Am 26. und 27. November 2010 fand in Pullman City 2, oder wie es neuerdings heißt: Pullman City Harz, die Pullmann City Trophy statt. Dort können sich Solo-Künstler, Duos und Bands einer Jury stellen und Auftritte in der Westernstadt gewinnen. Zur diesjährigen Trophy hatte man mich als Jury-Mitglied eingeladen und ich habe angenommen. Dabei stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der Gerüchte völliger Humbug sind. Das Personal war super nett, das Essen klasse und das Gästehaus sowie der Saloon sauber. Nun gut, aber das soll nun nicht der Hauptteil meiner Kolumne sein, sondern die Trophy an sich.
Wie gesagt, wurde ich als Jury-Mitglied eingeladen. Mit mir saßen Marion Freier (Tournee-Veranstalterin), Jürgen Kramar (A&R Consultant in der Domestic Division der Universal Music Group), Matthias Wolf (Veranstalter des Country Festes in Büchelow) sowie am Freitag Sabine Christoph (Redakteurin der Zeitschrift "Highway News") und am Samstag Daniella Fischer (Herausgeberin der Zeitschrift "Living Line Dance") in der Jury. Martin Jones (Moderator bei MDR 1 Sachsen-Anhalt) musste aus beruflichen Gründen kurzfristig absagen.
Die Trophy eröffnete am Freitag, den 26. November 2010, der 18-jährige und etwas schüchtern wirkende Till Bennewitz. Normalerweise hat der Erste es immer besonders schwer, so auch Till, aber der Junge konnte vor allen Dingen mit seinen eigenen Songs die Jury überzeugen. Ich scherzte nach dem Auftritt zu meinen Kollegen: "Das war der bisher beste Auftritt des Abends". Das Unerwartete an dieser Aussage war, dass sich das auf lange Strecken hin bewahrheiten sollte.
Dabei stellen sich mir ein paar Fragen: Warum werden so verdammt viele Cover-Versionen gespielt? Sind Deutsche Country Musiker nicht in der Lage, eigene Songs zu schreiben oder sich von anderen Songschreibern Lieder rauszusuchen? Gefühlt hat jede zweite Band Johnny Cashs "Folsom Prison Blues" gecovert. Dicht gefolgt von Kathy Matheas "18 Wheels and a Dozen Roses", Lynyrd Skynyrds "Sweet Home Alabama", Billy Ray Cyrus' "Achy Breaky Heart" und Alan Jacksons "Chattahoochee". Ich kam mir vor als ob ich einer Jukebox zugehört habe, die nur ein Dutzend Platten zu Auswahl hat. Daran anschließend gleich die nächste Frage: Wenn schon alle nur Cover-Versionen spielen, wozu werden dann noch die Notenständer gebraucht? Fast jede Band hat vom Blatt gespielt. Leiden die alle an Alzheimer? Selbst ich kann nach den zwei Tagen inzwischen den Text von "Folsom Prison Blues" auswendig (I hear the train a comin, it's rollin round the bend, and I ain't seen the sunshine since I dont know when. Im stuck in Folsom Prison…) Vielleicht sollten einige der Band mal begreifen, dass sie für Auftritte Geld bekommen und sie dann die Songs auch auf der Bühne ohne Hilfe spielen sollten. Ich kann mich ja auch nicht um einen Job bewerben und sagen ich beherrsche Microsoft Office und dann jeden Tag zur Arbeit das 300-seitige Handbuch mitbringen. Hinzu kommt, dass man dann auf der Bühne auch seine Spielfreude nicht zeigen kann – man muss ja immer auf die Noten kucken – und dann springt auch der Funke zum Publikum nicht über.
Das alles ist aber gar nichts gegen den Auftritt von Locke & The Tee Wee Wats Band. Sollte mich einer der Leser in den Suizid treiben wollen, laden Sie mich zu einer Überraschungs-Party mit dieser Band ein. Die erste Amtshandlung der Band war, die Konföderierten-Fahne zwischen zwei Mikrophon-Ständern aufzuhängen und ob Sie es glauben oder nicht, die haben es geschafft, die Fahne verkehrt herum aufzuhängen. Die Fahne hatte den schönen Effekt, dass man am Ende des ersten Liedes, als sich alle Richtung Schlagzeuger drehten, die untere Hälfte der Körper nicht sehen konnten und das ganze Bild einem Kasperle-Theater glich. Musikalisch war die Darbietung untere Schublade und auch die ewigen und viel zu langen Gitarren-Soli konnten die Vorstellung der Band nicht retten. Die glaubten, sie wären die Besten und Coolsten…da fragt man sich echt, ob die auf Droge waren. Übrigens: Auf der Rückseite meines Stimmzettels für diese Band steht immer noch die Frage, ob ich Schmerzensgeld verlangen kann und es war auch der einzige Moment an dem Claudia, unsere Tischbedienung, meinem Wunsch nicht gefolgt ist…ich hatte nach einer Strychnin-Kapsel verlangt.
Aber zum Ausgleich trat an dem Abend noch Jill & Joe mit ihrem Gänsehaut-Gesang an. So perfekt aufeinander abgestimmte Stimmen habe ich lange nicht mehr gehört. Der 30-minütige Auftritt hat mich für (fast) alles entschädigt, was mir Locke mit seiner Band angetan hat. Zu Recht haben die Beiden den ersten Platz in der Kategorie Solo-Künstler/Duos gemacht.
Am Samstag hat Johnny Yuma den Vogel abgeschossen. Laut seiner Autogrammkarte hat der Solo-Künstler 2008 in Pullman City Eging am See den ersten Platz belegt. Die erste Frage, die mir spontan durch den Kopf schoss war, ob die Jury da unten bekifft war. Als mögliche andere Erklärung fiel mir ein, dass er vielleicht der einzige Künstler war, der in der Kategorie überhaupt teilgenommen hat. Als Erstes musste ich also heute Doc Schulze, Moderator bei Radio Euroherz, anrufen, der seit Anfang an in der Jury für die Pullman City Eging am See Trophy sitzt und fragen, was los war. Auch er bestätige mir, dass Johnny Yuma zwischen seinem ersten Auftritt 2008 und dem diesjährigen Auftritt musikalisch stark abgebaut hat. Ganz ehrlich Johnny, wie kann man Hank Williams'‘ "Jambalaya" mit bayrischen Akzent, gesächselt mit thüringischen Komponenten singen? Das war eine glatte Vergewaltigung meiner Ohren!
Richtig cool hingegen war die Eröffnungsansage von Jolanda Hunter & The Freedom Fries, die sagte, dass sie den 45-minütigen Auftritt ausschließlich mit Eigenkompositionen bestreiten werden (Yes!). Tolle Performance, toll Stimme, schöne Songs und einen supercoolen Gitarristen, Notorious Nelson. Normalerweise ist der Bassist immer der coolste Musiker auf der Bühne, aber in diesem Falle kann der Bassist dem Gitarristen nicht das Wasser reichen.
Ursprünglich sollte die Band Jolanda Hunter & The Freedom Fries eine einmalige Sache werden. Gegründet Ende 2007 für eine Veranstaltung der Universität Paderborn, hatten die sieben Bandmitglieder aber einfach zu viel Spaß an der Country Music, um einfach wieder aufzuhören. Dass man ihnen den Spaß auch auf der Bühne ansieht, wurde jedem Zuschauer klar. Die Erfolge der noch recht jungen Band sprechen dabei für sich: so wurden sie zur besten Band des "bePop" Festivals gewählt und zu Auftritten beim Uni Sommerfestival Paderborn oder bei der Preisverleihung der Wirtschaft im Audimax Paderborn verpflichtet. Neben zahlreichen Berichten in der lokalen Presse sorgten die Freedom Fries mit ihrer charmanten Frontfrau Jolanda auch überregional in der WDR Lokalzeit, SAT 1 sowie im EinsLive Radio für Aufsehen. Zu Recht machte die Kombo den ersten Platz in der Kategorie Bands…und nicht nur das: Mein Jury-Kollege Jürgen Kramar fand die Musik so klasse und außergewöhnlich, dass er zurzeit mit Jolanda & Co. spricht, ob sie an einem Plattenvertrag bei einem Major-Label der Universal Music Group interessiert sind.
Jolanda Hunter & The Freedom Fries sind übrigens nicht die Einzigen, die sich noch Gedanken machen müssen, den auch Till Bennewitz (Platz 2 in der Kategorie Solo-Künstler/Duo) hat ein Angebot bekommen, der Songschreiber könnte in naher Zukunft einen Autoren Exklusiv Vertrag bei Universal Music Publishing unterschreiben.
So, hier noch schnell die Platzierungen der Teilnehmer und es bleibt anzumerken, dass die jeweils ersten drei Plätze qualitativ gutes Entertainment geboten haben:
Platzierung | Kategorie Solo-Künstler/Duo | Kategorie Band |
Platz 1 | Jill & Joe | Jolanda Hunter & The Freedom Fries |
Platz 2 | Till Bennewitz | Doc Rock & His Restless Hearts |
Platz 3 | Grey Wolf | Honky Tom & The Copycatz |
Platz 4 | Lynn & George | Bourbon Bandits |
Platz 5 | Steven Taylor | Country Corner |
Platz 6 | Johnny Yuma | Sidewinder |
Platz 7 | Open Road / B. & The Pink Ponys | |
Platz 8 | Derringer | |
Platz 9 | White Wolf Country Band | |
Platz 10 | Locke & The Tee Wee Wats Band |
Sollte es nächstes Jahr wieder eine Trophy in der Pullman City Harz geben, wovon ich einmal ausgehe, und man mich wieder als Jury-Mitglied einlädt, werde ich "Ja" sagen, aber ganz stark hoffen, dass sich die teilnehmenden Bands einmal Gedanken machen, was das für sie bedeuten kann, denn zu einer guten Country Band gehört mehr als die Noten von "Folsom Prison Blues" von einem Blatt abzulesen. Und wie man sieht, haben die engagierten Künstler die vorderen Plätze belegt und für zwei von ihnen könnte auch noch ein Traum in Erfüllung gehen.
Abschließen möchte ich meine Kolumne zum Ersten mit einer Danksagung, denn besonders hervorheben möchte ich Maren, von der Pullman City Harz Crew, die sich liebevoll um uns Jury-Mitglieder gekümmert hat und dafür gesorgt hat, dass die Trophy so reibungslos ablief und Frank Lange, der für die Nervennahrung (Kekse, Schokolade & Chips) gesorgt hat, die wiederum dazu geführt hat, dass ich einige der Auftritte überlebt habe.
Zum Zweiten hoffe ich, dass diese Trophy und mein bescheidener Beitrag dazu führt, dass mehr Bands den Mut haben eigene Songs mit ins Repertoire aufzunehmen und dass die Fans anfangen, das zu honorieren.