Die Gemeinsamkeiten sind jedoch wesentlich stärker. Unter dem Strich sind beide meisterhafte Musiker, deren Arbeit in der Tradition wurzelt. Ihre Geschmäcker mögen sich unterscheiden, von Skaggs Verehrung für die frühe amerikanische Mountain Music zu Hornsbys Begeisterung für Bebop und modernere Formen des Jazz. Aber es gibt auch viele Überschneidungen. Beide haben sich den Lieblingskünstlern des Anderen gegenüber geöffnet. Im Anbetracht ihrer Unterhaltung kurz vor einer Aufnahme von "CMT Crossroads" in Franklin, Tennessee, lässt sich kaum sagen, wer damit angefangen hat, was zu mögen.
"Diese Platten von Bill Evans und Tony Bennett", begann Skaggs, wobei er sich auf zwei Alben bezog, die der innovative Pianist und der berühmte Schnulzensänger zusammen als Duo aufnahmen, "werden für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Ich liebe sie. Ich bin einfach hin und weg davon. Sie sind einfach makellos. Ich würde diese Platten jedem empfehlen, jedem Musiker...""Was ist mit der erdigen Old-Time-Musik von Dock Boggs und Roscoe Holcomb?", klinkt Hornsby sich ein. "Das ist einfach wunderbares Material."
Es ist irgendwie inspirierend, den beiden, deren Wände und Kaminsimse zu Hause mit Auszeichnungen bedeckt sind, die beide Veteranen in diesem Geschäft sind und viele Geschichten zu erzählen haben, zuzuhören, wie sie über Musik sprechen, als wären sie wieder Kinder, die gerade erst die Wunder der Musik entdeckt haben. Das erklärt auch das Gefühl und die Kunstfertigkeit der gemeinsamen CD, die sie bei Sony BMG/Legacy veröffentlicht haben, ganz zu schweigen von der Einfachheit des Titels: "Ricky Skaggs & Bruce Hornsby".
Die Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1990, als sie sich bei einem Festival in Horseheads, New York, trafen. Ein paar Jahre später brachte Skaggs Hornsby zum Ryman Auditorium für eine Aufzeichnung von The Nashville Network unter dem Titel "Live at the Ryman", bei der auch Bela Fleck und Vince Gill vertreten waren. Im Jahr 2000 nahm Hornsby eine weitere Einladung an, um sich an der Tribute-CD "Big Mon: The Songs of Bill Monroe" zu beteiligen, die Skaggs auf die Beine stellte. Sein Beitrag war eine, wie vorherzusehen, innovative Interpretation von "Darlin' Corey", die Skaggs als ersten Titel der CD auswählte.
"Ich bin so froh, dass wir mit diesem Song angefangen haben, weil er die Messlatte so hoch legte", so Skaggs. "Da sind eine Menge großartiger Aufnahmen auf dieser Platte, aber dieser Song hat ihr wirklich einen Höhenflug verpasst."
"Ich dachte, er wüsste es zu schätzen, wenn ich da ein paar Bill-Evans-Akkorde einbringe", amüsiert sich Hornsby. "Aber eigentlich habe ich mich schon seit 1989 mit dieser Musik befasst, als ich auf "Will the Circle Be Unbroken, Vol. II" mit der Nitty Gritty Dirt Band vertreten war. Okay, das hat alle Puristen verärgert, aber wir haben auch den Bluegrass-Grammy für unsere Version [des Hornsby-Songs] "Valley Road" bekommen. Dann habe ich noch den Titeltrack für "Crown of Jewels" für Randy Scruggs geschrieben, "Mandolin Rain" für Pam Tillis. Und schon von meiner ersten Platte an gab es bei mir immer starke Country-Einflüsse."
Der auf dem Land in Virginia aufgewachsene und in der Berklee School of Music in Boston ausgebildete Hornsby brachte 1986 auf seinem Debütalbum "The Way It Is" einen neuen Sound hervor, der sich auf einen Rock-Rhythmus und eingängige Melodien stützte, aber mit einer einzigartigen Mischung aus Jazzphrasierungen in seinen Solos und einer pastoralen Sensibilität in seinen Harmonien versehen war. Letzteres mit einer Betonung auf die bewegenden Akkorde, die Gesangspassagen viel Platz einräumen, ist der Grund, warum es für andere Musiker - sei es nun Skaggs, die Grateful Dead-Ikone Jerry Garcia oder der Jazzsaxophonist Branford Marsalis - einfach ist, ihren jeweiligen Platz in zukünftigen Gemeinschaftsprojekten mit Hornsby zu finden.2002 brachte Skaggs als Gastgeber der PBS-Sondersendung "All-Star Bluegrass Celebration" Hornsby zurück zum Ryman. Mittlerweile bewegte sich der Pianist/Singer/Songwriter problemlos in den Kreisen von Alison Krauss, Del McCoury, Earls Scruggs, Ralph Stanley und anderer Künstler. Zugleich schaffte er sich seine eigene Nische voller Respekt für diese Musik, wobei er doch eine leichte Distanz wahrt. Dies vermittelte Hornsby eine unvergleichliche Perspektive, die vermutlich der Grund dafür war, dass Skaggs entschied, dass es Zeit für eine engere Zusammenarbeit der beiden sei.
Skaggs verfolgte den richtigen Ansatz, indem er Hornsby nicht bat, sich dem Bluegrass anzupassen, sondern damit anzufangen, ihm einige Beispiele für die Musik zu schicken, die er gerade alleine machte. "Ich lernte zu schätzen, was Bruces Hintergrund ist", erklärte Skaggs. "Er bringt Bill Evans, Bud Powell, Keith Jarrett und Leon Russel mit ein - die Leute, die ihn beeinflusst haben. Er liebt auch den Bluegrass, aber er hatte nie die Gelegenheit, damit auf einer ganzen Platte von vorne bis hinten zu experimentieren. Das hat diese Musik hervorgebracht."
Diese Musik soll sich übrigens nicht nur auf die Aufnahmen mit Kentucky Thunder beziehen, sondern auch auf ihre erwartete Wirkung auf der größeren Bühne. Ungeachtet Hornsbys besonderer Kunstfertigkeit deutet allein die Idee, das Klavier für Bluegrass zu verwenden, auf Neuland hin, auch wenn Skaggs betont, dass Monroe dieser Möglichkeit immer offen gegenüberstand.
"Mein Schwiegervater, Buck White, spielte Klavier", erklärt er. "Beim Bean Blossom Festival gab es ein altes Klavier auf der Bühne und Bill bat Buck immer, sich dazuzusetzen und ihn bei Geigenmelodien zu begleiten. Er fand auch gut, was ich mit meiner Band bei Songs wie "Uncle Pen" und "Wheel Hoss" anstellte. Er sah immer rüber und lächelte. Er hätte Bruce Hornsby geliebt."Natürlich hatte Skaggs nicht bei seinen Bluegrass-Gruppen, aber bei seiner Country-Band einen Pianisten. In dieser Besetzung wies er dem Pianisten eine relativ eingeschränkte Rolle zu, was schließlich darauf hinauslief, den Basspart mit seiner linken Hand zu spielen und die dritte Note des Akkords, den er mit der rechten Hand spielte, zu vermeiden. Bei Hornsby wurden die Zügel jedoch gelockert und infolgedessen fügt sich bei den beiden die Begleitung des Jazzpianos mit der strengen Linie des Bluegrass zu einer nie dagewesenen Einheit zusammen.
"Ich habe das Gefühl, dass ich für das Klavier in dieser Musik eine neue Rolle schaffe", meint Hornsby. "Ich kann sie so ausfüllen, wie ich es will, solange ich dieser Musikrichtung nur gerecht werde."
"Die Sache ist die, das wir, während wir dieses Projekt auf die Beine gestellt haben, nicht einmal das Wort "Radio" in den Mund genommen haben", so Skaggs.
"Daher konnte ich Stücke wie "Gulf of Mexico Fishing Boat Blues´ schreiben, was meines Erachtens die erste Bluegrass-Melodie im 5/4-Takt ist", fügt Hornsby mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. "Ich wollte in diese Stilrichtung passen, sie aber auch ein bisschen verändern.Das am 20. März 2007 veröffentlichte Album "Ricky Skaggs & Bruce Hornsby" legt mit "The Dreaded Spoon", einer autobiographischen Geschichte über einen jugendlichen Eisdiebstahl, los. "A Night on the Town", ebenfalls aus der Feder von Hornsby, beschwört die Geschichtenerzählertradition der Appalachen mit einem jubelnden Refrain, der im Gegensatz zur vorsichtigen Erzählung der Strophe steht. Zu den weiteren Höhepunkten gehören "Mandolin Rain", die beiden traditionellen Arrangements "Across the Rocky Mountain" und "Hills of Mexico" sowie die kraftvolle Eigenkomposition "Stubb" von Skaggs.
"Alles, was wir wollten, war Musik machen", fasst Skaggs zusammen. "Und genau das haben wir auch gemacht. Für mich ist jeder Titel ein Meisterwerk. Aber was noch wichtiger ist: Es ist nicht einfach Bluegrass oder Jazz oder sonst was - es ist Musik."