Die Straße nach Sugarland

Sugarland

Der Sturm zog plötzlich auf, und ehe sie sich versahen, fegte er über die Masse der Fans hinweg; eine Sturmböe mit Donnergrollen und Blitzgewitter, wie es sie nur in Tennessee gibt. Das schwülheiße Wetter hatte im vergangenen Juni buchstäblich bis kurz vor Schluss des diesjährigen CMA-Music-Festival angehalten, doch dann, am Ende des Abschlussabends, öffnete der Himmel doch noch seine Schleusen - genau in dem Augenblick, als Sugarland die Bühne betreten wollten.

“Die Fans taten mir leid, aber sie harrten mit uns aus, und warteten, bis es aufgehört hatte zu regnen", erzählt Jennifer Nettles, die Sängerin von Sugarland. “Wir gingen zurück in die Garderobe und die Fans flüchteten sich unter die Tunnel, die extra für solche Zwecke bereitgehalten wurden. Urplötzlich begannen sie, "Family Tradition" von Hank Williams Jr. zu singen und ich sagte, "ich werde auf jeden Fall solange bleiben, wie notwendig, um für diese Menschen zu spielen, denn sie sind wahre Musikliebhaber, die sich der Musik ganz und gar verschrieben haben". Sie machten das beste aus der Situation, die auch leicht ins Chaos hätte ausarten können".

Dasselbe könnte man auch über Sugarland sagen, ein Trio, das von drei leidlich erfolgreichen Singer/Songwritern gegründet wurde, und sich anschickte, die Country-Neuentdeckung des Jahres 2005 zu werden. Das Debütalbum der Band "Twice the Speed of Life" erschien 2004, und bevor sich jemand in Sicherheit bringen konnte, mischten Sugarland die Charts auf, und Jennifers helle Country- und Gospelstimme dominierte sämtliche Country-Radiosender. Ihre Hit Singles “Baby Girl", “Something More" und “Down in Mississippi (and Up to No Good)" bescherten dem Trio, bestehend aus Kristen Hall, Jennifer Nettles und Kristian Bush, phänomenale Erfolge und ermöglichte es ihnen als Vorband vor so hochkarätiger Künstlern wie Kenny Chesney und Brooks & Dunn zu spielen.

Als Luke Lewis, der Vize-Vorsitzende der Universal Music Group Nashville, Sugarland bei einem Auftritt live erlebte, wusste er augenblicklich, dass er etwas ganz besonderes entdeckt hatte.

“Ihr Liveauftritt gehört zu den besten, die ich je gesehen habe", sagte Lewis. “Jennifer Nettles schlug mich sofort in ihren Bann und die Songs waren großartig."

“Es ging alles ziemlich schnell", sagt Jennifer. “Wir fingen an und ein Jahr später hatten wir einen Plattenvertrag. Wir sind konsequent unseren eigenen Weg gegangen und haben dabei eigentlich gar nicht versucht aufs Ganze zu gehen. Und als wir uns trafen, sagten wir einfach, "probieren wir´s, lasst uns ein paar Songs schreiben und Countrymusic machen, denn genau da liegt das Herz des Singer/Songwritings und das ist schließlich unser Metier."

Dennoch sehen sie es nicht unbedingt als ihre Aufgabe an, die Countrymusic für Singer/Songwriter wieder salonfähig zu machen, noch stellen Sugarland eine Nashville-typische Erfolgsgeschichte dar.

“Ich denke, die heutigen Country-Fans sind die damaligen Anhänger der Acoustic-Rock-Bewegung der 90er-Jahre", sagt Bush. “Ich denke, es sind dieselben Leute, die Platten von John Cougar Mellencamp und den Black Eyed Peas kaufen. Von allen Genres, mit denen ich zu tun hatte, betrachte ich Country-Musik als dasjenige, das sich am offensten an ein ganz unterschiedliches Publikum wendet".

Sugarlands Wurzeln reichen bis ins Atlanta der 90er-Jahre und seiner lebhaften Singer/Songwriter-Szene zurück, die Garanten für Pop-Hits wie Shawn Mullins und John Mayer hervor brachte. Eddie's Attic, ein Songwriter-Club in Decatur, einem Vorort von Atlanta, war einer der Anlaufstellen für die Szene und Jennifers Mann Todd Van Sickle war für einige Jahre Besitzer des Clubs. Als Solomusiker konzentrierten die drei sich vor allem auf die neu gegründeten, so genannten AAA-Radioformate (= Adult Album Alternative), die sich an musikalisch anspruchsvolle, reifere Zuhörer wenden - Jennifer erlangte lokale Berühmtheit mit ihren Liveauftritten, Kristen mit ihren Soloveröffentlichungen bei dem kleinen Label High Street und Kristian mit seinem Duo Billy Pilgrim, das bei einem Major-Label unter Vertrag stand - als Kristen, den Telefonanruf machte, der die Sugarland-Lawine ins Rollen brachte.

“Sie rief mich an und sagte, "Ich glaube an Dich, ich glaube an Deine Texte, und ich denke, Du bist ein unentdecktes Talent", erzählt Kristian. “Sie wusste auch, dass ich bei einem Major-Label unter Vertrag war und wusste, wie man so etwas auf die Beine stellt, denn das hatte sie noch nie gemacht."

Kristian und Kristen begannen, zusammen Songs zu schreiben und wussten augenblicklich, dass sie etwas besonderes entdeckt hatten. Da sie noch eine Sängerin brauchten, holten sie Jennifer an Bord, die der gesangliche Funke wurde, der Sugarland zum Leuchten brachte und zum Markenzeichen der Musik werden sollte.

Ob ihre Hitsingles oder unbekanntere Albumstücke, wie das wunderschöne Stück “Stand Back Up", die Songs, die sie zusammen für "Twice the Speed of Life" geschrieben haben, erzählen sowohl von der Frustration als auch den Hindernissen, die es zu überwinden galt, um aus der Szene von Atlanta auszubrechen und von den Träumen und dem Antrieb, die so wichtig für ihren Erfolg waren.

“Wir wollten uns wirklich künstlerisch verändern und über uns hinaus zu etwas größerem entwickeln", sagt Jennifer. “Das spiegelt sich deshalb auch in allen Songs wider; "Fly Away´, "Baby Girl´, all diese Songs - man spricht über den Zustand der Menschheit und schreibt eben darüber, was man in seinem eigenen Leben erlebt hat".

Sugarland - Twice the Speed of Life 
Country-Fans konnten Sugarlands fesselnder Mischung aus authentischen, lebensnahen Texten und hochmelodischer Musik nicht widerstehen und bescherten der Band Verkaufszahlen, die mit Dreifach-Platin ausgezeichnet wurden.

“Wir sind ständig gespannt, was als nächstes passiert", sagt Kristian. “Jede Bühne, auf der wir spielen und jeder Zuhörer, der einem Freund unsere Musik näher bringt, ist immer wieder ein neues Erlebnis."

Obwohl Kristen die treibende Kraft hinter der Band war, entschied sie sich auf dem Gipfel von Sugarlands neu erlangtem Erfolg dazu, die Band zu verlassen und sich ganz ihrer Songwriting-Karriere zu widmen. Kristian und Jennifer ließen sich dadurch jedoch nicht in Verlegenheit bringen. Als frischgebackenes Duo konzentrierten sie sich ganz auf ihre Stärken und Gemeinsamkeiten, setzten ihre Non-Stop-Tournee fort und schrieben Songs für ihr zweites Album, das demnächst erscheint. Durch ihren gemeinsamen Erfahrungsschatz aus der Kleinstadt und ihre musikalische Seelenverwandtschaft, wurde ihre kreative Verbindung nur noch weiter gestärkt.

“Auf einer zwischenmenschlichen Ebene haben Kristian und ich ein sehr, sehr gutes Arbeitsverhältnis", sagt Jennifer. “Wir sind gerne zusammen und haben unseren eigenen Rhythmus, wenn wir Songs schreiben."

Kristian und Jennifer kommen beide aus Kleinstädten in den Südstaaten - sie aus Douglas, Georgia, und er aus Sevierville, Tennessee, der Heimatstadt von Dolly Parton - und wuchsen in Familien auf, in denen sie ständig von Musik umgeben waren.

“Meine Mom liebte das Radio, und das hat mich als Musikerin, Songwriterin und Künstlerin geprägt", reflektiert Jennifer. “Vor allem lief bei uns Musik von Crystal Gayle, Rita Coolidge, Juice Newton und Linda Ronstadt."

Kristian hatte schon früh einen ganz natürlichen Zugang zur Musik. Im Alter von vier meldete seine Mutter ihn und seinen Bruder Brandon in einem Versuchsprogramm der Universität von Tennessee für die Suzuki-Violin-Methode an.

“Mein Bruder und ich waren so eine Art Versuchskaninchen für die Methode", sagt Kristian. “Wenn Kinder ihre Sprachkompetenz entwickeln, wird ihnen Musik beigebracht, als wäre es eine Fremdsprache".

Es ist schwer, den Erfolg von der Hand zu weisen. Die Gebrüder Bush spielen beide mehrere Instrumente und feiern Erfolge bei Major-Labels. Brandon spielt Keyboard bei der Rockband Train, die bei Columbia Records unter Vertrag ist. Zuletzt, steuerte Brandon in einem Aufnahmestudio in Nashville Keyboardklänge zu Sugarlands neuen Songs bei.

“Ich versuche Brandon dazu zu bringen, mit uns auf Tournee zu gehen", sagt Kristian. Jennifers Kindheit, die von der baptistischen Tradition der Südstaaten geprägt wurde, bot ihr ein ideales Umfeld, um ihre Stimme zu entwickeln.

“Ich bin in den Südstaaten aufgewachsen, wo es ein reichhaltiges musikalisches Erbe gibt, das von Gospel und Blues bis hin zu R&B und Soul reicht; man kann es sogar in unserem Essen schmecken, es ist heiß und dampfend, wie z. B. Grillhähnchen und ähnliches", erzählt sie. “Bevor ich zu Sugarland und vor allem zur Countrymusic kam, war mein Stil sehr breitgefächert. Mir gefallen ganz unterschiedliche Musikarten, also sang ich alle möglichen Stile - Jazz, Varieténummern, R&B und auch Country. Es ist wirklich schön, mich nun ganz auf diesen musikalischen Aspekt zu konzentrieren und ihn weiterzuentwickeln."

Auch wenn sie in der Countrymusic ihre wahre musikalische Berufung gefunden haben mag, hat Jennifer das Rocken nicht verlernt. Jennifers Gesang ergänzte sich so gut mit den Rock-Superstars von Bon Jovi, dass die Band Jennifer in ihr Studio einlud. Dabei kam das Duett “Who Says You Can't Go Home" heraus, das den Rockern aus New Jersey einen wochenlangen Nummer-Eins-Hit in den Single-Country-Charts bescherte und 2005 bei einem unvergesslichen Auftritt im Rahmen der CMA-Awards gespielt wurde. Im August wurden die Nominierungen für die CMA-Awards 2006 bekannt gegeben und Jennifer und Bon Jovi wurden für ihr Duett in der Sparte Musical Event of the Year nominiert, Sugarland erhielt ebenfalls Nominierungen in den Sparten Horizon und Vocal Group of the Year.

Für Sugarland stellten die vergangenen Jahre einen Non-Stop-Marathon an die Spitze der Musikwelt dar, der sie von Tourneen über Fernsehauftritte zu Preisverleihungen führte.

“Es ist wie ein Geschenk, für das ich jeden Tag dankbar bin", sagt Kristian über seine künstlerische Zusammenarbeit mit Jennifer. “Mit wem sonst könnte man mit 70 im Schaukelstuhl sitzen und sagen, "Hey, weißt Du noch, wie wir bei der GRAMMY-Verleihung gespielt haben? Weißt Du noch, wie Paul McCartney hoch kam und sagte, ,Hey, ich stand total auf Euren Sound-Check´ ?´"

Als die Band bei der erfolgreichen, vom Fernsehsender NBC produzierten Fernsehserie Las Vegas (läuft bei uns auf ProSieben) auftrat, hatte Jennifer sogar die Chance, ihr Debüt als Schauspielerin abzuliefern. Aber inmitten all der Aufregung, die der Ruhm von Country-Stars mit sich bringt, konzentrieren sich Jennifer und Bush ganz auf ihre künstlerische Schaffenskraft und schöpfen ihre musikalische Partnerschaft voll aus, von der sie wissen, dass sie fürs Leben geschlossen wurde.

“Mir ist aufgefallen, dass mein kreatives Selbst vor meinem bewussten Selbst weiß, wo ich in der Welt stehe", sagt Jennifer. “Wenn ich mir die Songs, die wir fürs neue Album schreiben, ansehe - es gibt da zum Beispiel einen Song namens "Settling´ [hier: sich zufrieden geben], der handelt davon, sich eben nicht mit weniger zufrieden zu geben, als einem zusteht, oder ein Song wie "Want To´, der davon handelt, sich auf Neuland zu begeben, und ins kalte Wasser zu springen -, dann muss ich in mich kehren, mir all diese Erfahrungen wieder vergegenwärtigen und mich eingehend damit auseinandersetzen".

Kristian und Jennifer, die gerade ihr zweites Album mit Byron Gallimore produzieren, können ihre Aufregung kaum verbergen, wenn sie über die Musik sprechen, die ihre Fans in diesem Herbst auf dem Album "Enjoy the Ride", das am 7. November in den USA erscheint, hören können.

“Es ist wirklich eine wunderschöne Platte", schwärmt Kristian. “Es ist eine Platte, die fest in der Tradition der amerikanischen Folklore verwurzelt ist, und die Themen der neuen Songs sind wundervoll. Viele Menschen haben unsere Musik entdeckt und ich möchte, dass sie stolz auf uns sind."

Wenn sich Jennifer an jene stürmische Juni-Nacht beim CMA-Music-Festival in Tennessee zurückerinnert, in der die Fans - selbst nach vier Tagen und Nächten voller Musik - über eine Stunde warteten, um die Band spielen zu hören, so weiß sie, dass sie bei Sugarland genau an der richtigen Stelle ist.

“Ich komme aus dem Süden und Country-Musik war schon immer ein Teil meines Lebens", sagt sie. “Und wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass Sugarland so großartige Fans hat. Jedes Musikgenre hat seinen eigenen Fantypus, aber ich glaube, die Fans der Countrymusic sind etwas ganz besonderes."

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