Ach, diese Stimme: Alison Krauss singen zu hören ist immer eine kleine Offenbarung. Engelsgleich singt sie, immer etwas hauchig, mal nur säuselnd-zart, manchmal Gänsehaut-schön. So zu hören auch auf Alison Krauss' aktuellem Album, "Lonely Runs Both Ways", dem ersten seit Erscheinen ihrer CD "New Favourite" vor drei Jahren (abgesehen von einer Live-CD).
Eine kurzweilige, 15-Songs-starke CD mit feinen, niemals überarrangierten Balladen und erdigen Bluesgrass-Klopfern, eingespielt von Alison Krauss' treuen Begleitern, Union Station. Auch wenn mancher Purist gerne an Kraus's Band The Cox Family zurückdenken wird,Alison Krauss und Union Station, das ist ein Dream-Team in Sachen Bluesgrass. Geboren in Illinois, ersang und erspielte sich Krauss einen exzellenten Ruf sowohl im Country-Genre als auch bei Bluesgrass-Fans: 17 Grammys durfte sie bislang für ihr musikalisches Schaffen entgegennehmen, damit ist sie die erfolgreichste Frau überhaupt, dicht gefolgt nur von Aretha Franklin. Und auch wer nur beiläufig mal Bluegrass genießt, dürfte den Musikern von Union Station bereits begegnet sein: Dan Tyminski sang einst (anstelle von George Clooney) mit den Soggy Bottom Boys den Song "I Am A Man of Constant Sorrow" auf dem erfolgreichen "O Brother, Where Art Thou"-Soundtrack aus dem Jahre 2000. Tyminski (bei"Lonely Runs Both Ways"zu hören als Sänger und Gitarrist) war damit maßgeblich daran beteiligt, den Bluegrass aus seinem kommerziellen Nischendasein wieder ins Bewusstsein des Mainstream-Publikums zu bringen.
So schön Alison Krauss' Balladen auch sind, sie hat richtig erkannt, dass diese auf Albumlänge präsentiert wahrscheinlich eher ermüdend wirken würden. Deshalb übernimmt die Union Band nach jedem zweiten oder dritten Song. Dan Tyminski übernimmt die erdigen Vocals bei Woody Guthries "Pastures of Plenty" oder der Banjo-getriebenen Nummer des Bluegrass-Übervaters Del McCourys Nummer, "Rain Please Go Away". Ein schöner Kontrast in Stimme und Stimmung. Banjo-Spezi Ron Block singt seinen selbstgeschriebenen Song "I Don't Have To Live This Way" und spendet eine weiteres seiner Lieder: "A Living Prayer" - den zärtlichen letzten Song auf "Lonely Works Both Ways". Das packende Dobro-Instrumental "Unionhouse Branch" mit Krauss an der Fiddle zeugt davon, wie gut sich das neueste Mitglied der Union Station, Jerry Douglas, am Dobro mittlerweile in die Band eingefügt hat. Das hört man gerne.
Der zweite große Verdienst der Union Station auf "Lonely Runs Both Ways" sind die Arrangements zu Alison Krauss leicht folkig angehauchten Balladen. Luftig arrangiert und strikt auf akkustische Instrumente beschränkt - Gitarren, Kontrabass, Dobro, Fiddle und verhalten gespieltes Schlagzeug - entwirft diese Band wundervoll organische Klanglandschaften über denen Krauss' Stimme schwebt. Manchmal gar entschwebt, wie bei "Crazy As Me" (einer von vier Songs aus der Feder von Robert Castleman, inklusive des Openers "Gravity"). Ein großes Lob an Aufnahmeleiter Gary Paczosa und Toningenieur Jason Lehning, die dieser Musik im Studio gerecht wurden und deren Wärme und Klarheit tatsächlich auf CD hinüberretteten. Das ist ja leider keine Selbstverständlichkeit. Neben John Scott Sherrill und Mindy Smiths "If I Didn't Know Any Better", der Cox-Kompostion "Borderline" und "Wouldn't Be So Bad" (geschrieben von Gillian Welch und ihrer Band) enthält "Lonely Runs Both Ways" auch eine der seltenen Krauss'schen Eigenkompositionen: "This Sad Song", geschrieben mit der Bluegrass-Kollegin Alison Brown: Dreistimmig eingesungen von Krauss, Tyminski und Bassist Barry Bales.
Fazit: "Lonely Runs Both Ways" ist nicht nur ein feines, abwechslungsreiches Album, es funktioniert auch tatsächlich "both ways": Es wird Alison Krauss mit ihrem Bluegrass-Publikum versöhnen und gleichzeitig für ihr Pop-Publikum eine erfreuliche Entdeckung sein.