Seit 2020 ist Chris Averell der Troubadour in Deutschlands größter Westernstadt, Pullman City Harz. Nun hat er sein neues Album "Honky Tonk to Go" herausgebracht. Dabei hört sich die Geschichte des jungen Künstlers selbst wie die aus einem Country-Song an. Authentisch und vielleicht fast ein wenig aus der Zeit gefallen.
Oft wird gesagt, Zufälle gibt es nicht im Leben. Möglicherweise ist es auch keiner, dass Chris Averell, der eigentlich Christian Hirschfeld heißt, in der deutschen Partnerstadt von Nashville aufwuchs, nämlich Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Seit 2003 erfolgt zwischen den beiden Städten ein reger kultureller Austausch.
Die Jugend von Chris Averell war seinen Worten nach zunächst jedoch geprägt vom Musikstil seines Vaters und so startete seine musikalische Laufbahn 2015 mit Rock und Pop-Punk, jedoch bereits mit eigenem Material. Mit seiner Band "Brainfunk" trat er in Magdeburg und Umgebung bis 2020 auf, während er in einer örtlichen Tankstelle recht bürgerlich eine kaufmännische Ausbildung absolvierte. Dort war es auch, wo er, wie er sagt, immer das "alte Zeug" im Radio hörte und ihm wohl eine innere Stimme zuflüsterte, dass die Country Music sein Weg sei. Bei einem darauffolgenden Urlaub mit seinen Eltern im nicht weit entfernten Pullman City Harz fasste er sich den Mut und sprach den Geschäftsführer an. Vier Wochen später hatte er dort seinen ersten Auftritt und die Story nahm ihren Lauf.
Pullman City Harz ist für die nationale, wie auch die internationale Country Music noch immer einer der wichtigsten Hot Spots. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler finden dort die Chance, sich ihrer Musik hinzugeben. Auch im 25. Jubiläumsjahr bieten die Bühnen im Big Moose-Saloon, in der Dance Hall und zahlreiche andere Plätze im Gelände die Möglichkeit, ausgezeichnete Livemusik zu hören. Der Beitrag von Pullman City Harz zur kulturellen Country-Szene ist nicht wegzudenken. Während der Hauptsaison finden täglich themenbezogene Veranstaltungen mit Showprogramm am Tag und Live-Musik am Abend statt.
1992 war es, als die Freunde Peter Meier, Sepp Schöffmann und Wolfgang Hagenberger den Entschluss fassten, ihren langen gehegten Traum zu verwirklichen. Zunächst den eines eigenen Western-Vereins, der nach dem berühmten amerikanischen Prunksattel Pullman Saddle Club genannt wurde. Im Folgejahr wurde ein großes Westernfest im bayerischen Eging am See gefeiert, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, was man damit für einen Pfeiler für die Zukunft gesetzt hatte. Denn direkt wurde klar, der Platz würde nicht ausreichen, so dass die Männer bereits 1995 das Grundstück eines ehemaligen Märchenparks kauften. Dort nun sollte der Traum einen festen Platz erhalten und wachsen dürfen. Am 16. Mai 1997 eröffnete Pullman City in Eging am See seine Tore.
Bereits drei Jahre später erkannte man das Potential der Menschen und der Region des Südharzes und erwarb ein mehr als passendes Gelände unweit des Brockens in Hasselfelde. Dort nun entstand unter der Leitung des gelernten Hufschmieds Wolfgang Hagenberger die zweite Westernstadt unter grundsätzlich bewährtem Konzept. 2003 der erste Schicksalsschlag für die Pullman-Familie. Peter Meier verließ die Welt viel zu früh. Eine Statue von ihm auf seinem Pferd steht noch heute in beiden Westernstädten zum Gedenken.
Im Juni 2021 ereilte dann Pullman City Harz ein schreckliches Geschehnis. Wolfgang Hagenberger verunglückte bei einem Motorradunfall nahe Hasselfelde tödlich und hinterließ neben seiner Familie eine trauernde Mitarbeitergemeinschaft, der es jedoch gemeinsam gelang, das Unternehmen seither in seinem Namen und Willen weiterzuführen. Während mancher den Eindruck gewinnt, die Gesellschafterinnen und Gesellschafter in Eging hätten den Bezug zum Ursprung mehr und mehr verloren, darf man im Harz weiter des Gefühls sicher sein, dem Pioniergeist der Erschaffer Pullman Citys zu folgen und das Herz des ganzen bis heute schlagen zu spüren.
Im Vergleich noch zu vor einigen Jahren erkennen wir einen überwältigenden Wandel leider auch in der Country-Szene in Deutschland. Mag es die Pandemie gewesen sein oder andere Faktoren, die zu einem Wachstum an Schwierigkeiten geführt haben, dem viele Clubs und Veranstaltungen nicht mehr gewachsen waren.
Wenn man sich den Markt anschaut, stellt sich eine Frage - wo bitte sind die jungen Künstler? Abschließend lässt sich dies wahrscheinlich nicht beantworten, doch einen Hoffnungsschimmer dürfen wir geben. Denn hier kommt wieder Chris Averell ins Spiel, der mit seinen 27 Jahren nicht nur stilistisch kompetent genug ist, sondern auch fest entschlossen, dem Zuhörer wieder die Hochkultur der Country Music nahe zu bringen. An eben jenem Platz, der dies noch zulässt. Besser als jeder andere.
Wer nach Pullman City Harz kommt, erwarte diese Art von Musik, so Chris Averell, somit befinde er sich, wie er sagt "in einer Comfortzone". Für ihn könne es keinen geeigneteren Ort geben, seine Kunst zu voranzubringen, so der Sänger. Er könne eine Routine entwickeln, empfinde es wie eine Ausbildung. Er dürfe von anderen lernen, das Publikum mitzunehmen. So sehe er genau dies als einen Anspruch, sich auf die jeweiligen Gäste einzulassen. Ob während der Wild West Show, am Abend beim Solo-Auftritt im Saloon oder auf großer Bühne mit seiner Band, den "Pullman City Pioneers". Eine Analyse der Gemütslage der Menschen ist immer nötig und nicht jeder Musiker in der Lage, darauf flexibel zu reagieren. Oft ist der musikalische Verstand der Gäste hoch entwickelt, was in anderen Bereichen nicht so sein muss.
Chris Averell ist in Pullman City Harz auch als Tontechniker tätig, lernt hier von Altmeister Russell Burke und greift "nebenbei" Erfahrung ab von Kolleginnen und Kollegen, die dort für ihre Live-Auftritten die Stadt besuchen. Auf so einige großartige Begegnungen dürfe er hier schon zurückblicken, einige besondere seien ihm in Erinnerung, doch generell seien es einfach jene Momente, "wenn die Chemie zwischen Publikum und Bühne stimmt", wie er erzählt.
Kann jemand, der so "old school" ist, tatsächlich die nationale Country Music in die Zukunft führen? Anders gefragt - kann jemand, der so jung ist, eine so ursprüngliche Richtung wie Honky Tonk nutzen, seine Gefühle auszudrücken? Ja, funktioniert. Berühmt zu werden, habe für ihn ohnehin keine Priorität, so Chris Averell. Was er jedoch immer tun möchte, sei Songs schreiben. Dies tut er nebenher auch noch mit einer befreundeten Punkband in seiner Heimatstadt Magdeburg.
Seine Tätigkeit in Pullman City Harz gab Chris Averell auch die Möglichkeit, seine eigene Musik kreativ zu entfalten, so dass er nun am 12. Juni 2025 sein bereits drittes Album mit zehn ausschließlich eigenen Songs veröffentlichte. "Honky Tonk to Go" heißt es und wurde im Studio des Gröninger Bad in Magdeburg aufgenommen. Für den authentisch reduzierten Honky Tonk-Sound sorgte auch hier Russel Burke. "Einen guten Song muss man mit einem Instrument spielen können, er muss straight und simpel funktionieren", so Chris Averell. So verzichtet er auch im Studio auf unnötigen Schnickschnack und vertraut auf die bewährte Unterstützung seiner Musiker Rüdiger Walden (Bass), Klaus Schönauer (Drums), Ecki Hüdepohl (Piano) sowie Jürgen Schienemann (E-Gitarre). Eins seiner Vorbilder seien beispielsweise die Honky Tonk Wranglers aus Kentucky. Eine solche Band auch mal für Pullman City Harz zu buchen, sehe er definitiv als Highlight.
Es ist nichts Falsches daran, gewissen Standards zu folgen. In unserer heutigen Welt voller Zerrissenheit und Zweifel suchen viele nach einer Möglichkeit zum Rückzug in eine Nische, in der man sich sicher fühlt. Für einige mag das die Stille einer Westernstadt sein, für andere eine Bar oder ein Saloon. All diese Menschen möchte der Sänger und Gitarrist abholen und dabei seine Prinzipien verfolgen. Am Begriff "Hausmusiker" sehe er nichts Negatives. Seine Kollegen und er seien keine tragischen Helden.
Also doch wieder Hoffnung für die Country Music in Deutschland? Auf jeden Fall. "Musiker sollten sich mehr trauen, mit eigenem Material rauszukommen", so Chris Averell. Aus seiner Sicht könnte dies die Szene noch mehr beleben. Vielleicht sollten einfach auch wieder mehr Performer wie er ihre Texte im Kopf haben und sich bemühen, die Vielfalt und damit die Ansprüche ihres Publikums wahrzunehmen.
Chris Averell ist dankbar, diesen Weg als Sänger und Songschreiber gegangen zu sein und würde nichts ändern. Falls es nicht klappt, könne er immer noch nach Irland auswandern und dort Tourist Guide werden, scherzt er. Doch das sei erst mal nicht der Plan. Er sei bereit gewesen, das Konzept von Pullman City Harz anzunehmen und damit zu wachsen. So könne er seinen Traum leben. Etwas Besseres kann es wohl nicht geben.