Mit ihrem Debüt-Album "Neon Neverland" erinnern The Heatherlys an den gefühlvollen Country-Sound der 1990er Jahre
Die zwei haben sich vielleicht nicht gesucht, aber gefunden haben sie sich. Die gegenseitige Anziehungskraft habe, wie die beiden berichten, "etwas Magisches" gehabt. Kein Wunder, denn beide sind sie hoffnungslose Romantiker, beide stehen sie auf den Sound und den Style der Rock 'n' Roll-Ära: Er, Eric, einst Gitarrist bei Shania Twain, erinnerte schon immer mit seinen Kotletten und seiner kräftigen, nicht selten in Samtanzügen gestylten Figur an King Elvis. Und Lindsay ist das blonde Yin zum dunkelhaarigen Yang: Sie liebt die Mode der 50er und 60er Jahre und sie machte sich in den letzten Jahren als Sängerin in den Clubs der Südstaaten einen guten Namen. Was lag da näher, als beide Solo-Karrieren zu The Heatherlys zu verschmelzen?
The Heatherlys: zwei Herzen im Country-Takt
Es war, wie "Neon Neverland" jetzt belegt, eine gute Entscheidung. Denn die beiden liegen nicht nur in Modefragen auf einer Wellenlänge. Sie ziehen auch musikalisch an einem Strang und harmonieren in den 13 Tracks ihres Debüt-Albums perfekt. Mehr noch: Eric und Lindsey werfen sich gegenseitig die harmonischen Bälle zu, sie ergänzen und pushen sich und holen als singendes Ehepaar das Beste aus dem Gegenüber heraus. Damit führen die beiden eine Tradition fort, die an Johnny Cash und June Carter und an George Jones und Tammy Wynette erinnert.
Bereits der Opener und Titeltrack setzt ein musikalisches Glanzlicht: Ein romantischer Country-Rock-Song, der an sonnige Highways denken lässt. Wie sehr sich die beiden dem Style vergangener Tage verschrieben haben, machen sie in dem von 90er Jahre Country-Klängen geprägten "Vintage Hearts" deutlich – vielleicht ist der Song so etwas, wie ihre persönliche Hymne. Doch das dürfte wohl für mehrere Songs gelten. Zum Beispiel auch für "Honky Tonk Rock 'n' Roller". Der Titel des Songs ist Programm, er rockt und ist von der ersten bis zur letzten Note mit Honky-Tonk-Feeling aufgeladen.
Traditioneller gibt sich "Makin' Love for the First Time". Eine echte Country & Western-Ballade, bei der die zwei tatsächlich an den unvergessenen George Jones mit seiner Tammy Wynette erinnern. Eine etwas andere Art von Balladen stimmt das singende Ehepaar bei "Frames" an. Der Song ist in XL arrangiert, mit Streichern, Pedal Steel Gitarren und ganz, ganz viel Gefühl. Aber auch in diesem opulenten, schon fast pathetischen Umfeld harmonieren die beiden mit traumwandlerischer Sicherheit.
"Neon Neverland": Retro- und Modern-Country, Tex Mex, Balladen - alles da!
Ganz andere Töne schlagen die beiden indes bei "¡Ándale!" an. In dem Song machen sich The Heatherlys zu einem Trip nach Mexiko auf, Tex-Mex-Gitarren, Mariachi-Bläser und tabasco-scharfe Emotionen inklusive. Ein temperamentvolles Highlight, keine Frage. Verglichen damit geben sich die auf retro gebürsteten Songs "Hard On Me" und "Good Dirt" zurückhaltend aus. Nette Titel, die sich gut hören lassen, die einen aber auch nicht vom Hocker reißen.
Das schafft dagegen "Extinction". Mühelos sogar. In dem Tex-Mex-Knaller erinnern die beiden musikalisch an The Mavericks, das heißt: ein Song, der ab dem ersten Takt für gute Laune sorgt. Eric hält sich in dem Track galant zurück, er überlässt die Leadvocals seiner holden Lindsey. Und die weiß das Spotlight mit einer an Trisha Yearwood erinnernden Performance perfekt zu nutzen. Ganz klar, ihre beste Vocal-Darbietung des Albums. Der Track hält aber noch eine weitere schöne Überraschung bereit: Lee Roy Parnell, vor etlichen Jahren als "Clapton der Country Music" geadelt, zeigt in dem Song, dass er immer noch zu den besten Slide-Gitarristen Nashvilles zählt.
Fazit: Nach Johnny Cash & June Carter, George Jones & Tammy Wynette betritt mit The Heatherlys erneut ein singendes Ehepaar die Country-Bühne - und überzeugt mit dem facettenreichen Debüt-Album "Neon Neverland" auf ganzer Linie.