Doch Alter schützt vor Rocken nicht. Und schon gar nicht bei einem Rock-Urgestein wie Joe Walsh. Der 1947 in Wichita, Kansas, geborene Sänger, Songwriter und Gitarrist blickt immerhin auf etliche gesetzte Meilensteine der populären Musik zurück: Gitarrist bei der James Gang, Solo-Alben und Solo-Hits und seit 1975 hat er sich im Adler-Horst der Eagles eingenistet. Damit lässt es sich gut leben: Joe Walsh residiert immerhin im Millionärs-Ghetto Beverly Hills.
Vom glatt polierten Edel-Rock ist der blonde Witzbold natürlich trotzdem meilenweit entfernt. Schon der Opener und Titeltrack macht das mit erdigen, messerscharfen Gitarrenriffs klar. Ein träge dahin schiebender, typischer Joe Walsh-Song - bei dem es an Wortwitz natürlich nie mangelt. Trotz Emails und weiteren technischen Errungenschaften bezeichnet er sich darin als "analog man". Man könnte das als "Mann von Gestern" übersetzen, oder als Bewahrer von Traditionen und Tugenden.
Letzteres darf man - jedenfalls musikalisch - ruhig so stehen lassen. Denn im Verlauf der zehn Titel bietet Joe Walsh keinerlei Kompromisse an den Zeitgeist, an den heutigen Musikgeschmack an. Dafür aber setzt er auf wohlklingende, handwerklich natürlich makellos inszenierte Rock- und Country-Rock-Songs. Wenn es einem Titel - wie "Wrecking Ball" - mal an harmonischer Finesse mangelt, macht er das meist durch ein fantastisches Slide-Gitarrensolo wett. Und sein Gesang? typisch Walsh. Kehlig, etwas quäkend, kaum variationsreich, dafür aber bei jedem Ton unverkennbar.
Seine musikalische Biografie will und kann das Mitglied der "Rock 'n' Roll Hall Of Fame“ natürlich nicht verleugnen. Trotz Mitwirken von Nashville-Songwriter-Größe Tommy Lee James fliegt er meist in Richtungen, in die er auch gemeinsam mit Don Henley & Co von den Eagles abhebt: melodiöser Rock, veredelt mit Country-Elementen. So würde sich nicht nur "Spanish Dancer" auf einem Eagles-Werk gut machen. Und "Band Played On", mit esoterischen Sitar-Klängen, erinnert massiv an das letzte Album der Westcoast-Rock-Legenden "Long Road Out of Eden".
Ein Glanzlicht der CD setzt "Lucky That Way". Der Track lässt gleichzeitig an Tom Petty und an "Life's Been Good", einer der größten Joe-Walsh-Solo-Hits. Hinter dem Schlagzeug sitzt bei dem sonnigen Country-Rocker übrigens Joe Walshs' leiblicher Schwager: Ex-Beatle Ringo Starr! Dass Jeff Lynne an den Reglern drehte, wird vor allem bei "One Day At A Time" deutlich. Ein Track, mit seinen rumpelnden Drums und sansoweichen Keyboards und Chören ganz in der Hit-Tradition von ELO - und damit blanker Anachronismus. Egal, der Titel macht trotzdem gute Laune.
Bei dem finalen Instrumental "India" packt der pfiffige Gitarrist noch mal einige zirkusreife Gitarrentricks aus. Ein Song wie ein Fingerzeig: Leute, an mir spielt immer noch keiner vorbei. Womit er bestimmt nicht ganz falsch liegt.
Fazit: Joe Walsh ist und bleibt Joe Walsh. Der Eagles-Witzbold und Slide-Star legt ein solides, handwerklich makelloses Album vor und setzt dabei auch so manches musikalische Glanzlicht: 1a Country-Pop/Rock, prima Unterhaltung - aber auch kein Geniestreich.
Label: Fantasy (Universal) | VÖ: 8. Juni 2012 |
Titelliste CD
Titelliste DVD
01 | Analog Man | 07 | One Day At A Time |
02 | Wrecking Ball | 08 | Hi-Roller Baby |
03 | Lucky That Way | 09 | Funk 50 |
04 | Spanish Dancer | 10 | India |
05 | Band Played On | 11 | Fishbone (Bonustrack) |
06 | Family | 12 | But I Try (feat. Little Richard) (Bonustrack) |
01 | Joe Walsh - For The Record (17 Minuten, mit 3 Livesongs aus dem Troubadour Club in Los Angeles (Analog Man, Wrecking Ball & Lucky That Way) sowie Interview Material) |