Am ersten Oktober Wochenende 2024 fand die erste Country Messe Erfurt statt
Man muss ganz klar sagen, dass es herausragenden Mut bedarf, in der heutigen Zeit noch einen derart großen Event, wie eine Country Messe, auf die Beine zu stellen. Deshalb steht über allem der Dank an die Veranstalter, dass sie den Versuch erneut gewagt haben, der Country-Szene in Deutschland ein Forum zu bieten.
2019 gab es in Halle/Saale bereits eine Country Messe, welche an das frühere Konzept derer in Berlin, Nürnberg, Bayreuth und Bergheim angeknüpft hat. Für viele Country-Fans, Musiker und Aussteller ein Highlight der Saison, um zusammen zu kommen, Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Freundschaften sind über die Jahre an diesen Orten entstanden, die teilweise bis heute anhalten. So war die Freude auf Erfurt groß und auch die Erwartungen entsprechend hoch gemäß den Ankündigungen, zum Beispiel man habe diesmal den Bereich noch um eine Ausstellung für Trucker- und Motorradfreunde sowie Westernreiter erweitert oder es gäbe "kulinarische Highlights" zu probieren.
Die erste Enttäuschung folgte für viele bereits bei der Ankunft. Natürlich begibt man sich, hat man keine anderweitige Information, zum Haupteingang. Wer also den Weg mit der Straßenbahn aus Erfurt nahm, stieg bei der Haltestelle "Messe" aus und steuerte diesen an, wo dann weit hinten irgendwo eine Leuchtanzeige erklärte, der Eingang befände sich am benachbarten Hotel vorbei und auf der Hinterseite. Dies bedeutete dann also einen Fußmarsch durch das verregnete Erfurt und die abenteuerliche Suche nach einem weiteren Eingang. Aufsteller mit Hinweisen bereits an der Straße wären hilfreich gewesen, doch an der Beschilderung war gespart worden.
In der Halle angekommen, wurden den Gästen zumindest am ersten Tag noch die Jacken bereits an der Garderobe abgenommen, ob sie wollten oder nicht. Ein warmer Empfang sieht definitiv anders aus.
Vielversprechende Ankündigungen
Begeben wir uns auf die Spur nach dem, was so vielversprechend angekündigt war. Zumindest an den ersten beiden Tagen der Veranstaltung war weder vom "Indoor-Truckertreffen" mit Trucks, die in die Halle kommen, noch vom Biker- und Trikertreffen irgendetwas zu sehen. Sicherlich gab es für all diese Änderungen im Programm auch Gründe, doch dem Gast blieben diese verborgen.
Händler dagegen waren reichlich in der Halle vertreten.
Doch um "zusammen feiern und genießen" zu können, hätte es einen Bereich gebraucht, der ausschließlich hierfür zur Verfügung steht. Ohne Beschallung, mit Sitzgelegenheiten. Denn dies war bedingt lediglich in den kalten Gängen möglich, in denen man auch die Stände der Musiker platziert hatte.
Musik- oder doch Line Dance-Messe?
Doch kommen wir zu einem wichtigen Thema: Auf der "größten Country-Musikmesse Mitteldeutschlands" gab es tatsächlich auch zwei Bühnen, auf welchen zum Teil ausgezeichnete Live-Vorstellungen abgeliefert wurden. Von den örtlichen Voraussetzungen her hätten solche, die zum Hören der Musik gekommen waren, alles gefunden. Hätte man sie nur gelassen.
In der großen Halle waren bereits alle Plätze vor der Bühne für die Tänzer reserviert. Für Musikliebhaber sitzen und dabei die Band über diese hinweg sehen also nur mit Glück von weit hinten möglich und dann auch über die beiden großen Monitore, die seitlich der Bühne aufgehängt waren. Die große Halle hätte auch an anderen Stellen ausreichend Raum für eine oder auch mehrere Tanzflächen geboten.
Den Line Dancern (und hier kommen wir zu einer weiteren Ankündigung) wurden genug Möglichkeit geboten, ihr Hobby zu pflegen. Mehrere Line Dance Workshops, die es am Freitag sogar ganztägig in einer separaten Halle gab, konnten zur sportlichen Betätigung und Erweiterung der Kenntnisse darüber hinaus genutzt werden. Wenn das nicht ausreicht? Für einige anscheinend nicht, denn der Saal mit der kleinen Bühne, welcher den leisen Tönen, der wirklichen musikalischen Kunst und jenen, die dies mit Genuss gern wahrnehmen hätten wollen, vorbehalten war, war nicht, wie früher auf den Messen als Bluebird Café, für Akustikmusik deklariert worden.
Auf der kleinen Bühne mutete man bis auf sehr wenige Sitzgelegenheiten den Hörenden zu, dass der Platz vor der Bühne zur Tanzfläche umgewandelt wurde. Was nicht passt, wird passend gemacht, war da wohl das Motto. Nicht, dass es Tänzer gestört hätte, dass sie sogar Rollstuhlfahrern die Sicht versperren. Auch Hinweise durch die Künstler, dass der eine oder andere Song jetzt nun wirklich nicht zum Tanzen geeignet sei, wurden schlichtweg ignoriert.
Herausragende Musiker während der Country Messe
Hatte man es irgendwie geschafft, sich so zu platzieren, um vom Geschehen auf der Bühne auch etwas mitzubekommen (vorausgesetzt man wurde nicht von der Security-Firma Lares von einem reservierten Tisch vertrieben), gab es eine Fülle von musikalischen Hörgenüssen.
Blenden wir auf der kleinen Bühne einfach auch mal die dort auftretenden Alleinunterhalter aus, die ihre Musik elektronisch unterlegen und sich selbst bei "Ring of Fire" noch versingen. Danach war die Pausenmusik immer eine regelrechte Erlösung.
Doch gab es am Donnerstag das Duo The Wildfires aus London und Tennessee, welches jetzt in Berlin lebt, das zeigte, wie es klingt, wenn Musiker ihre Texte noch im Kopf haben und nicht auf dem Tablett. "Americana Brit-Folkpop" nennen sie ihren Stil und konnten ein kleines, feines Publikum in Erfurt damit begeisterte. Neben eigenen Songs wandelten sie zwei Cover in ihrem Stil um - "Love Hurts" von The Everly Brothers sowie die Version des Klassikers "500 Miles" aus dem Film "Inside Llewyn Davis" von Justin Timberlake, Carey Mulligan und Stark Sands.
Am Freitag trat auf der kleinen Bühne eine Künstlerin aus Köln auf, die vor allem durch ihre authentische Art überzeugte. Danny Myler hatte beim Auftritt einen hervorragenden E-Gitarristen dabei, ansonsten zeigte sie mit Stimme und Akustikgitarre, wie sich eben "Nashville Sound" anfühlt. Was sich Danny Myler aneignet, sind es eine feine Auswahl von Cover-Songs, die sie in ihrem Stil wiedergibt, wie "Mama Tried" von Merle Haggard oder "Much Too Young" von Garth Brooks (ja, auch eine Frau kann und darf diese singen), "Learning How to Love You" aus der TV-Serie "Nashville" oder eines der schönsten Lieder der The Chicks - "Cold Day In July". Ansonsten hörte man von Danny Myler einiges von ihrem aktuellen Album "04:00 a. m." Die Geschichte dazu ist die, dass sie oft genau zu dieser Zeit in der Nacht aufwache und dann Songs schreibe, so erzählt die Künstlerin ihrem Publikum.
Auf der großen Bühne wurde der Freitagmorgen auf erfrischende Weise durch die Honky Tonk Show der The Trashvillians aus dem Ruhrgebiet eröffnet, deren Instrumentierung sich an die klassische Rockabilly-Besetzung anlehnt. Damit schlug die Band die perfekte Brücke zu der LenneBrothers Band, die am Donnerstagabend das Publikum begeistert hatte. In Erfurt hatten The Trashvillians noch Multiinstrumentalist Sievert Ahrend on top und ihr Programm im Stil von BR549 war der perfekte Einstieg in den Tag. So hätte man es sich dort gern öfter gewünscht. Handwerklich gekonnte Musik.
Ein gut gemischtes Repertoire durch die Epochen der Country-Geschichte boten The Forgotten Sons of Ben Cartwright aus Niedersachsen. Eine Band, die sich inzwischen einen kleinen Kult-Status erarbeitet hat. Vor allem Front-Mann Gerold Hinrichs (Gerry Cartwright) hat seine eigene Fan-Gemeinde, zum Teil noch aus seiner früheren Zeit als Sänger von Country Express aus Salzgitter. Seine stimmlichen Voraussetzungen bestimmen ihn geradezu für Songs von Alan Jackson, Tracy Lawrence oder auch Toby Keith. Doch im Grunde gibt es nichts, was Gerold Hinrichs nicht singen kann und so zaubert er auch eine wunderbare Version von Kathy Matteas "Eighteen Wheels and a Dozen Roses".
Das Niveau richtig hoch halten konnten schließlich am späteren Abend die nicht ohne Grund zu den erfolgreichsten Bands Europas gehörenden Music Road Pilots aus den Niederlanden. Mit unglaublicher Bühnenpräsenz vor allem durch Frontmann Andy Boe erbringen sie den Beweis, dass man sich tatsächlich auch mit der aktuellen Country Music auseinandersetzt und diese transportiert. Endlich waren wirklich moderne Songs, wie "'Til You Can't" von Cody Johnson oder "I Had Some Help" von Post Malone & Morgan Wallen zu hören. Für einige Lieder holten sich die Music Road Pilots als Support noch The Voice-Teilnehmerin Jill Fisher dazu, die unter anderem mit Miranda Lamberts "White Liar" ihr Talent zeigte.
Weitere Highlights auf der Country Messe Erfurt
Die wirklichen Highlights spielten sich jedoch abseits der Bühnen ab. Immer dann, wenn kein Plan und kein Konstrukt die Künstler in irgendwelche Vorgaben gedrängt haben. Wenn das Publikum frei war, nicht gestört wurde, zuhören und mitmachen durfte - kurz, das Wesen der Musik spüren und in sich aufnehmen konnte. Zum Beispiel fanden sich spontan drei Straßenkünstler in der Messehalle ein, die wohl öfter mal zusammentreffen und dann auch irgendwo klassisch für ein paar Münzen spielen. Diese Möglichkeit wurde ihnen in einer der Pausen vom Veranstalter im kleinen Saal gewährt und sie verblüfften die Zuhörer dort durch ihre freie Show mit Gitarre und Tambourin.
Ein weiteres Highlight: Die spontane Einlage der Band Uncaged an ihrem Infostand. Erst spielte dort Pedalsteeler Mark Horn lediglich so ein bisschen vor sich hin, doch mehr und mehr gesellten sich die Zuhörer drum herum, begannen, im Rhythmus zu klatschen, Songs wurden angestimmt und irgendwann sangen alle gemeinsam bekannte Stücke, wie "Travelin' Soldier". Genau hier war dann für einen kurzen Moment ein weiteres Motto der Messe - "Musik verbindet Herzen" zu spüren.
Pläne und Wünsche für die Zukunft
Man sieht also, die Menschen an sich sind in der Lage, die Mechanismen anzustoßen, die es benötigt, Beziehungen zu knüpfen und Zufriedenheit auszulösen. Ein Gefühl von Nähe zu schaffen ist bedeutsam. Doch Beziehungen sind nicht statisch und Aufgabe eines Veranstalters ist es dann doch auch, die Voraussetzungen zu schaffen und gegebenenfalls zu optimieren, sind diese eben (noch) nicht gegeben.
Vielleicht braucht es für die Country Messe Erfurt einen Lernprozess. Denn sind wir ehrlich - der Grundgedanke ist ein guter und wir wünschen uns in diesem Land doch alle weiter eine Basis für unsere Musik. Die Phase des Aufbaus hat in Erfurt begonnen, jetzt könnte es die Beständigkeit geschaffen werden. Pläne für eine Wiederholung im kommenden Jahr wurden bereits geäußert.
Die klaren Mängel als Kinderkrankheiten abzutun, kann nicht gelten. Denn dazu gab es ja Erfahrungen bei den Messen der Vorjahre. Beispielsweise die Spielzeiten der Künstler gleichzeitig und nicht überlappend anzusetzen, könnte einfach behoben werden.
Natürlich bergen die Bedürfnisse der verschiedenen Charaktere von Besuchern, wie auch der Geschäftspartner dieser Messe eine Herausforderung. Doch im Austausch dieser zwischenmenschlichen Prozesse lassen sich die einzelnen Modelle analysieren und daraus sicher auch ein Konzept erstellen, welches schließlich zu Zufriedenheit aller führen wird. Die Country Messe Erfurt 2025 wird es zeigen.