Dass es überhaupt zu diesem runden Jubiläum kommen konnte, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Manch alter Hase erinnert sich sicherlich noch an den Bruch zwischen Lange und seinem ehemaligen Mitstreiter Kai Ulatowski. In der Folge hatte Berlin zeitweilig nicht nur zwei konkurrierende Country Music Festivals (Die Country Music Messe und das Country Music Meeting), sondern es entbrannte auch ein Rechtsstreit zwischen den einstigen Weggefährten. Doch all das ist nun Schnee von gestern. Langes Country Music Meeting hat allen Widrigkeiten getrotzt und sich bei den Fans durchgesetzt und etabliert.
Freitag: Die Party nimmt Fahrt auf
So strömten auch dieses Jahr wieder tausende von Country-Enthusiasten in die lauschige Location in Berlin-Reinickendorf. Bereits für die ersten Auftritte am Freitagnachmittag fanden sich zahlreiche Besucher ein. Besonders die große Saalbühne erfreute sich großer Beliebtheit, was bei dem dort gebotenen Programm allerdings auch keine Überraschung war. Den Auftakt machten die Mantra Cowboys (Musiker aus den USA und Deutschland), die mit ihrem klassischen Country-Sound die ersten Tänzer aufs Parkett lockten.
Rob Ryan, Bastard Sons of Johnny Cash, Taneytown und The Lennerockers heizen dem Publikum ein
Eine ganze Spur wilder wurde es dann mit der Rob Ryan Roadshow. Die Truppe um den aus Nashville stammenden Frontmann Rob Ryan heizte dem stetig wachsenden Publikum mit ihrer Mischung aus Rockabilly und Honkeytonk so richtig ein. Der guten Form halber wurde auch ab und an Mal das Tempo ein klein wenig gedrosselt, doch im Großen und Ganzen war das eine energiegeladene Vollgas-Performance - sehr zur Freude der unermüdlichen Linedancer vor der Bühne.
Ohne große Zeit zum Verschnaufen stand anschließend Mark Stuart auf dem Programm. Der in Austin, Texas, wohnhafte Frontmann der Bastard Sons of Johnny Cash reiste zwar ohne Band an, konnte sich aber auf die Unterstützung von den Musikern von Taneytown (Niederlande) und Tommy "Doc" Linkert an der Slide-Guitar verlassen. Wäre vorher nicht angesagt worden, dass die Combo so noch nie zusammen gespielt hat - man hätte es nie gemerkt! Mit einem gut abgestimmten Mix aus Honkeytonk-Gassenhauern und klassischen Midtempo-Nummern sorgten Stuart und Co für allseits gute Stimmung.
Was dann folgte, darf ohne Übertreibung als das Highlight des Tages auf dem Country Music Meeting tituliert werden. Die aus dem Ruhrpott stammenden The Lennerockers erklommen die Bühne. Auch für das Quintett stellte das diesjährige Country Music Meeting ein Jubiläum dar, hatten sie doch an identischer Stelle ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben. Mit ihrem gewohnt schwungvollen Programm brachten die Jungs die Stimmung auf den Siedepunkt. Es wurde im mittlerweile proppenvollen Saal gejohlt und getanzt, als gäbe es kein Morgen. Mit Klassikern aus 31 Jahren Bandgeschichte sowie viel Material vom neuen Album "The Lennerockers and Friends" gestalteten die bestens aufgelegten Lennerockers ein buntes Programm, das in zwei Songs von Jerry Lee Lewis mündete. Jetzt war richtig der Boogie los, und eine Aufforderung zum Mitsingen nahm die tanzwütige Meute lautstark und dankbar an.
Laura van den Elzen feiert Premiere auf dem Country Music Meeting
Manch einer sank zu diesem Zeitpunkt erschöpft in einen Stuhl, dabei war noch lange nicht Schluss. Die Slow Movin' Outlaws (Niederlande) gaben sich als nächstes die Ehre, und sorgten mit ihrem Tribut an die Outlaw-Bewegung der 70er für gute Laune. Dass es aber nicht nur auf der Hauptbühne gute Musik zu hören gab, bewies Becky Gaber als letzter Act auf der Roger Boss Bühne. Mit einer gemischten Setlist und ihrer herrlich rauchigen Stimme setzte das Energiebündel aus dem Harz ein Ausrufezeichen. Zeitgleich sorgte eine andere junge Dame für einen neuen Twist auf der Saalbühne. Die 17-jährige Laura van den Elzen performte kontemporäre Country-Songs und Pop-Klassiker mit einer Attitüde, die viele zum Staunen brachte. Titel von Miranda Lambert und Thompson Square sang die blonde Holländerin ebenso beeindruckend wie Nummern von Tina Turner und Country-Übermutter Dolly Parton ("I Will Always Love You"). Der Wirbelwind mit dem breiten Lächeln und der gewaltigen Stimme hat es vor Kurzem bei Deutschland sucht den Superstar in den Recall geschafft. Nach dieser Kostprobe wäre es kein bisschen überraschend, wenn sie auch dort für Furore sorgt. Nach diesem Ausflug in poppige Gefilde steuerten die Forgotten Sons of Ben Cartwright den Kahn zurück in klassische Gewässer. Zwar war der Saal aufgrund der fortgeschritten Stunde mittlerweile etwas leerer, doch das tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Mit flottem Gute-Laune-Country sorgte die Band aus Osnabrück dafür, dass wieder eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt werden konnte. Und für alle, die immer noch nicht genug hatten, machten Fancy Country zur Geisterstunde den Deckel drauf.
Erschöpft und mit qualmenden Füßen verließen auch die Letzten das Fontane Haus, voller Vorfreude auf das, was am Samstag folgen sollte.
Samstag: Volle Hütte und Abwechslung pur
Nach den erfreulichen Besucherzahlen am Freitag erlebte der Samstag noch einmal eine krasse Steigerung. Horden von Cowboyhut-Trägern schoben sich durch die Gänge, vorbei an den zahlreichen Ständen, hin zu den drei Bühnen, die erneut ein umfangreiches und abwechslungsreiches Programm boten. Das erste Highlight des Tages lieferte Padraic "Tiny" McNeela. Mit typisch irischem Charme bot der gut gelaunte Sympathieträger eine Setlist, die der grünen Insel Tribut zollte. Auch der Klassiker "Whiskey in the Jar" durfte da natürlich nicht fehlen, sehr zur Freude der kleinen Fanbase, die McNeela mitgebracht hatte. Wer gefallen an diesem Auftritt gefunden hatte, durfte sich später auf Nachschlag freuen. Gemeinsam mit dem Engländer Stevie Simpson füllte "Tiny" einen offen gewordenen Slot auf der Jack Daniels Bühne. Unter dem Namen "Almost Irish" boten die Beiden eine herrlich ungeschliffene und stimmungsvolle Show. Besonders bemerkenswert war das Zusammenspiel dieser beiden unglaublich markanten, vom Leben (und sicher auch dem einen oder anderen Whiskey) gefärbten Stimmen. Das Publikum hatte zumindest seine helle Freude.
Eine der Entdeckungen des Tages fernab der großen Saalbühne war Jenny Bright aus dem Schwarzwald, die mit angenehmer Stimme, modernen Country-Songs (u.a. "Country Girl" von Luke Bryan) und einer künstlerischen Einlage (der "Cup Song" von A.P. Carter, googlen lohnt sich!) für Begeisterung sorgte. Ebenso beliebt war Old Johnny's Crew, eine vierköpfige junge Band aus Baden-Württemberg. Die musikalisch begabten Jungs (Banjo, Akkordeon und Mandoline kamen zum Einsatz) versetzten mit einem Mix aus Irish Folk und Acoustic Rock die dicht gedrängten Zuschauer vor der Jack Daniels Bühne in regelrechte Ekstase. Freunde traditioneller Bluegrass-Klänge kamen voll auf ihre Kosten, als Bluegrass Breakdown auf der Rodger Boss Bühne loslegten. Der seit einer gefühlten Ewigkeit bestehenden Truppe macht in ihrem Metier so schnell keiner etwas vor. Die klassischen Elemente von Fiddle, Mandoline und Banjo kamen voll zum Tragen, und so erstrahlte beispielsweise auch ein Evergreen wie "Proud Mary" von Creedence Clearwater Revival in einem ansprechenden Gewand. Klar, dass so manche bei diesem Auftritt hängen blieben, obwohl sie eigentlich nur mal kurz gucken wollten.
Trotz der stark frequentierten kleinen Bühnen war es natürlich wieder einmal das Lineup auf der Center Stage, das sich über den größten Zuspruch freuen durfte. Für den ersten Knaller des Tages sorgten die Niederländer Taneytown, die am Tag zuvor bereits unter dem Namen Slow Movin' Outlaws und als musikalische Unterstützung für Mark Stuart groß aufgetrumpft hatten. Mit hochwertiger musikalischer Handwerkskunst und packenden Midtempo-Nummern sorgte das Quartett um Sänger Edwin Jongedijk und den herausragenden Gitarristen Joost Prinsen für eine Bombenstimmung. Die Country Music Meeting-Veteranen, bereits zum fünften Mal hintereinander dabei, lockten eine Heerschar von Tänzern auf die Dielen. Scheinbar hatten die müden Beine über Nacht neue Kraft getankt.
Auch die Country Cousins ließen mit ihrer Mischung aus Country, Rock'n'Roll, Swing und Blues das Profil der Schuhsohlen zum Schmelzen. Das Berliner Quartett steuerte auch den Titelsong des Country Music Meeting namens "We'll Meet Again" bei, der selbstverständlich auch zur Setlist zählte und sich schnell zum Hit des Wochenendes entwickelte.
Ein weiteres Mitglied der stark vertretenen holländischen Fraktion waren die Music Road Pilots, die inmitten all der altbekannten Bands ohne Zweifel eine der positiven Überraschungen des Wochenendes waren. Mit vielen Songs aus dem New-Country-Bereich konnte das Sextett das Publikum von Beginn an auf seine Seite ziehen, und spätestens beim gefeierten Uptempo-Kracher "Footloose" gab es kein Halten mehr.
Als der Abend dann auf die Zielgerade einbog, wurde es noch einmal laut. Die Hardcore Troubadors servierten ein schönes, melodisches Rockbrett ohne großartige Schnörkel. Wer sich davon nicht angesprochen fühlte, konnte auf der Rodger Boss Bühne Unterhaltung der etwas anderen Art finden. Die Road Brothers, ein lustiger Dreier aus Sachsen, unterhielt das Publikum mit teils deftigem Humor und astreiner Musik irgendwo zwischen Bluegrass, Hillbilly und Folk. Ein eher ungewöhnlicher Auftritt, der aber bestens ankam.
Für alle, die vom Konzertmarathon immer noch nicht geschafft waren, boten die Texas-Enthusiasten Tuff Enuff aus der Schweiz noch einmal die Gelegenheit, zu flotten Country-Melodien das Tanzbein zu schwingen. Für den Schlusspunkt des regulären Programms sorgte dann die Haywireband aus Schweden. Erneut zeigte sich, dass das Country Music Meeting auch dem modernen Country mehr als aufgeschlossen ist. Denn die sechs Jungs aus dem Land der Elche, die unter anderem auch Hits von Keith Urban und Blake Shelton im Repertoire hatten, hatten mit ihrem frischen Sound das Publikum im Nu auf ihrer Seite.
Eigentlich ein würdiger Schlusspunkt unter einen abwechslungsreichen und aufregenden zweiten Tag. Doch eine Attraktion stand noch auf dem Programm, die es so auf einem Country Festival wohl noch nie gegeben hat. Die AC/DC Coverband Bon ließ anlässlich des Jubiläums des Country Music Meeting um kurz nach Mitternacht die donnernden Werke der australischen Rockgiganten erklingen. Für den durchschnittlichen Country-Fan sicherlich ein etwas ungewohntes Terrain. Doch Grund zum Mosern gab es nicht, denn zu gleicher Zeit gaben The Lennerockers im benachbarten American Western Saloon ein Extrakonzert. So kamen auch wirklich alle Nachteulen voll auf ihre Kosten.
Sonntag: Altbewährtes und Modernes zum Abschluss
Nach zwei intensiven und abwechslungsreichen Festival-Tagen wäre es verständlich gewesen, wenn beim einen oder anderen Besucher das Energielevel knapp über dem Nullpunkt gependelt hätte. Doch weit gefehlt.
Als um 11:30 Uhr die Band American Ride die Saalbühne betrat, hatten noch nicht allzu viele Zuschauer Platz genommen oder an der Tanzfläche Position bezogen. Dies änderte sich im Laufe des hervorragenden Auftritts der Dänen jedoch schlagartig. Immer mehr Leute wanderten neugierig durch die Eingänge, und spätestens bei Josh Turners "Why Don't We Just Dance" bearbeiteten wieder die altbekannten Gesichter das Parkett mit perfekt einstudiertem Linedance.
Nicht zum Tanzen, aber zum andächtigen Zuhören fanden sich die Zuschauer später an der Jack Daniels Bühne ein, um Ann Dokas Auftritt beizuwohnen. Die Gewinnerin des Deutschen Rock-und-Pop-Preises 2014 (Kategorie "Beste Country-Sängerin"), normalerweise mit kompletter Band unterwegs, bot ein anspruchsvolles Acoustic-Set aus Cover-Songs und ihrem eigenem, von New Country und Pop inspirierten Material. Auch zwei Titel der brandneuen EP "Could've Been Mine" durften dabei natürlich nicht fehlen. Als besonderes Highlight wurde Jeffrey Backus, der tags zuvor bereits aufgetreten war, für zwei Stücke auf die Bühne gebeten. Gemeinsam performten Doka und Backus "The Call" von Garth Brooks und Trisha Yearwood sowie "Leaving On a Jetplane" von John Denver. Ein toller Abklang eines beherzten Auftritts, mit dem die Sängerin aus dem Taunus den einen oder anderen neuen Fan hinzugewonnen haben dürfte.
Dass der Name Johnny Cash nach wie vor zieht wie kein anderer, zeigte sich daran, dass es beim Auftritt der Band 4 Cash keinen freien Stuhl vor der Rodger Boss Bühne gab. Gekonnt und mit viel Akribie präsentierten die vier Mannen nicht nur die großen Hits der Lichtgestalt des Country, sondern auch bekanntes Material seiner Zeitgenossen und Weggefährten. Klar, dass auch der "King" Elvis Presley da nicht fehlen durfte, was für gehörig Nostalgie sorgte.
Komplett anders machte es da Larry Schuba bei seinem Auftritt mit Acoustic Thunder. Gänzlich ohne Johnny Cash und Helene Fischer werde sein Auftritt auskommen, ließ der selbsternannte Country-Bär mit seinem typischen Grinsen verlauten. Aber zum Glück gibt es ja noch genügend andere große Künstler, die der stets zu Scherzen aufgelegte Country Music Meeting-Veteran aus dem Hut zaubern kann. So bekamen die dicht an dicht gedrängten Zuschauer unter anderem Songs von den Everly Brothers, John Denver und Willie Nelson geboten. Da kam Freude auf, und es wurde eifrig mitgeschunkelt.
Als dann der Abschied unaufhaltsamen Schrittes nahte, wurden die Country-Fans noch einmal vor eine schwierige Wahl gestellt. Zeitgleich spielten drei Hochkaräter auf den verschiedenen Bühnen, die vom Stil her kaum unterschiedlicher hätten sein können. Im einen Saal führte Rainer Bach, Gründungsmitglied der Kultband Truck Stop, solo durch ein buntes (und hauptsächlich Deutsch gehaltenes) Programm aus bekannten Klassikern. Anderenorts begeisterten Sentiment Falls, ein männlich-weibliches Duo aus Schweden. Vielleicht blieben Einige erstmal nur stehen, weil der Sänger/Gitarrist Superstar Keith Urban zum Verwechseln ähnlich sieht. Doch nachdem sich die erste Enttäuschung gelegt hatte, gingen sie trotzdem nicht weiter, denn musikalisch war das einfach nur klasse, was Andrea Borg (nicht zu verwechseln mit der deutschen Schlager-Queen, die einen ganz ähnlichen Namen trägt) und Ronnie Wilde darboten. Cover-Songs von Carrie Underwood und Lady Antebellum wurden ebenso enthusiastisch beklatscht wie eigenes Material des Pärchens aus dem hohen Norden. Und letztlich war da noch Jannet Bodewes, die mit siebenköpfiger Band dem Publik im großen Saal einheizte. Bei diesem Auftritt stimmte einfach alles, von der tollen Stimme der holländischen Sängerin bis hin zur famosen musikalischen Untermalung. Selbstgeschriebene Songs, Cover allseits beliebter Klassiker und neuere Titel wie etwa "Calm After the Storm" von den Common Linnets sorgten dafür, dass alle Tanzverrückten noch einmal die letzten Kräfte mobilisierten.
Zu guter Letzt gebührte standesgemäß Larry Schuba die Ehre, als letzter Act des auf der großen Bühne den letzten Vorhang des Country Music Meeting 2015 fallen zu lassen. Diesmal nicht akustisch, sondern in voller Besetzung mit seiner Band Western Union, sorgte der routinierte Künstler dafür, dass jeder noch verbliebene Gast mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause gehen durfte. Drei Tage, an denen sich absolut alles um Country Music mit all ihren Facetten gedreht hatte, waren tatsächlich schon vorbei - für die meisten ging das sicherlich viel zu schnell. Doch Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude, und somit blieb zum Schluss nur noch eines zu sagen: "See ya'll next year - bis nächstes Jahr!"