Natürlich genoss Sheryl Crow ein paar Vorteile: Sie war bereits ein weltweit gefeierter Superstar und hatte neun Grammys® und sechs Platinalben in der Tasche, darunter zwei dreifach ausgezeichnete Alben und "Tuesday Night Music Club", das mit einmal Platin ausgezeichnet wurde.
Trotzdem fühlte sie sich als Außenseiterin, als sie vor etwa fünf Jahren ein Haus außerhalb von Nashville kaufte - obwohl sie gut vernetzt war. Die musikalischen Möglichkeiten und die Lebensart hatten sie ins Zentrum Tennessees gelockt und sie knüpfte Kontakt mit einigen Leuten, die sie in der Stadt kannte.
"Ich lernte viele Leute über Kimberly Paisley kennen," sagt sie. "Sie veranstaltete einen Mädelsabend und stellte mich allen vor. So kam ich in Kontakt mit neuen Leuten. Nashville ist in vieler Hinsicht eine Kleinstadt. Gut, manches ist anders, aber die Leute kümmern sich schon um einen und achten darauf, dass man klarkommt."
Kimberlys Ehemann Brad lud sie zu einer Schreibsession mit Chris DuBois ein. "Das war so etwas wie ein Crashkurs im Songschreiben," erinnert sich Crow. "Brad und Chris feilen lange an ihren Songs, um ganz sicher zu sein, dass alles stimmt. Und das merkt man auch. Einige von Brads Songs sind so wunderbar gemacht, dass es einen schon fast einschüchtert."
Bemerkenswert ist, dass DuBois genau den entgegengesetzten Eindruck von der ersten Session hatte. "Es hat mich verunsichert, für jemanden wie sie zu schreiben," gab er einmal zu. "Brad und ich sind schon immer große Fans von ihr gewesen, also war allein der Gedanke, mit ihr in einem Raum zu sein, nervenaufreibend."

Bald beruhigten sich dann aber alle genug, um einen eindringlichen Song zu schreiben: "Waterproof Mascara" handelt von einer Mutter, die daran verzweifelt, ihrer jungen Tochter nicht alles bieten zu können. Es war der Beginn einer ganzen Reihe von Liedern, die Crow mit DuBois und anderen "Nashvillians" schrieb und von denen 12 Titel auf "Feels Like Home" landeten, ihrem neuesten Release bei Warner Bros. Nashville und - nach eigenen Angaben - ihr erstes echtes Country-Album.
"Manche meiner älteren Songs sind fast schon wieder zu sehr Country, um Country zu sein," sagt sie. "All I Wanna Do" ist von Anfang bis Ende eines dieser Stücke. Genauso ist es mit "If It Makes You Happy", "Strong Enough to Be My Man" und "Can't Cry Anymore"." Auf der neuen Platte sind aber auch viele Sachen, die nicht nach Country klingen. Ein Stück ist "Waterproof Mascara"; ein anderes "Crazy Ain't Original These Days" (geschrieben von Crow, Al Anderson und Leslie Satcher). Aber das ist schon gut so, denn Country umfasst mittlerweise viele unterschiedliche Dinge.
"Als ich anfing, sagten mir alle Labels in Los Angeles, dass sie nicht wüssten, was sie mit mir anfangen sollten. Ich sei "zu sehr Country" oder "zu sehr Blue-eyed Soul," erinnert sie sich. "Ich komme mir vor, als hätte ich ewig lange in einer Art Vorort der Country Music gelebt. Und jetzt ist Country gewachsen und hat meine Vorortsiedlung verschluckt."
Crow genießt das neue Gefühl der Freiheit. "Vielen Songs, die ich als Rock'n'Roll-Titel geschrieben hatte, fehlte es an Stimmumfang," meint sie. "Ich kann in unterschiedlichen Tonlagen singen, hatte aber nie die Möglichkeit dazu, weil ich solche Songs nicht schreiben kann. Manchmal werde ich gefragt, wer meine Lieblings-Countrysänger sind. Da wären Linda Ronstadt, Dolly (Parton) und Emmy (Emmylou Harris), die allesamt einen gewaltigen Stimmumfang hatten. Tammy (Wynette) hatte einen großen Stimmumfang. Connie Smith ebenfalls. Deshalb ist es so etwas Besonderes, "Give It to Me" (Crow und Jeff Trott) und "Waterproof Mascara" zu singen. Da ist der Stimmumfang sehr groß und man kann das Publikum in ein Stück hineinziehen, dass es noch nie zuvor gehört hat."
Crow kann auch gemeinsam mit anderen Songs schreiben. In ihrer neuen Heimat musste sie sich aber an Methoden gewöhnen, die typisch für Nashville sind. "Die Leute hier schreiben immer zu dritt," sagt sie. "Das hatte ich vorher noch nie gesehen. Es dient dazu, die Songs schneller fertig zu kriegen und so die Chancen für eine Aufnahme zu erhöhen. Daran ist nichts Schlechtes, denn natürlich hat man größere Chancen, etwas aufzunehmen, wenn es fertig geschrieben ist."
Crow legt Wert auf die Feststellung, dass Country es ihr ermöglicht hat, mehr von sich selbst in ihre Musik einfließen zu lassen. Das hat zum einen damit zu tun, wie in dieser Musikrichtung die Lead Vocals gemischt werden. Crows Koproduzent Justin Niebank kam auf die Idee, dass es für sie am besten wäre, wenn sie sich auf "Feels Like Home" so deutlich wie möglich selbst hören kann.
"Ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt, selbst zu produzieren, dass ich mich wirklich nicht mehr so gut auf meine Rolle als Sängerin konzentrieren konnte," sagt Crow. "Aber Justin gab mir die Freiheit, einfach zum Mikro zu gehen und zu singen. Niemals zuvor klang ich so gut in meinen Kopfhörern. Wer hätte gedacht, dass mich eine Arbeit, die ich seit 20 Jahren mache, einmal so inspirieren würde?"
"So simpel es auch sein mag, das Mischen über den Kopfhörer ist eine der am meisten unterschätzten Möglichkeiten beim Musikmachen," sagt Niebank. "Wenn man den Kopfhörer aufsetzt, sollte es wie eine Platte klingen. Überall Mikrofone hinzustellen und sie vorab durch den Mikrofonverstärker laufen zu lassen, ist Quatsch. Viel besser ist es, das mit Kopfhörern zu machen und sich davon umhauen zu lassen."
Dass sich Crow in die lyrische Tradition der Country Music eingereiht hat, macht "Feels Like Home" zu einem Meilenstein ihrer Karriere. "Als ich mit dem Musikmachen anfing, versteckte ich so gut wie alle wahren Gefühle in Geschichten," sagt sie. "Ich schuf Figuren und versteckte mich hinter ihnen. Jetzt bin ich älter und schreibe viel lieber in der ersten Person. Es macht mir keine Angst mehr. Ich sehe meine Kunstform inzwischen anders. Mein Leben spiegelt sich in meiner Kunst auf ganz andere Weise als bisher. Mittlerweile mag ich es, die Hörer Emotionen fühlen zu lassen."