Brittney Spencer veröffentlicht mit "My Stupid Life" ihr erstes Album – und präsentiert darauf gefälligen Country-Pop mit einer guten Prise R&B und Soul
Die afroamerikanische Sängerin aus Baltimore, Maryland, gelingt auf dem Longplayer "My Stupid Life" die homogene Verschmelzung verschiedener Stilrichtungen und unterschiedlicher Kulturen. Sie ist nicht die erste Künstlerin, die sich an dieser Fusion versucht. Doch sie ist vielleicht die erste, der dieses künstlerische Husarenstück perfekt gelingt. Country und Black Music - bei den 13 Songs von "My Stupid Life" möchte man fast an eine Yin- und Yang-Symbiose denken. Ein Sound aus einem Guss.
"My Stupid Life": Country trifft auf Black Music-Vibes
Wie es heißt, ist die heute 35-jährige Sängerin durch The Chicks und Taylor Swift auf Country Music aufmerksam geworden. Das von erdigen Klängen und glaubhaftem Storytelling geprägte Genre muss es ihr derartig angetan haben, dass sie sich stimmlich ausbilden ließ, Klavierunterricht nahm und - selbstverständlich! - nach Nashville zog. Sie schrieb sich in der Middle Tennessee University ein, gab Gesangsunterricht und tourte gelegentlich mit Top-Acts wie Soft-Pop-Barde Christopher Cross und, hoppla!, Carrie Underwood. Nicht übel. Ein Selbstläufer war der Karrierestart aber dennoch nicht. Ganz im Gegenteil: "Als schwarze Künstlerin hat man es in Nashville nicht gerade leicht", bekannte sie der Zeitschrift "Glamour" im Interview. Sie habe großen Druck verspürt und das Gefühl gehabt, verschiedene Jobs aus "optischen Gründen" nicht zu bekommen. Andererseits habe sie sich aber auch "really empowered" gefühlt.
Wie auch immer. Fest steht: Als sie 2020 den "Highwomen"-Song "Crowded Table" neu aufnahm und ihn auf Twitter postete, kam ihre Karriere schlagartig in die Gänge - nicht zuletzt durch von wohlwollenden Worten begleitete Re-Tweets von Maren Morris und Amanda Shires. So ermutigt, legte sie noch im gleichen Jahr ihre erste EP "Compassion" vor. 2021, ein weiterer Meilenstein, sang sie gemeinsam mit Mickey Guiton und Madeline Edwards einen Song bei den 55. Country Music Awards. So ein Auftritt ist nicht nur ein PR-Sechser. Es ist auch ein Beleg dafür, dass ihr das Nashville-Establishment gewogen ist. So gewogen, dass schon bald einige Nominierungen für renommierte Awards folgten.
Vom mühevollen Aufstieg, vom Fuß-fassen in der Szene, von den Hoffnungen und vom Frust einer Nachwuchskünstlerin berichten auch einige der 13 "My Stupid Life"-Songs. Beispielsweise gleich der Opener "New to This Town". In dem Track erzählt sie mit einer so souligen wie erdigen Stimme, wie es sich als Rookie in diesem Business anfühlt. Schon in diesem Titel wird deutlich, dass Brittney Spencer keine Stilgrenzen kennt. Dass sie in der Lage ist, hippen R&B à la Beyoncé mit dem Country-Pop von Carrie Underwood zu vermählen. Wer bei den weiteren Songs genau hinhört, wird feststellen, dass der eine Track mal mehr im Country-Pop, der andere mehr im Soul oder R&B geerdet ist. Doch letztendlich ist das: egal. Schließlich gibt es nur zwei Arten von Musik: gute und weniger gute. Das Genre spielt eine untergeordnete Rolle. So scheint das auch Brittney Spencer zu sehen. Jedenfalls spielt sie so unbekümmert mit den unterschiedlichen Ausdrucksformen, dass die musikalische Herkunft nebensächlich erscheint.
Brittney Spencer: der gemeinsame Nenner von Carrie Underwood und Beyoncé
Unter'm Strich darf man "My Stupid Life" aber getrost als Country-Pop-Album bezeichnen: "I Got Time" lässt mit prächtigen Harmonien an Lady A. denken, das hübsche, mit akustischen Gitarren ausgestatte "Desperate" erinnert an Little Big Town und "The Last Time", "First Car Feeling" und "If You Say So" bieten erfreulich transparent arrangierten Country-Pop mit einer urbanen R&B-Note. Roots-Country-Klänge darf man von Brittney Spencer aber nicht erwarten. Auch nicht bei "My First Rodeo". Auch wenn der Titel eine traditionelle Gangart suggeriert, ist der Song ganz im Pop verankert. Wobei: Ein gemütlich galoppierender Sechs-Achtel-Takt, eine Pedal Steel-Guitar, ein rockiges Gitarren-Riff und ihre eher im R&B-angelehnte Vokal-Performance machen auch diesen Track zum stilistischen Chamäleon.
FWie weit das musikalische Terrain von Brittne Spencer gesteckt ist, zeigt sich auch in dem mit Glam-Rock-Anleihen versehenen "Night In", in der langsamen, souligen Blues-Ballade "Deeper" und in der gefühlvollen Ballade "Reaching Out". Mit diesem Track beschließt die Newcomerin ihr Debüt-Album. Ob es zum großen Hit reicht, wird sich zeigen. Fest steht aber, dass sie den Klangkosmos Nashvilles um eine schillernde Facette bereichert.
Fazit: Country-Pop mit Black-Music-Elementen: Selten zuvor gelang diese Kombination besser und homogener als bei "My Stupid Life" von Brittney Spencer.