Riskant aber war dies dennoch: Schließlich sind seit seinem umjubelten Nummer-eins-Debüt "Montevallo" ganze sechs Jahre verstrichen. Eine kleine Ewigkeit im schnelllebigen Musik-Business. Doch Sam Hunt, der ehemalige Quarterback an verschiedenen Uni-Football-Teams, ist ein cleverer Knabe. Er streute immer wieder kleine Appetithappen aus: das 2015 veröffentlichte "Between the Pines: Acoustic Mixtape" beispielsweise oder Singles wie "Make You Miss Me" und "Kinfolks".
Sam Hunt trifft mit "Southside" den Nerv der Zeit
Letzter Track findet sich auch unter dem Song-Dutzend von "Southside" - und bietet genau jene Klänge und Vibes, die Sam Hunt zum Country-Superstar machten: moderne Arrangements, solider Beat, Roots-Elemente und Rap-Anleihen plus: eine gehörige Prise Wehmut und Romantik. Ein Zwitter aus weich und hart, aus modern und traditionell, aus Stadt und Land. Neben Hunt waren an dem Single-Vorboten seiner zweiten CD noch Zach Crowell, Jerry Flowers und Josh Osborne als Autoren beteiligt.
Wie sich auf "Southside" zeigt, ist der ehemalige Football-Star ein Team-Player. So zeichnen für die meisten der zwölf Tracks - neben Hunt - die erwähnten Co-Autoren sowie, ebenfalls ein Star der Zunft, Shane McAnally verantwortlich. Alles verdiente Hit-Lieferanten. Welche Formen das Co-Writing in Nashvilles Studios bisweilen annimmt, zeigt der Track "Hard to Forget", bei dem sich gleich acht Songwriter die Credits teilen müssen (u.a. Ashley Gorley und Luke Laird).
Kann das gut gehen? Schließlich ist sich der Volksmund seit Jahrhunderten sicher, dass viele Köche den Brei verderben würden. Nun, Sam Hunt tritt mit dem Song den Gegenbeweis an: Der extrem lässige, gut gelaunte, mit Reggae- und Karibik-Flair turtelnde Titel kann gar nicht anders, als Hit. Wer die Klänge von Kenny Chesney während einem seiner Karibik-Törns mag, wird "Hard to Forget" lieben. So ist es kein Wunder, dass den Titel fast eine Million User innerhalb von nur zehn Tagen auf YouTube klickten.
Ex-Quarterback Sam Hunt spielt in seiner eigenen Liga
Doch Hunt kann auch anders. In dem geheimnisvollen Titel "Sinning With You" (Mit Dir sündigen) breitet der singende Kleiderschrank seine sensible und nachdenkliche Seite aus. Zu sparsamen, größtenteils akustischen Tönen liefert er eine großartige Performance ab. Hier zeigt er, dass er in seiner noch eher kurzen Karriere zu einem fantastischen, jederzeit glaubhaften Interpreten gereift ist - der dazu in seiner eigenen Sound-Liga spielt. Auch, weil der smarte Künstler in seinen Tracks nicht nur auf die üblichen Themen und Inhalte setzt. In dem Song "Breaking Up Was Easy In The 90s” beschreibt der 1984 geborene Musiker trefflich das Lebensgefühl zum Ausklang des letzten Jahrtausends.
Und auch das mit Tex-Mex-Feeling ausgestattete "Downtown’s Dead" hat mehr soziodemografische Einblicke zu bieten, als die üblichen Kleinstadt- und Dorf-Kamellen vieler seiner Kollegen und Kolleginnen. Erstaunlicherweise kann er sogar Sauf-Songs bisher unerhörte Facetten abringen. Mit "Drinkin' Too Much", ein Song, den er bereits 2017 veröffentlicht hat und seitdem über sechs Millionen Mal auf YouTube gestreamt wurde, beendet Sam Hunt den Songreigen von "Southside" - und wie! Anstatt das lustige Lied zünftigen Becherns anzustimmen, bittet er, nur von zaghaften Akustik-Gitarren-Akkorden begleitet, seine Liebste um Entschuldigung: Er hat zu viel getrunken. Er hat Mist gebaut. Er bereut es zutiefst und verspricht sich zu bessern. Sie hat ihm vergeben - auch darauf würde ich wetten…
Fazit: Sechs Jahre hat sich Sam Hunt mit seinem zweiten Album Zeit gelassen. Das Warten hat sich gelohnt, wie "Southside" mit einem fantastischen Song-Dutzend beweist. Klarer Fall von Hit.
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: 3. April 2020 |
01 | 2016 |
02 | Hard to Forget |
03 | Kinfolks |
04 | Young Once |
05 | Body Like a Back Road |
06 | That Ain't Beautiful |
07 | Let It Down |
08 | Downtown's Dead |
09 | Nothing Lasts Forever |
10 | People Like Us |
11 | Breaking Up Was Easy in The 90's |
12 | Drinkin' Too Much |