Kameron Marlowe: eine Biografie wie aus dem Country-Bilderbuch
Ja, so wie oben umrissen, wuchs auch Kameron Marlowe auf. Er ging mit seinem Opa schon als Knirps Fischen und Jagen. Opa, ein Musikfan, hatte immer ein Kofferradio dabei, das stets einen der unzähligen amerikanischen Country-Sänger spielte. Klar, dass auch Klein-Kameron bald auf den Geschmack von Fiddle und Pedal-Steel kam - und er hatte eine bemerkenswerte Stimme, die er im örtlichen Chor regelmäßig vorführen durfte. Soweit so gut. Soweit die Standard-Bio von unzähligen Musik-Talenten in den amerikanischen Südstaaten. Doch bei Kameron trat eben jener erwähnte Glücksfall ein. In Form eines Anrufes eines Talent-Scouts für den TV-Hit "The Voice". Er bekam die Chance auf ein Vorsingen - und er überzeugte.
Bei der Musiksendung überzeugte er auch die gestrengen Ohren von Blake Shelton, der sein Coach wurde. Obwohl Kameron nicht so furchtbar weit bei der 15. Staffel des NBC-Hits kam, schaffte er damit trotzdem eine Basis. Eine Fanbase. Vor allem hat diese Teilnahme seinen Willen gestärkt, es als Musiker versuchen zu wollen. Er ging - erneut das Klischee - nach Nashville, versuchte sich als Songschreiber und legte eine erste, selbstproduzierte Single vor: "Giving You Up". Der Track schaffte es immerhin in die Top-50 der Country-Airplay-Charts. Das nachfolgende "Take You Up On It" machte es aber deutlich besser. Der Titel avancierte mit über 15 Millionen Streams zum digitalen Hit - was ihm zunächst einen Management-Deal und später einen Songschreiber-Deal bei Sony/ATV Music Publishing einbrachte.
Nach ein paar weiteren Song-Veröffentlichungen, die sich nicht übel schlugen, ist es für Kameron Marlowe jetzt an der Zeit für sein Debüt-Album. Mit "We Were Cowboys" ist es betitelt, und das ist ja schon mal eine Ansage. Es bedeutet so einiges: Dass er es mit den Roots und Traditionen hält und dass er vom Landleben nicht nur erzählen kann, sondern dass er es auch gelebt hat. Nicht jeder Hochglanz-Möchtegern-Cowboy Nashvilles' kann das so ohne weiteres von sich behaupten.
"We Were Cowboys": 16 Mal grundsolide Country-Wertarbeit
Andererseits sind Herkunft und Ausrichtung noch keine Qualitätsgaranten. Und Garantien auf einen Erfolg schon gar nicht. Aber einen gewissen Sympathie-Vorschuss darf man dem Newcomer mit diesem Background schon mal gewähren. Tun wir. So richtig hat er den aber gar nicht nötig, wie sich schnell beim Abspielen der 16 (!) Songs von "We Were Cowboys" zeigt. Kameron Marlowe hat nämlich seine Hausaufgaben gemacht. Sehr ordentlich sogar. Er singt handwerklich tadellos, sein Timing ist 1 a, seine Authentizität ebenfalls und seiner warmen, ganz leicht, wie mit feinem Sandpapier angerauten Stimme hört man gerne zu. Was er zu erzählen hat? Was wohl?
Natürlich schon weitegehend das übliche. Songs über seine Heimat, über sein Aufwachsen mit dem Country hörenden Opa, über das Landleben. Tracks wie der Titelsong, "This Old Town", "Country Boy's Prayer", "Granny's Got a Garden - For G'maw Jan" verhandeln diese unverzichtbaren Themen diese unverzichtbaren Themen mit erfreulich wenig Pathos. "This Old Town" und "Country Boy's Prayer" fallen beispielsweise als sehr raue, schon fast an Travis Tritt erinnernde Country-Blues-Rock-Songs aus. Und der Song über Omis Garten kann mit sehr traditionellem Arrangement und wirklich sehr gefühlvoll-hübschen Melodien begeistern. Erneut erinnert er auch in diesem Song an das gute, alte Raukehlchen Travis Tritt.
Neben der klanglichen Heimatpflege bildet - logo! - das Herz, der Herzschmerz den zweiten Themenkomplex. Mal ist er der schmachtende Schmusekater ("Girl On Fire"), mal berichtet er zu etwas hipperen R&B-lastigen Rhythmen vom Trennungsschmerz ("Giving You Up"). Eine Sache, die er im nachfolgenden Track zu mal folklastigen, mal beherzten Country-Rock-Tönen gleich mal wieder hinterfragt ("Does It Have to be Over"). So geht es weiter. Mal pure Euphorie ("Steady Heart"), mal Schlussstrich ("Over Now", "Saying Goodbye"). Wie sich das Wechselbad der Liebesgefühle aushalten lässt? Natürlich mit Hochprozentigem. Doch, wie er feststellt, "Ain't Enough Whiskey", um den Seelenschmerz zu lindern.
Wir hören, wir sehen: Nichts richtig Neues im Westen der USA. Aber mit Kameron Marlowe betritt ein Act die Bühne, dem es an nichts mangelt. Sicher, er muss vielleicht noch eine, vielmehr seine Nische finden. Aber er legt ein Debüt-Album vor, das man besonders Freunden des eher traditionellen Country-Rock-Sounds ans Herz legen möchte. Die Arrangements sind nie zu überladen, die Sounds nie zu modern oder gar aggressiv und - das Wichtigste - seine Stimme hat was. Nehmen wir nochmal "Ain't Enough Whiskey": Hier versucht er sich in balladesken, schwerblütigen Country-Soul-Gewässern und brilliert. Selbst in hohen Lagen fährt er Power und Hingebung auf. Top!
Fazit: "We Were Cowboys" von Kameron Marlowe gewinnt keinen Innovations-Preis, überzeugt aber mit grundsolider Hausmannskost: astreiner, weitgehend traditionell gehaltener Country-Rock.