Kein Club, keine Halle, kein Open Air ist vor ihm sicher. Gut für ihn - und gut für jeden Veranstalter. Denn Charley Crockett, der jahrelang mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen hatte und zeitweise obdachlos war, hat sich zu einem Act mit Qualitäts-Garantie gemausert. Man weiß, was man von ihm bekommt. Man wird nicht enttäuscht.
Charley Crockett bürgt für Qualität
Das gilt auch für seine Alben. Er wird, das darf man ruhig so sagen, eigentlich mit jeder weiteren CD besser. Mit jeder Neuveröffentlichung findet er mehr zu sich und seinem eigenen Sound - was aber nicht heißt, dass man ihn stilistisch einordnen könnte. Das nicht. Das auf keinen Fall! "Ich habe viele Jahre Straßenmusik gemacht", erzählt er uns in einem kürzlich geführten Telefonat, "ich bin an jeder Straßenecke gestanden. Hier habe ich Country gespielt, da Folk, woanders Pop und in Gegenden wie New Orleans habe ich natürlich Jazz-Standards gespielt. Die Straße ist mein Lehrmeister. Du musst einiges zu bieten haben, damit die Leute stehen bleiben und dir zuhören."
Das hat er hinbekommen, das hat er gelernt. Diese Erfahrung macht er sich nun auch für seine Alben und Tourneen zunutze, indem er mit den Stilrichtungen jonglieren kann wie ein Zirkuskünstler. Mit leichter Hand vermengt er die Zutaten, wobei der Bodensatz bei fast jedem der neuen 15 Tracks von "Man From Waco" aus Roots-Country oder Folk besteht. Abgeschmeckt mit einer guten Prise Nostalgie und augenzwinkernder Ironie. Genau diese Mixtur macht Charley Crockett so sympathisch.
Sicher, er ist kein superbegnadeter Shouter. Seine Stimmgewalt hält sich in Grenzen, sein Umfang von oben nach unten ist überschaubar. Schlau wie der Kerl aber ist, versucht er gar nicht mit Stimm-Power zu glänzen. Im Gegenteil. Er macht aus der Not eine Tugend und bleibt stimmlich immer in seinem ihm angestammten Terrain - eine Stimmlage, die er souverän zu bedienen weiß. Und die gerade in staubigen Wild-West-Oden wie "Black Sedan" ausgezeichnet zur Geltung kommt. Überhaupt findet sich so manche Reminiszenz an die Frontier-Tage, an die alten Cowboys, an die alten Filme. Der Titeltrack beispielsweise klingt ganz so, als ob er aus einem John Wayne-Streifen entstammen würde. Oder etwa nicht? "Doch, damit liegst du völlig richtig", lässt er durch das Telefon verlauten, "ich habe mich für den Track von dem alten James Stewart-Western "The Man From Laramie" inspirieren lassen. Deshalb klingt er wohl auch so sehr retro."
Mit "The Man from Waco" erinnert er an Billy Joe Shaver
Inhaltlich aber setzt er woanders an: "Waco ist eigentlich keine sonderlich beliebte Stadt in Texas", sagt er, "doch wir sind schon so oft da durchgefahren, also habe ich mir gedacht, es ist an der Zeit, diesen Ort mal etwas zu würdigen. Und nachdem Billy Joe Shaver da gelebt hat und 2020 in Waco gestorben ist, hatte ich einen weiteren guten Grund für den Song." Zünftige Wild-West-Klänge sind aber nur die eine Seite seiner CD-Medaille. Die andere präsentiert so manche musikalische Überraschung. Beispielsweise "Trinity River". Ein Song mit Bläsern, mit komplexeren Akkorden-Progressionen, mit synkopierten Beats, kurz: ein Song mit Jazz-Feeling - und damit nicht weit entfernt vom Lyle Lovett-Sound, wenn dieser mit seiner Large Band loslegt. Sieht er das ähnlich? Fehlanzeige! Er kennt Lyle Lovett nicht einmal. Konfrontiert man ihn aber damit, dass "Just Like Honey" etwas von Dylan und das hintergründig-verschmitzte "I'm Just a Clown" von Lee Hazlewood haben, bekommt man ein hocherfreutes "I appreciate that" zu hören. "Diese Vergleiche ehren mich."
Vor allem letzterer, mit Lee Hazlewood. Mit dem 2007 verstorbenen Country- und Easy-Listening-Troubadour scheint er sich verbunden zu fühlen. "Lee konnte man auch nie auf eine Stilrichtung festlegen. Er hat auch einfach sein Ding gemacht - und auch er ließ die anderen rätseln, was das denn jetzt sei." Er macht´s nicht anders. Und er macht es gut.
Fazit: Neues von Charley Crockett. Kaum ein anderer Country- und Americana-Act füttert seine Fangemeinde so fleißig, wie der hagere Texaner. Auf "The Man from Waco" läuft er dazu erneut zu Hochform auf.
Label: Son of Davy / Thirty Tigers (Membran) | VÖ: 9. September 2022 |
01 | The Man from Waco Theme |
02 | Cowboy Candy |
03 | Time of the Cottonwood Trees |
04 | Just Like Honey |
05 | I'm Just a Clown |
06 | Black Sedan |
07 | The Man from Waco |
08 | Trinity River |
09 | Tom Turkey |
10 | Odessa |
11 | All the Way from Atlanta |
12 | Horse Thief Mesa |
13 | July Jackson |
14 | The Man from Waco Theme |