Country-Songs erzählen Geschichten, sagt er, sie haben einen Anfang und ein Ende, deswegen möge er sie. Hm. Doch sind das, was Tobey Lucas auf sein aktuelles Album gepackt hat, tatsächlich Country-Songs? Ja und Nein. Die Kreativität des Schweizers ist so unglaublich vielfältig, dass sie schwer in eine Ecke zu stecken ist. Und doch passt sie bei aller Andersartigkeit exakt in die Schiene der neuen, vielseitigen und unabhängigen Musiker, die sich variabel der Country-Elemente bedienen, weil sie deren hohen Wert erkannt haben. Zuletzt haben beispielsweise die Common Linnets gezeigt, dass man mit einer solchen Vorgehensweise sogar massentauglich sein kann.
Was nicht heißt, dass Tobey Lucas Country versteckt. Das Album startet mit "Down in Louisiana" sogar extrem im Bluegrass-Style, das Banjo dominiert. Vom gleichen Song gibt es auch eine akustische Version, ebenso von "Travellin' Thru". Auch "You'll Be Waiting There" kann noch im Country-Bereich eingestuft werden, ebenso wie "Up On The Mountain", in welchem Banjo- und Fiddle-Klänge sowie mehrstimmiger Gesang auch ins Bluegrass-Gewandt gepackt sind. Von diesem leichten Old-Style switcht Toby Lucas wieder in sphärische E-Gitarren-Riffs und zerrt in "Get Back Home" den Song in eher psychedelischen 70er-Jahre-Sound, der irgendwie auf Big & Rich trifft.
Tobey Lucas ist gelungen, "83", im Übrigen sein bisher zweites und nach seinem Geburtsjahr benanntes Album, eine in keiner Sekunde nur banal dahin schwelgende Gestalt zu verleihen. Jedes Lied überrascht im Verlauf. Er greift die traditionellen Kulturen auf, schenkt ihnen Aufmerksamkeit und bringt sie in Gesellschaft manch verloren gegangener, aus ihm heraus sprudelnder musikalischer Modelle. Sein persönliches Genie hat er dabei verwirklicht, losgelöst von allen Normen.
Alle 11 Lieder (zwei sind Bonus-Tracks) wurden von Tobey Lucas selbst geschrieben und von ihm und seinem Jugend-Freund und musikalischen Wegbegleiter Chris Filter produziert, aufgenommen in der Schweiz und anschließend, wie bereits beim ersten Album, in Los Angeles, Kalifornien, gemixt.
Von Europa in die USA und zurück ist hierbei kein Verlust von Flexibilität und noch weniger von Perspektiven spürbar. Tobey Lucas' Musik ist kraftvoll, aufschlussreich und unglaublich vielfältig orientiert, immer in Bewegung, wie er selbst. Mit "83" hat er definitiv ein Meisterwerk geschaffen, das vielleicht bei manch huttragendem Country-Fan hierzulande Gegenstand der Verwunderung sein könnte, bei einem wirklichen Musik-Kenner jedoch den Nerv trifft und nie wieder aus dem Gedächtnis verschwindet.
Fazit: Tobey Lucas dreht am Regler Country Music auf derart ungewöhnliche Weise, dass wir diese in bisher nicht gekannten Spektren wahrnehmen. Mutig, verrückt und von ungewöhnlicher Genialität!
Label: Deepdive (H'ART) | VÖ: 25. September 2015 |
01 | Down In Louisiana |
02 | You'll Be Waiting There |
03 | Travellin' Thru |
04 | Sunrise Breaking Up The Night of Blue |
05 | Up On The Mountain |
06 | Time Passing By |
07 | Don't Let 'Em Take Your Heart |
08 | Get Back Home |
09 | Children of Love |
10 | Wheel of Change |
11 | Peggy Sue |
12 | Down In Louisiana (Alternate Version) |
14 | Travellin' Thru (Alternate Version) |