Problematischer Drehort von "Try That in a Small Town"
Wenn man sich das Musikvideo zu "Try That in a Small Town" anschaut, sieht der Clip aus wie ein übliches Country Music-Video. Gezeigt werden die typischen Bilder mit der amerikanischen Fahne, Cowboyhüte und Männer mit Gitarren.
Das Problem ist der Schauplatz des Musikvideos: Das Maury County Courthouse in Columbia, im US-Bundesstaat Tennessee. Dort kam es im November 1927 zu einem Lynchmord. Henry Choate, ein 18-jähriger Person of Color, wurde beschuldigt, ein 16-jähriges weißes Mädchen belästigt zu haben. Ein Mob aus mehreren Hundert Männern entführte ihn aus einer Gefängniszelle und erhängte ihn schließlich an einem Fenster des Gebäudes. Zum tatsächlichen Verlauf des Lynchmordes gibt es unterschiedliche Angaben. Dass er dort stattfand, ist unstrittig.
Jason Aldean - Try That In A Small Town (Official Music Video)
Jason Aldean wird nun vorgeworfen, diesen Ort bewusst als Schauplatz für sein Video zu "Try That in a Small Town" ausgewählt zu haben. Inzwischen hat der TV-Sender Country Music Television (CMT) den Clip ohne Angabe von Gründen unter anderem von seiner Webseite entfernt.
Auf Twitter weist Jason Aldean die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, er habe einen "Pro-Lynching-Song" veröffentlicht, zurück. Die Vorwürfe seien nicht nur unbegründet, sondern auch gefährlich. Sein Song verweise nicht mit einem einzigen Vers auf eine Rasse.
Das Musikvideo ist tatsächlich nicht explizit rassistisch, sondern bleibt ganz allgemein nebulös.
Auf der anderen Seite ist das Gebäude ein beliebter Drehort. Der Film "Steppin' into the Holiday" mit Mario Lopez und Jana Kramer wurde dort gedreht. Auch Runaway Junes Video "We Were Rich" nutzte das Motiv und selbst im Weihnachtsfilm "A Nashville Country Christmas" mit Tanya Tucker oder auch in "Hannah Montana - Der Film" ist das Gebäude zu sehen. Jason Aldean hat sich inzwischen dazu geäußert und gesagt, dass nicht er die Location ausgesucht hat.
Jason Aldean und das Recht auf Waffenbesitz
Mittlerweile wird noch ein anderer Blickpunkt in den US-Medien heiß diskutiert: 2017 trat Jason Aldean beim Route 91 Harvest Festival in Las Vegas, Nevada, auf. Während seines Auftritts eröffnete der Massenmörder Stephen Paddock das Feuer auf die Konzertbesucher und erschoss 58 Menschen. Linksliberale meinen nun, dass er damit kein Recht hätte, so einen Song zu veröffentlichen und sich für schärfere Waffengesetze einsetzen müsse.
In seinem Song "Try That in a Small Town" singt Jason Aldean frei übersetzt: Hab 'ne Waffe, die mein Großvater mir gab / sie sagen, eines Tages wollen sie uns zusammentreiben / das mag in der Großstadt gehen / aber viel Glück, wenn Du das bei uns in der Kleinstadt versuchst."
In seiner Stellungnahme auf Twitter bezieht Jason Aldean sich auf dieses Erlebnis und schlussfolgert: "NIEMAND, inklusive mir, will weiterhin solche Zeitungsüberschriften lesen oder auseinandergerissene Familien sehen."
In der US-Verfassung steht, "dass die Bürger das Recht haben, Waffen zu tragen, um sich selbst und den Staat zu beschützen." Dies wird von Befürwortern und Gegnern heftig diskutiert.
Laut Jason Aldean "geht es in dem Lied um das Gefühl einer Gemeinschaft, in der ich aufgewachsen bin und in der wir uns um unsere Nachbarn gekümmert haben, ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Glaubens", sagte er und führt weiter aus "weil sie unsere Nachbarn waren, und das stand über allen Unterschieden. Ich habe nie einen Hehl aus meinen politischen Ansichten gemacht, und ich weiß, dass sich viele von uns in diesem Land nicht einig sind, wie wir zu einem Gefühl der Normalität zurückkehren können, bei dem wir wenigstens einen Tag ohne eine Schlagzeile auskommen, die uns nachts wachhält. Aber der Wunsch danach, darum geht es in diesem Song", schließt er.
Während seines Konzerts im Riverbend Music Center in Cincinnati, Ohio, äußerte er sich erneut zu der Kontroverse, beklagte sich über die "Cancel Culture" und erklärte, er wolle, "dass die USA wieder zu dem werden, was sie einmal waren, bevor all dieser Mist mit uns passiert ist."
Oder alles doch nur Marketing?
Zugegeben, es ist eine gewagte These. Aber Fakt ist, dass sich die Erfolge von Jason Aldean in den letzten Jahren nicht mehr so eingestellt haben, wie früher. Auch das Duett mit Carrie Underwood, "If I Didn't Love You", blieb hinter den Erwartungen zurück.
Auf der anderen Seite haben sich Kontroversen, seien sie nun echt oder konstruiert, positiv auf die Verkaufszahlen ausgewirkt. Die besten Beispiele hierfür sind Morgan Wallen oder Little Big Towns "Girl Crush".
Auch bei "Try That in a Small Town" klingelt ordentlich die Kasse. In der Woche nachdem CMT das Musikvideo nicht mehr zeigte, stiegen die Downloads um 28.000% (!) auf 228.000 Downloads. Solche Downloadzahlen wurden in den letzten 10 Jahren nicht erreicht. Auch die Streams von "Try That in a Small Town" konnten sich steigern - um 547% auf 11,6 Millionen. Als Ergebnis schoss das Lied auf Platz 1 der Billboard Hot Country Song Charts.
Die nationalen Promoter von Jason Aldeans Plattenfirma werden vermutlich in die Hände klatschen, da der Song nun ein Hit ist. Die internationalen Promoter werden ihre Hände vermutlich über den Köpfen zusammenschlagen, da nun ein Aufbau des Künstlers außerhalb der USA deutlich schwerer, wenn nicht sogar für lange Zeit unmöglich ist, denn er ist nicht der erfolgreiche Country-Sänger, sondern der Sänger mit dem Lynch-Video. Auch Medien in Deutschland haben das Thema bereits aufgegriffen.
Wie sind die Reaktionen anderer Country-Künstler?
Der Song hat auch in der Country-Music-Gemeinde für Unstimmigkeiten gesorgt. Vor allem Sheryl Crow äußerte ihre Verachtung für den Song in einem Twitter-Post: "@Jason_Aldean Ich komme aus einer Kleinstadt. Selbst die Leute in Kleinstädten haben die Gewalt satt", schrieb Crow. "Es hat nichts Kleinstädtisches oder Amerikanisches an der Förderung von Gewalt", fügte sie hinzu. "Sie sollten das besser wissen als jeder andere, der eine Massenschießerei überlebt hat. Das ist weder amerikanisch noch kleinstädtisch. Es ist einfach lahm."
Die "All I Wanna Do"-Sängerin ist eine lautstarke Befürworterin strengerer Waffenkontrollen und trat im März bei einer Mahnwache für die Opfer der Massenschießerei an der Covenant School in Nashville auf, bei der drei Mitarbeiter und drei Schüler getötet wurden.
Andere Prominente, die Aldean nahestehen, haben ihre Unterstützung für den Sänger bekundet. Seine Frau Brittany Kerr Aldean nahm ihn in den sozialen Medien in Schutz und schrieb neben einem Selfie der beiden: "Entschuldige dich niemals dafür, dass du die Wahrheit sagst".
Blanco Brown teilte ebenfalls seine Gedanken zu dem Song und verteidigte Aldeans Charakter in einem inzwischen gelöschten Tweet. "Aldeans Stream Are Gonna Go Through The Roof... Ich hasse den Text des Songs, aber ich glaube nicht, dass er ein Rassist ist, er war einer der Ersten, der nach mir gesehen hat, als ich in Not war", schrieb der "High Horse"-Sänger auf Twitter und bezog sich dabei auf seinen fast tödlichen Motorradunfall im Jahr 2020. Einfach nur schlechtes Songwriting", fügte Brown hinzu, der bei der gleichen Plattenfirma wie Jason Aldean unter Vertrag steht.
Nach der Nachricht, dass Jason Aldeans Musikvideo von CMT zurückgezogen wurde, tauchten Berichte auf, dass andere Country-Künstler wie Luke Bryan, Blake Shelton und Hank Williams, Jr. CMT boykottieren würden, indem sie ihre eigenen Musikvideos von dem Sender abziehen. Ein Vertreter von CMT bestätigte jedoch gegenüber Billboard, dass Luke Bryan nicht darum gebeten hat, seine Videos vom Sender zu nehmen, und auch kein anderer Künstler.