Nikki Lane - Denim & Diamonds

CD Cover: Nikki Lane - Denim & Diamonds

Nikki Lane bleibt auch auf "Denim & Diamonds" eine Grezgängerin zwischen den Genres

Nicole Lane Frady, wie Nikki Lane bürgerlich ganz brav heißt, versteht sich schon immer als Grenzgängerin. Country war ihr eigentlich schon immer zu bieder. Und im Punk vermisste sie die eingängigen Melodien und vermutlich auch die Stetsons und Fransenjacken. Country und Punk. Eigentlich sind das zwei musikalische Welten, zwei Pole, die sich eher nicht anziehen, sondern abstoßen. Meint man. Dass das nicht so sein muss, hat einst schon Dwight Yoakam andeutungsweise gezeigt. Nikki Lane führt diesen Weg jetzt mit "Denim & Diamonds" fort, sie vermählt das Gefühlvolle mit dem Rebellischen, die harten Gitarrenriffs mit einer weinenden Pedal Steel. Ein Crossover, das seinen Reiz hat. Nicht zuletzt wegen des hingebungsvollen Vortrags der 38-Jährigen aus Greenville, South Carolina.

Nikki Lane bedient mit "Denim & Diamonds" erneut zwei musikalische Lager

Ihre Musik lässt sich vielleicht auch gut aus ihrer Biografie ableiten. Ihr Vater, ein geselliger Straßenarbeiter, ihre Mutter äußerst streng. Die beiden ließen sich schon bald wieder scheiden und wuchs vorwiegend bei ihrem Großvater auf, der sich zu Flohmärkten und zum Singen im Kirchenchor brachte. Die High-School warf sie hin, sie wollte Modedesignerin werden, als 23-Jährige ging sie nach Los Angeles, später zog sie nach New York. Die Musik war noch nicht so für sie wichtig. Das änderte sich erst, als sie mit einem Country-Musiker zusammenkam. Als der sie verließ, hatte sie auch schon genügend dramatischen Stoff für erste Songs. Ob sie diese Stories in Punk oder in Country verpacken soll, war ihre erste große künstlerische Gewissensfrage. Sie entschied sich für ersteres, weil sie stimmlich, wie sie meinte, eher dafür geeignet sei. Gute Entscheidung!

Natürlich ging auch sie nach Nashville, in die gelobte Country-Stadt. 2011 erschien ihre Debüt-EP "Gone, Gone, Gone", im gleichen Jahr ihr erstes Album "Walk of Shame". Ein Einstand nach Maß. Weniger, weil sie die Charts im Sturm eroberte. Sondern weil sie sich auf Anhieb als eigenwillige, als besondere Künstlerin etablieren konnte. Sie traf optisch und musikalisch den Nerv der Zeit. Mehr noch: Sie war mit Cover-Versionen wie mit dem Muddy Waters-Klassikers "I Can't Be Satisfied" fast ihrer Zeit voraus, da sie schon Americana machte, bevor Jed Hilly dieses Genre so richtig vermarktete.

Die Highlights auf Denim & Diamonds setzt Nikki Lane mit den eher traditionellen Songs

Überdies zeigte sich, dass Nikki Lane eine begnadete Gegen-den-Strom-Schwimmerin ist. Während um 2010 Nashville gar nicht genug von Pop und Rock bekommen konnte, bezog sie ihre größten Inspirationen von den Country-Urgesteinen, von Loretta Lynn, Waylon Jennings, Dolly Parton und Tammy Wynette. All' diese Legenden klingen auch bei ihrem neuen, mittlerweile vierten Album "Denim & Diamonds" durch. Wenngleich auch nur sporadisch.

Denn "Denim & Diamonds" weist die Sängerin immer noch als Suchende aus. Als eine Künstlerin, die immer noch nicht so richtig ihren Weg, ihren Sound gefunden hat. Könnte man zumindest so sagen. Andererseits ist es heute längst nicht mehr so wichtig, sich für eine Stilrichtung, für eine Hörerschaft zu entscheiden. Nikki Lane jedenfalls verweigert sich diesem Entweder-Oder nach wie vor. So liegen zwischen dem munteren Punk-Opener "First High" und dem sehr ruhigen Folk-Track "Chimayo", dem zehnten und letzten Song von "Denim & Diamonds", nicht nur acht Tracks. Es trennen diese beiden Titel auch musikalische Welten. Als gemeinsamen Nenner ist der lässig-lakonische, mitunter etwas rotzige Gesang von Nikki Lane zu nennen. Er bildet die Klammer und sorgt für den Zusammenhalt.

Auf die vier Punk-Pop-Tracks von "Denim & Diamonds" müssen wir hier nicht groß eingehen. Manche funktionieren (wie der Opener), manche sind nett ("Born Tough") andere wirken uninspiriert wie ein Aufguss eines Pretenders-Songs ("Try Harder"). Wesentlich gehaltvoller erscheinen da schon die im Country, Americana oder Folk angelegten Songs - wie die wunderbare, im Dylan-Style gehaltene Ballade "Faded", der gefällige Folk-Track "Live Love", der kernige Country-Rocker "Pass It Down" oder die Kreuzung aus einem Springsteen- und einem Country-Song "Good Enough". Klasse Titel allesamt. Dass Nikki Lane auch dieses traditionell angelegten Songs mit ihrer typisch schnoddrigen Art singt, ist kein Manko. Im Gegenteil.

Für die größte Überraschung von "Denim & Diamonds" sorgt "Black Widow". Ein recht rabiater Southern- und Blues-Rock mit Slide-Gitarre, herzhaften Riffs, Gospel-Touch und einem - von knalligen Breaks unterbrochenen - Four-on-the-Floor-Groove. Keine drei Minuten ist der Song lang, aber vollgepackt mit einer ganzen Reihe feiner Ideen. Ein Glanzlicht der CD.

Fazit: Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht Punk nicht Country. Dennoch ein kurzweiliges, starkes Album. Mit "Denim & Diamonds" bleibt Nikki Lane die begnadete Grenzgängerin.

Label: New West (H'Art) VÖ: 25. September 2022
01 First High
02 Denim & Diamonds
03 Faded
04 Born Tough
05 Try Harder
06 Good Enough
07 Live/Love
08 Black Widow
09 Pass It Down
10 Chimayo
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