Bei Hunter Hayes, dem diese Ehre bei der Preisverleihung 2012 zuteil wurde, war die erste Reaktion eine gewisse Ungläubigkeit. "Ich sah meinen Manager Ansel Davis an", erinnert er sich. "Als wir uns am nächsten Tag trafen, fragte er mich: 'Weißt du eigentlich noch, was du zu mir gesagt hast, als dein Name verkündet wurde?' Ich antwortete: 'Nein'. Er erwiderte: 'Das habe ich mir gedacht. Du hast mich angesehen und mich gefragt, ob sie wirklich deinen Namen gesagt haben'."
Hayes lacht, als er von diesem Augenblick erzählt. "Ich kann mich gar nicht richtig erinnern, aber ich glaubte ihm sofort. Das klingt sehr nach mir!"
Darin zeigt sich die jungenhafte Seite dieses begabten jungen Country-Sängers und Songwriters, der außerdem zahlreiche Instrumente beherrscht. Mit seinen 21 Jahren strahlt er jederzeit Begeisterung aus, ob bei Interviews (das in diesem Fall damit endete, dass er dem Verfasser versicherte: "Sie rocken!") oder bei einem energiegeladenen Liveauftritt. Mitten im Satz scheinen seine Gedanken schon zum nächsten Absatz zu rasen. Und wenn er auf der Bühne den einen Song abschließt, ist er in Gedanken schon beim nächsten - bereit, das Eröffnungsriff oder die erste Zeile in Angriff zu nehmen.
Doch in jenem unglaublichen Moment bei der CMA-Preisverleihung kam eine andere Seite von Hayes zum Vorschein, die seine Energie mit einer Disziplin zu zügeln weiß, die so gar nicht seinem Alter entspricht, sondern Ausdruck seiner bereits beträchtlichen Erfahrung ist. Er erinnert sich an den Augenblick unmittelbar vor der Bekanntgabe des Gewinners, als die Kameras auf ihn und die anderen Nominierten gerichtet waren: "Ich dachte mir: 'Okay, du musst jetzt wie ein Profi aussehen. Du musst cool wirken. Unterdrück die Aufregung. Zeig keine Nerven. Zittere nicht. Flipp nicht aus.' Ganz ehrlich, ich habe fest damit gerechnet, dass ich nur die Nominierung überstehen musste. Dass ich überhaupt nominiert war, hat mich schon überwältigt. Ich weiß, dass jeder das sagt, aber es ist einfach so eine große Anerkennung. Wenn mir jemand gesagt hätte: 'Übrigens, bereite dich am besten auf die Dankesrede vor', hätte ich ihm in meinen kühnsten Träumen nicht geglaubt. Ich hätte ihn einfach ausgelacht."
Bezeichnenderweise war Hayes trotzdem gut vorbereitet. "Für mich stand fest: In dem absolut unwahrscheinlichen Fall, dass es wirklich soweit kommen würde, wollte ich meine Sache gut machen", sagt er lächelnd. "Daher habe ich mir ein System überlegt. Ich wusste, dass ich auf meine Hände blicken und die wichtigsten Kategorien (der Leute, denen ich danken wollte) an meinen zehn Fingern abzählen konnte. Mir war klar, dass ich im Fall der Fälle ein nervliches Wrack sein würde und mich nicht an Namen würde erinnern können. Aber ich wollte unbedingt an alle Mitglieder meines Teams und an alle Menschen denken, die ich liebe und schätze, und niemanden vergessen."
In gewisser Weise hat sich Hayes seit frühester Kindheit auf die Auszeichnung durch die CMA vorbereitet, oder auch auf sein Debüt auf dem LP Field anlässlich des CMA Music Festivals, seinen Auftritt beim "The Grammy Nominations Concert Live!!" oder seine Rekordnominierungen in drei Grammy-Kategorien (wir berichteten). Hayes, der als Einzelkind in Breaux Bridge, Louisiana, aufwuchs, begann mit zwei Jahren Musik zu machen; hauptsächlich, um sich die Zeit zu vertreiben. Sein Entschluss, sich mit jedem Instrument zu befassen, das ihm in die Finger kam, erwies sich als sehr hilfreich, als er schließlich die ersten Aufnahmen machte.
"Ich habe so viele Instrumente gelernt, wie ich konnte - zum Teil deshalb, weil mir immer schnell langweilig wurde und ich dann etwas Neues ausprobieren wollte", erzählt er. "Nur so konnte ich meine Demos machen. Ich hatte keine Bands in meinem Umfeld. Daher habe ich meine Demos allein gemacht."
Mit vier Jahren war er so gut, dass er in einer örtlichen Band mitwirken konnte - und zum Glück nahm er eine Einladung von Hank Williams, Jr. an, der ihn zu einer Darbietung von "Jambalaya" mit auf die Bühne nahm. "Wir lernten uns in einer Pension im Süden Louisianas kennen", erinnert sich Hayes. "Ich habe einen Freund in Breaux Bridge, dem eine Pension gehört, in der Hank hin und wieder abstieg. Er spielte dann mit den örtlichen Musikern, und so habe ich ihn kennengelernt."
Auf YouTube gibt es ein Video des Auftritts, auf dem Williams den Kleinen erst überragt und sich dann neben den ernsten, flachsblonden Jungen hockt, der die Melodie singt, ein Solo auf dem Knopfakkordeon spielt und mit den Knien im Takt wippt wie Hank Sr. Diese Aufnahme zeigt ganz eindeutig, wie ernst Hayes seinen Auftritt nimmt, wie fest entschlossen er ist, jede Note auf den Kopf zu treffen und vielleicht schon über diesen Gig hinaus in die Zukunft zu schauen, die noch vor ihm lag.
Mit sechs Jahren hatte Hunter Hayes einen Cameo-Auftritt in "Apostel!", dessen Drehbuchautor, Regisseur und Star Robert Duvall ihm seine ersten Gitarre schenkte. Innerhalb von vier Jahren nahm Hayes seine beiden ersten Alben auf. In der High School fing er an, selbst Songs zu schreiben und zeigte erneut Voraussicht, indem er die ersten Reisen nach Nashville unternahm, bevor seine Familie schließlich dorthin umzog.
"Dann ging es darum, Kontakte zu knüpfen", erläutert Hayes. "Ich nahm schon vor dem Umzug Verhandlungen mit Universal Music Group Publishing auf. Meine Mutter fand ein geeignetes Haus, so dass ich mich für den Schulbezirk eintragen konnte, in den ich wollte. Ich belegte einen Schnellkurs, damit ich die High School abschließen konnte, bevor ich den weiterführenden Unterricht absolvieren musste. Und das war es dann: Ich begann in Vollzeit zu schreiben. Der erste Song, an dem ich als Co-Autor beteiligt war, stammt von Luke Laird - kaum zu glauben, oder? Der Druck war da. Das war jetzt mein Job."
John Esposito, Vorsitzender/CEO von Warner Music Nashville, erinnert sich noch gut an den Tag, an dem er zum ersten Mal auf Hunter Hayes aufmerksam wurde. Kurz nach seiner Ankunft in Nashville fragte er Scott Hendricks, Senior VP von A&R: "'Wen versteckst du denn in der Schublade da hinten?' Damit sind die CDs gemeint, die die Leute bei A&R immer in petto haben, aber die noch nicht ganz fertig sind", erläutert Esposito. "Scott sagt: 'Ich habe da jemanden. Der Junge ist so begabt, es ist wirklich unglaublich.' 'Ich fragte: 'Und, kann ich mal hören? ' Er erwiderte: 'Die Platte ist noch nicht ganz fertig.' Tja, ich kenne in der ganzen Stadt niemanden, der so gute Ohren hat wie Scott, daher bat ich ihn: 'Komm schon. Wenn es dir gefällt, will ich es auch hören.'"
Laut Esposito wurde der Deal während des Leadership Music-Lehrgangs 2009 besiegelt, an dem er gemeinsam mit Hayes' Manager Ansel Davis teilnahm. "Ich beschloss, mir Ansel bei jeder Freitagsveranstaltung vorzunehmen, bei denen keine Kommunikationsgeräte erlaubt waren", erzählt er. "Ich gab nicht auf und sagte: 'Ich werde keine Ruhe geben, bis wir ins Geschäft kommen.' Ansel ist ein toller Kerl, und ich bin mir sicher, dass er gespürt hat, wie begeistert ich von Hunter war."
Auf seinem mit Platin ausgezeichneten, nach ihm benannten Album für Atlantic Records nahm Hayes jeden Instrumentalteil selbst auf und lernte für das charakteristische Lick bei "Everybody's Got Somebody But Me” (geschrieben von Hunter Hayes, Dave Brainard und Jennifer Zuffineti) im Studio eigens Steel-Gitarre, die er noch nie zuvor gespielt hatte. Zudem schrieb er alle zwölf Titel oder war zumindest als Co-Autor daran beteiligt, einschließlich der platingekrönten Single "Wanted" (Hunter Hayes und Troy Verges).
Trotz seines Crossover-Anklangs und seiner Bereitschaft, neue Ideen auszuprobieren, besteht Hayes darauf, dass er immer im Country verwurzelt bleiben wird. "Es geht um das Gefühl", schwärmt er. "Wenn ich eine Resonatorgitarre oder ein Banjo einbauen kann, werde ich das jederzeit tun. So könnte man es definieren, aber für mich geht es in erster Linie um die Geschichte - wie der Song etwas erzählt, was er jemandem bedeutet. Zu meinen Lieblingsplatten gehörte "Me and My Gang" von den Rascal Flatts wegen der Nummer "Stand" (Blair Daly und Danny Orton). Ich hörte "Stand" jeden Tag nach der Schule, weil es mir damals nicht gut ging. Es war genau das, was ich brauchte. Ich brauchte diese Botschaft. Ich brauchte diesen Song. Dieser Song hat mir sehr weitergeholfen. Daran versuche ich mich immer zu erinnern, wenn ich schreibe."
Zudem will er niemals den Antrieb verlieren, mit dem er all die Ziele erreicht hat, die er schon von kleinauf angestrebt hat, seit er stehen und in ein Mikrophon singen konnte. Und man kann sich sicher sein, dass er immer schon das nächste Projekt im Visier hat, wenn er gerade eines abschließt.
"Gestern wurde ich gefragt, ob diese Auszeichnung (der CMA) mich unter Druck gesetzt hat", sagt Hayes. "Dabei erinnert sie mich eigentlich eher daran, dass ich als Newcomer ständig auf der Suche bin und versuche, bestimmte Dinge zu begreifen. Bei dieser Suche nach Kreativität bin ich immer etwas ratlos und etwas draufgängerisch. Der Preis erinnert mich daran, dass ich immer so bleiben sollte, denn alle meine Lieblingskünstler sind ständig auf der Suche und verändern sich immer wieder…damit sie ratlos bleiben!
"Mein Ziel?" fragte er. "Ich will dreißig Busse und zwanzig LKW. Ich will Stadien füllen. Ich will das tun, wann immer ich kann, und zwar für den Rest meines Lebens. Ich wollte schon immer in einen Bus steigen und jeden Abend Musik machen und dann wieder in den Bus steigen und weiterspielen. Das ist mein Traum."