Mit "24 Karat Gold - Songs From The Vault" könnte das Album nicht zwiespältiger betitelt sein: lupenreines Gold - aus der Gruft. Doch der Titel passt schon. Denn Frau Nicks präsentiert auf der von ihr gemeinsam mit Ex-Eurythmics-Chef Dave Stewart und Session-Gitarrist Waddy Wachtel produzierten CD, wie sie in den Liner Notes schreibt, größtenteils Songs aus dem Zeitraum zwischen 1969 und 1987. Einen Track schrieb sie 1994, einen anderen 1995. Doch egal ob 1969 oder 1995: "Each song has a soul. Each song has a purpose. Each song has a love story", behauptet die Sängerin.
Und wer will ihr widersprechen? Zumal sie mit "Starshine" gleich mal loslegt, als gebe es kein Morgen: ein stramm im Zwei-Viertel-Takt groovender Country-Folk-Rocker, mit Orgel, Power, starken Hooklines, ihrer Charisma-Stimme und absolutem Hitpotential! Ein Song, den man eigentlich gleich mal wieder und wieder hören möchte - wäre da nicht die Neugierde auf die weiteren 13 Nicks-Neulinge.
Auch das nachfolgende "The Dealer" überzeugt. Die gemächliche Ballade präsentiert wunderbare Melodien und eine etwas kryptische Selbstbeschau. Natürlich wird man aus vielen Texten der eigenwilligen Künstlerin nicht auf Anhieb schlau. Sie spricht in Bildern, in Metaphern, sie appelliert an die Phantasie des Hörers - und schickt ihn, ihre vielleicht größte Stärke, auf eine Traumreise.
Welches große Ansehen Stevie Nicks unter ihren - auch jungen - Kollegen und Kolleginnen genießt, wird in dem langsamen Country-Blues "Blue Water" deutlich. Immerhin verdingen sich hier Hillary Scott, Dave Haywood und Charles Kelley, auch bekannt als Lady Antebellum, als Backing-Chor und erweisen so der eine Generation älteren Stevie Nicks ihre Referenz. Eine schöne Geste. Ein noch schönerer Song. Auch wenn Stevie Nicks eine Ikone des Folk-Rocks ist - eine eindimensionale Sängerin war sie nie. Das stellt sie auch auf dieser CD immer wieder unter Beweis. Zum Beispiel in "Cathouse Blues", eine Vintage-Revue-Nummer, die gerne auch als Jahrgang 1930 durchginge.
Bis die heute 66-Jährige musikalisch den Faden von Fleetwood Mac aufnimmt, ziehen fünf Songs ins Land. Mit dem Titeltrack "24 Karat Gold" aber verweist sie unverwechselbar in diese Richtung: ein exzellenter Folk-Rock-Song mit unwiderstehlichen Melodien und diesen einzigartig sehnsüchtigen Vocals; ein Song, der sich selbst auf dem Fleetwood-Mac-Jahrhundert-Album "Rumours" einen Ehrenplatz verdient gehabt hätte.
Auch die zweite CD-Hälfte hält erstklassige Song-Kost parat. Man nehme nur die genauso reduzierte, wie wuchtige Klavierballade "Lady". Nur Piano und ihre Stimme. Wenn sie sich in der zweiten Strophe in luftige Höhen schwingt und ihre immer noch herrlich erotisch knisternde Stimme aufleuchten lässt, ist mit erhöhter Gänsehaut-Gefahr zu rechnen. Herrlich! Bis auf drei Titel hat Stevie Nicks alle Songs komplett selbst verfasst. Bei dem beherzten Country-Rocker "I Don't Care" stehen ihr Mike Campbell von Tom Petty's Heartbreakers und Co-Produzent Waddy Wachtel zur Seite; den bittersüßen, akustischen Folk-Song "Carparel" schrieb - höchst kunstfertig - Vanessa Carlton; und beim finalen "She Loves Him Still" teilt sie sich die Credits mit Ex-Dire-Straits-Chef Mark Knopfler - ein letztes Song-Goldstück von einem glänzenden Album.
Fazit: Die Songs stammen aus der Zeit zwischen 1969 und 1995, die Booklet-Fotos ebenso. Aber die Produktion ist zeitgemäß und die Tracks sind - darum geht's - von zeitloser Qualität. Ein wundervolles Lebenszeichen der großen Folk-Rock-Mystikerin.
Label: Reprise (Warner) | VÖ: 03. Oktober 2014 |
Titelliste
01 | Starshine | 08 | Lady |
02 | The Dealer | 09 | I Don't Care |
03 | Mabel Normand | 10 | All The Beautiful Worlds |
04 | Blue Water (mit Lady Antebellum) | 11 | Belle Fleur |
05 | Cathouse Blues | 12 | If You Were My Love |
06 | 24 Karat Gold | 13 | Carousel |
07 | Hard Advice | 14 | She Loves Him Still |