Back to the roots: "Front Porch Singin'"
Ein Sound, mit dem das bereits in den 1940er Jahren gegründete und seitdem mehrfach umbesetzte Ensemble ihre Laufbahn begann. Doch mit wechselnden Mitgliedern und Moden änderte sich auch die musikalische Ausrichtung. Mal machten sie Country und Folk, mal Country-Rock, mal wilderten sie in glatten Country-Pop-Gefilden und, nicht zu vergessen, wagten sie sich auch an Interpretationen von Rocksongs wie "Seven Nation Army" von den White Stripes. Das ist mutig. Und das spricht für eine stete Fort- und Weiterentwicklung sowie einer gewissen Experimentier-Bereitschaft der vier stimmgewaltigen Oak Ridge Boys.
Dass die Band von Stagnation nichts hält, zeigt sich auch, dass sie für "Front Porch Singin'" erneut Dave Cobb (Chris Stapleton, Lukas Nelson) als Produzent verpflichteten. Ein Mann, der dafür bekannt ist, die Magie des Moments einzufangen, was offenbar auch für die Sessions von "Front Porch Singin'" gilt. "Wir saßen im Studio, als Dave Cobb hereinkam und fragte: "Wenn ihr auf der Veranda sitzen würdet, welche Lieder würdet ihr da singen?" Und sofort begannen wir "Unclouded Day" zu singen", verriet Frontman Duane Allen kürzlich in einem Interview. Als Cobb das hörte, habe er nur gesagt, sie sollten doch bitte gleich zu den Mikrofonen gehen. "Haben wir gemacht - und so wurde das Album aufgenommen."
Und genau so hört es sich auch an. Kein Gimmick, keine aufgeblähten Arrangements, nicht mal eine Band in Standardbesetzung lässt sich im Klangbild von "Front Porch Singin'" deutlich ausmachen. Nichts lenkt von den Stimmen von Allen, Bonsall, Golden und Sterban ab. Es sind Stimmen, die meistens immer noch fit genug klingen, die immer noch Tiefe und Volumen besitzen. Wärme sowieso. Wie gesagt: meistens. Je nachdem wer gerade den Part des Lead-Sängers übernimmt, lässt sich gelegentlich eine altersbedingte Brüchigkeit nicht kaschieren. Beispielsweise im zweiten Track der CD, der Lead-Single "Love, Light, And Healing". Hier klingt taktweise der Vortrag so genuschelt, dass man denken könnte, die Zahnprothese sitzt nicht richtig.
Doch egal. Vielleicht sogar: ehrenwert. Wie für Cobb typisch, fängt der sechsfache Grammy-Gewinner stets den klanglichen Kern des Kerns einer Band ein. Den Trademark-Sound. Zu viel Klangkosmetik kommt da freilich nicht in Frage, es soll, es muss ja authentisch bleiben - selbst wenn es mal ruckelt und zwickt. Doch das tut es ohnehin höchst selten. Meistens rollen, angetrieben von den vier Stimmen, Harmonien und Rhythmen so gemütlich und geschmeidig dahin, wie ein alter Cadillac auf einem amerikanischen Highway. Man nehme nur den Opener, dass zutiefst optimistische "Life is Beautiful". Ein Klang, bei dem man sich sofort in einem Schaukelstuhl niederlassen und sich ein Kaltgetränk genehmigen möchte. Sehr chillig! Sehr gemütlich! Und sehr positiv in seiner Aussage dazu.
The Oak Ridge Boys: die ältesten Chorknaben im Country
Chillig, gemütlich und positiv sind ohnehin Attribute, die auf jeden der elf Titel passen. Kein Wunder, denn neben neuen Liedern präsentieren sie klassische Gospel-Songs wie "Swing Down Chariot", das einst durch die Interpretation von Johnny Cash bekannt gewordene "Life's a Railway to Heaven", den Country-Gospel "Promised Land" oder den schon fast 100 Jahre alten Country & Western-Klassiker "Red River Valley". Mit letzterem Song, in den 1930er Jahren ein Hit für Gene Autry, setzen The Oak Ridge Boys ein Highlight der CD. Zum einen, weil sie hier ihre Stimmen so tief in den Keller drücken, dass man sich unweigerlich an Lee Marvins Version von "Wand'rin' Star" erinnert fühlt. Zum anderen, weil eine originelle, in den höchsten Lagen singende Lead-Gitarre für melodische Kontrapunkte sorgt.
Manchmal aber braucht es nicht mal das. Da reichen ein paar akustische Gitarren-Akkorde und eine Bassdrum, die nur in jedem zweiten Takt auf die Zwei schlägt. Songs wie die Gospels "Promised Land" und "Life's a Railway to Heaven" sind jedenfalls so sparsam arrangiert, dass sie fast als A-Cappella-Stücke durchgehen. Wie traumwandlerisch sicher die perfekt aufeinander eingesungenen Oak Ridge Boys im Timing sind, zeigen sie am eindrucksvollsten in zwei sehr langsamen Titeln: In der Ballade "Till I See You Again" oder dem finalen "When He Calls". Hier beweisen Allen & Co die hohe Meisterschaft der Phrasierung und des rhythmischen Feingefühls. Doch die rüstigen Chorknaben können auch noch anders, wenn's mal sein muss. Dann geht die Post immer noch ab – wie sie in dem flotten, keine zwei Minuten dauernden Rock 'n' Roller "Rock My Soul" und dem temperamentvollen Gospel "Unclouded Day" beweisen.
Fazit: Als würden sie von auf einer Veranda sitzen und alte Gospels singen: Angeleitet von Produzent Dave Cobb beweisen The Oak Ridge Boys auf "Front Porch Singin'" ihre gesangliche Klasse. Ein Roots-Album für Puristen.
Label: Lightning Rod (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 11. Juni 2021 |
01 | Life is Beautiful |
02 | Love, Light, and Healing |
03 | Old Ways |
04 | Promised Land |
05 | Red River Valley |
06 | Life's Railway to Heaven |
07 | Rock My Soul |
08 | Swing Down Chariot |
09 | Till I See You Again |
10 | Unclouded Day |
11 | When He Calls |