Gesucht und gefunden: Dan + Shay
Als sich Anno 2012 der aus Pennsylvania stammende Dan und der aus Arkansas stammende Shay in Nashville über den Weg liefen, muss das so etwas wie Fügung gewesen sein: die Chemie stimmte auf Anhieb. Kein Wunder, beide machen seit frühester Jugend Musik, beide schrieben sie bereits eine ganze Reihe von Songs - und beide hatten und haben ein Faible für modernen Country-Sound. Noch wichtiger aber war, dass sich die beiden stimmlich perfekt ergänzen. Ihre Harmony-Vocals weisen eine klangliche Geschmeidigkeit und Geschlossenheit auf, wie man sie selten zu hören bekommt. Das lässt sich nicht erlernen und nicht antrainieren, das hat man - oder man hat es eben nicht.
Dan + Shay haben es. Das erkannten sehr schnell die kundigen Talentscouts der Major Companies und so dauerte es nur rund eineinhalb Jahre vom Kennenlernen bis zur Veröffentlichung ihres Debüt-Albums "Where It All Began". Die CD schlug 2014 bombig ein: Platz eins in den Country- und Platz sechs in den (wirtschaftlich noch wichtigeren) Pop-Charts. So erfolgreich ging es weiter: jedes weitere Album landete entweder auf Platz eins oder zwei der Country- und stets in den Top 10 der Pop-Charts. Wer würde da etwas am Sound-Outfit verändern, wenn es doch so gut läuft? Antwort: Dan + Shay. "Auf unseren früheren Alben fanden sich viele Pop- oder HipHop- und R&B-Einflüsse", sagt Dan, "bei diesem Album aber wollten wir Songs, die wir in jeder beliebigen Country-Bar mit unserer Live-Band spielen können." Das klingt nach Reduktion und stilistischem Feintuning. Offenbar: eine Herzensangelegenheit. "Auf dieses Album werde ich auch noch in 20 Jahren stolz sein", verkündet er.
Darf er auch. Denn, so viel vorab: Mit "Bigger Houses" gelingt dem harmonischen Zweier ein gelungenes Crossover aus modernem Country, Folk, Pop und Bluegrass. Ein gefälliger Mix, der Laune macht - und mal an Rascal Flatts, mal an eine moderne Version von Brooks & Dunn erinnert. Oder, wie bei dem Track "Neon Cowgirl" (ein Song, der sich schon vom Titel her gut in der B&D-Setlist machen würde) an beide Acts gleichzeitig.
"Bigger Houses" ist die Reifeprüfung
Zum Einstand servieren sie mit "Breakin' Up With A Broken Heart" aber erst einmal Song-Kost, ganz nach dem Geschmack der großen Dan + Shay-Fangemeinde: sonniger Country-Pop, nett, hübsch und mit jenen sahnigen Harmony-Vocals ausgestattet, die längst zu ihrem Signature-Sound wurden. Ein stimmliches Paarlaufen, präzise wie eine Schweizer Uhr. Keine harmonischen Unebenheiten, kein Zittern, keine Unsicherheit in der Phrasierung. Dieser blitzsauber Zweigesang zieht sich durch die meisten der zwölf neuen Songs - und genau dadurch unterscheiden sie sich auch elementar von ihren Duo-Vorgängern Brooks & Dunn. Denn bei denen übernimmt seit jeher zu 90 Prozent Ronnie Dunn die Leadvocals, der brave Kix musste sich mit dem Rest und Refrain-Vocals begnügen. Nun ja, die beiden waren eben stimmlich kein Yin und Yang, sondern eher Feuer und Wasser.
Sehr Rascal Flatts-mäßig geht es mit dem zweiten Titel weiter. "Save Me the Trouble" fährt große Arrangement-Geschütze auf: viele Breaks, extreme Dynamik-Pegel, großes Sound-Kino. Ein Song, der mit jeder Zeile größer und größer wird - und genau so war es auch geplant, wie Smyers verrät: "Jeder Part sollte größer werden als der vorherige. Im zweiten Refrain dachten wir, dass man jetzt keine Schippe mehr drauflegen kann, doch genau das haben wir gemacht." Wie sich der Song auf einer kleinen Bühne machen wird? Keine Ahnung.
Bei den nachfolgenden Tracks muss man diesbezüglich keine Sorgen haben: "Heartbreak on the Map" kommt als unaufgeregter Country-Folk daher, "Alway Gonna Be" huldigt typische Country-Klischees (Football, Beer, Friday-Night, Girls) und ist dafür angemessen traditionell verpackt, "Then Again" gefällt mit seiner soliden traditionellen Machart und bei dem fröhlichen "We Should Get Married" vermählen die zwei glatt rustikale Hillbilly-Vibes mit eleganter Pop-Raffinesse. Gelungen und zum Glück gar nicht so überladen fallen die zwei Balladen von "Bigger Houses" auf: Während bei "For The Both of Us" ein Piano für pathetisches Moll sorgt, zeigen Dan + Shay bei "Missing Someone", dass sie auch im akustischen Folk-Outfit die richtige Form treffen. Mit dem Titeltrack beenden die zwei ihr fünftes Album - mit einer Dobro, Akustik-Gitarre und Mandoline; gleichzeitig mit Bluegrass-Feeling und Pop-tauglichen Melodien. Sehr smart!
Fazit: "Bigger Houses" ist die Reifeprüfung für Dan + Shay, die sie mit Bravour bestehen. In den zwölf ausnahmslos mitkomponierten Tracks vermählen sie perfekt moderne Elemente mit den Traditionen von Country-, Folk- und Bluegrass.