Ein anderer Teil war der Veranstaltungsort - die Bühne im Grand Ole Opry, bei der jeder Sänger davon träumt, Amerikas Fantasie genau im richtigen Augenblick zu wecken. Viel zu tun hatte es auch mit dem Gefühl des Sängers - Josh Turner, dessen Herkunft aus den abgelegenen Wäldern Südkaliforniens ihn mit unanfechtbaren Country-Wurzeln ausgestattet hat. Natürlich, da war auch diese Stimme, ein tiefer Bariton, der sein nationales Radiodebüt in einen Moment verwandelte, der sein Leben für immer verändern würde.
Turner hatte noch nicht einmal einen Plattenvertrag, als er am 21. Dezember 2001 zum Mikrofon griff und eine Interpretation von "Long Black Train" hinlegte, die das Publikum zu einer Standing Ovation bewegte, die erst dann aufhören sollte, als der bis dahin unbekannte junge Künstler den Song noch einmal sang. Das ist fast fünf Jahre her - eine sehr lange Zeit im Leben eines jeden aufstrebenden Künstlers. In einem gewissen Sinne befand sich Turner seitdem in einem ständigen Zustand des Aufstiegs; Er spielte Gigs, die sich zwangsläufig auf diesen Song konzentrierten, und die Tage vergingen wie im Flug, ohne dass ein zweites Album in Sicht war.
Dafür gibt es einen bestimmten Grund, wie Turner erklärt, jetzt, da sein zweites Album, "Your Man", Platin-Status erreicht hatund zwei Nr.1-Hits hervorgebracht hat, den Titeltrack "Your Man" und "Would You Go with Me" - ein Meisterstück, das noch nicht einmal "Long Black Train", der nur Platz 13 in den Singlecharts erreichte, vollbringen konnte.
"Ich habe mich selbst unter großen Druck gesetzt, um "Long Black Train" zu übertreffen", sagt er. "Ich habe viel darüber nachgedacht, wie ich dieses Phänomen überwinden könnte, bis ich schließlich erkannte, dass ich etwas völlig Neues machen, dabei aber immer noch Josh Turner bleiben musste. Also fing ich an, über etwas nachzudenken, was Eddy Arnold einmal zu mir gesagt hatte: Er sagte, ich solle jede Gelegenheit ergreifen, die sich mir bietet, um ein Liebeslied aufzunehmen, weil nichts menschlicher ist, als die Beziehung zwischen Mann und Frau."
Turner beschloss, seinem Instinkt zu folgen, und "Your Man" entwickelte sich Track für Track auf einer Grundlage, die hauptsächlich aus Liebesliedern bestand. Vielleicht ist dieses Konzept nicht besonders originell, aber dieser Schwerpunkt erlaubte es Turner immerhin, seine Prioritäten entsprechend neu zu ordnen. Obwohl sein Timbre und seine Resonanz unverwechselbar sind, folgen die Lieder Melodien, zu denen auch ein anderer Sänger fähig wäre, wenn auch eine Oktave höher. Und für jeden Abstieg in die Tiefen seiner stimmlichen Bandbreite, wie zum Beispiel beim letzten Ton von "Way Down South", gibt es eine Passage, die sich fast zu tenorartigen Höhen hinaufschwingt, wie beim Refrain von "Would You Go with Me". Aber dies ist nur eine Teil des Bildes. Mit einem ganz bestimmten Song in Verbindung gebracht zu werden kann der Schlüssel zur Berühmtheit sein; das Problem ist, dass die dazugehörige Tür zuschlagen und dich in einem kleineren Rampenlicht zurücklassen kann, als du es erwartet hattest. Turner und sein Produzent, Frank Rogers (Brad Paisley), haben dies sehr gut begriffen, als sie an ihrer Strategie für "Your Man" feilten.
"Wir schauten uns die großartigen Momente des ersten Albums an und setzten uns das Ziel, auf dem nächsten zehnmal so viele zu haben", erklärt Turner. "Wir setzten bei der Tatsache an, dass Josh Turners Klang sehr traditionell ist und viele musikalische Eigenheiten sowie viel von den Künstlern, die vor mir da waren, aufweist. Er ist bis zu einem gewissen Grade sumpfig, rustikal, erdig und körnig. Gleichzeitig wollten wir ihm aber einen glatten samtigen Klang verleihen, so dass er sich frisch anhört und man gleichzeitig trotzdem denkt, man hätte diese Lieder schon sein ganzes Leben lang gehört."Der Klang, den sie geschaffen haben, trägt ein Etikett, auf das Turner selbst, ohne die Hilfe von Presse oder PR-Beratern, gekommen ist. "Ich nenne ihn 'South Carolina Low Country', sagt er lächelnd. "Ich bin dort in einer kleinen Farmgemeinde namens Hannah aufgewachsen, die von Feldern, Pinienbäumen, schmutzigen Straßen und Flüssen umgeben war. Ich habe viel Zeit draußen verbracht, mit Jagen, Fischen oder mit Ausflügen in meinem Auto. Es war durch und durch der typische Country-Lifestyle."
Eine besonderer Rolle in dieser Welt spielte die Missionary Baptist Church, die sich ungefähr eine Meile die Straße runter von Turners Haus befand. Dies war der Ort, an dem er zum ersten Mal mit Musik in Berührung kam und an dem er seinen ersten Gehversuche als Sänger machte. "Die Hymnen, die wir gesungen haben, bedeuten mir immer noch sehr viel", sagte er. "Songs wie Just as I Am haben auch heute noch eine Bedeutung. Und ich habe mit ein paar anderen Typen in meinem Alter Without Him in einem Quartett mit dem Namen Thankful Harps gesungen. Einige der Verse haben auch heute noch eine Menge zu sagen, auch wenn sie vor dem letzten Jahrhundert verfasst worden sind."
Das Gefühl für diese Hymnen, ergänzt durch die Stanley Brothers- und Osborne Brothers-Alben, die er im Hause seiner Großmutter hörte, setzten in ihm den Glauben fest, dass Gefühl das war, was alle großen Sänger gemeinsam hatten. Der Sound war zu diesem Zeitpunkt für Turner noch kein Thema; er war ein Bariton, was bedeutete, dass er sich an Randy Travis als einem Vorbild orientierte und nach ihm seinen Stil richtete. Aber dieser tiefste Bass war noch nicht zum Vorschein getreten und hatte noch keine Form angenommen. Tatsächlich sollte er kein Thema sein bis 1996, als Turner eine Art medizinischen Rückschlag erlebte, der sich später jedoch als ein großer Glücksfall erweisen sollte.
"Ich hatte eine Läsion am rechten Stimmband", erinnerte er sich. "Ich ging in die Vanderbilt-Universitätsklinik, und anstatt zu operieren, verordneten sie mir ein Jahr Singpause. Meine Lehrer an der Belmont-Universität - Patricia Roberts für das klassische Repertoire und meine Privatlehrerin Janet Kenyon - halfen mir jeden Tag dabei diese Verletzung zu überwinden. Nach einer Weile bemerkte ich, dass mein Klang kräftiger und voller wurde. Die Bandbreite meiner Stimme wurde größer.Ich spulte meine Lieder ab, bis ich dachte: "Moment mal. Diesen Ton habe ich vorher noch nie getroffen."
Obwohl diese Verwandlung Turner eine Stimme bescherte, um die ihn fast jeder männliche Sänger beneiden sollte, behielt er seinen Fokus auf dem Song durch den Tumult hindurch, der seinem Riesenerfolg im Opry folgte. Dies ist der Grund, warum Your Man nicht als eine Aneinanderreihung von sturzflugähnlichen Stimmtricks daherkommt. Vielmehr ist es ein reifer Auftritt, bei der nostalgischen Autobiographie von Way Down South angefangen, über das tröstliche Glaubensbekenntnis, das er mit Ralph Stanley, einem Helden aus seiner Kindheit, in Me and God teilt, bis zu dem trockenen Humor von "Baby's Gone Home to Mama" und natürlich diesen Liebesliedern, die für den Mix von Anfang an entscheidend waren.
"Joshs Stimme ist keine billige Masche", sagte sein Produzent Frank Rogers. "Es ist ein erstaunliches Instrument. In der Countrymusik, überhaupt in der ganzen Musik, gibt es keine Stimme wie die seine. Und nicht nur das: es sind auch seine Art und seine Persönlichkeit, und ich wusste, das muss in dem Mix unbedingt eine Rolle spielen. Das ist wahrscheinlich der lauteste Gesang, den ich je aufgenommen habe, aber ich wollte sichergehen, dass man ihn nicht nur einfach hören, sonder auch fühlen würde."
"Ich freue mich schon auf die nächsten Aufnahmen" , fügte Turner hinzu. "Ich schreibe all meine Songideen auf. Es gibt bereits viele andere Songs da draußen, die mir etwas bedeuten. Hoffentlich werde ich viel Zeit haben, um sie alle aufzunehmen. Sicher, ich bin mit einer großartigen Stimme gesegnet, aber welchen Sinn sollte sie haben, wenn ich sie nicht nutzen kann, um aus meinem Herzen zu singen?"