Song ("If I Stop Drinkin'"), er schlägt einen Love-Song ("Only Girl in this Town") und einen Trennungs-Song ("Breakin' Up Down") an und er huldigt seinem fahrbaren Untersatz ("Trouble With This Truck"). So unterschiedlich die Motive, so ähnlich sind sich die Songs in ihrer Machart und in ihrer Stimmung. Mal geht es mehr Moll-Tonlage, mal ist der Groove synkopiert, mal schwingt um eine Prise mehr Melancholie mit. Alles gut - aber auch nicht der ganz große Wurf.
Zur Höchstform läuft der 38-Jährige aber immerhin gegen Ende des Albums auf. So geht beispielsweise "Lone Star" (wieder mit Devin Dawnson als Co-Autor) als roots-orientierter, unaufgeregt inszenierter Country-Song durch und mit "Long Way Home" lässt Lynch tatsächlich diese vorher beschriebene George-Strait-Leichtigkeit zu. Ein easy-going-Song mit einer schnörkellos schönen Melodie und einer weinenden Pedal Steel. Geht doch!
Fazit: Der ganz große Wurf gelingt Dustin Lynch mit "Killed the Cowboy" gerade nicht. Ein grundsolides Album mit einigen Highlights ist sein sechster Longplayer aber allemal.
Label: Broken Bow / BMG (Warner) | VÖ: 29. September 2023 |
Disk 1 | |
01 | Killed the Cowboy |
02 | Honky Tonk Heartbreaker |
03 | George Strait, Jr. |
04 | Chevrolet (mit Jelly Roll) |
05 | If I Stop Drinkin' |
06 | Only Girl in This Town |
07 | Breakin' Up Down |
08 | Trouble with This Truck |
09 | Blue Lights |
10 | Lone Star |
11 | Listen to the Radio |
12 | Long Way Home |