Steve Earle & The Dukes - Jerry Jeff

CD Cover: Steve Earle & The Dukes - Jerry Jeff

Steve Earle verneigt sich vor seiner Inspirationsquellen Jerry Jeff Walker

Das ist sympathisch, das ist grundehrlich, das ist völlig uneitel und das ist - auch nicht unwichtig - großartige Musik: Mit "Jerry Jeff" widmet Steve Earle gemeinsam mit seinen Getreuen von The Dukes dem Ende 2020 verstorbenen Country-Sänger und Songwriter Jerry Jeff Walker ein Album. Ein letztes Good-bye an den großen Künstler.

Vor allem für Steve Earle war der im Bundesstaat New York geborene und während der frühen 1970er Jahre zum erweiternden Kreis der Austin-Outlaw-Bewegung gehörende Musiker eine Quelle der Inspiration. Mehr noch. Er war für den 14-jährigen Steve der erste Country-Held. Ab dem Moment, als ihm sein Theater-Lehrer eine Kopie von Walker's größtem, manche sagen: einzigen Hit in die Hand drückte: "Mr. Bojangles".

Steve Earle & The Dukes: ein letztes Good-bye an Jerry Jeff Walker

"Viele Menschen bringen Jerry Jeff Walker mit nur diesem einzigen Song in Verbindung", sagt Steve Earle, "dabei hat er viele weitere großartige Titel geschrieben. Und dazu war er auch ein exzellenter Interpret von Cover-Songs. Mit diesem Album möchte ich ein paar Dinge geraderücken." Wer die zehn Tracks - alles Originale von Jerry Jeff Walker - hört, kann Earle nur beipflichten. Der Mann hatte mehr drauf als diesen großartigen Mr. Bojangles, unzählige Male gecoverten Klassiker der Musikgeschichte.

"Jerry Jeff" ist für Steve Earle bereits sein drittes Tribute-Album. Sein dritter musikalischer Nachruf auf einen verstorbenen Kollegen. Nach "Townes" (womit natürlich Townes Van Zandt gemeint ist) und "Guy" (Guy Clark gewidmet) erinnert er nun also an seinen ersten musikalischen Lehrmeister. Laut Earle ist damit aber auch dieser Zyklus beendet. Diese drei. Sie waren es. Sie haben dafür gesorgt, dass Steve Earle heute so klingt wie er eben heute klingt. Dass er sein Ding macht, dass er - wenn nötig - gegen den Strom schwimmt, dass er sich nicht verbiegt, seinen künstlerischen Kompass stets im Auge behält. Nur wenige seiner Kollegen und Kolleginnen gelingt dies. Natürlich. Die Verlockungen von Ruhm und Geld lauern in Nashville an jeder Ecke. Doch Typen wie Steve Earle und Jerry Jeff Walker bringen oder brachten das nötige Rückgrat mit, um sich nicht selbst künstlerisch zu verraten. Ein Stolz, den sie vermutlich mit einem schmäleren Bankkonto bezahlen - der sie aber mit jedem Blick in den Spiegel entlohnt.

Dass Steve Earle von Jerry Jeff Walker begeistert war, lässt sich im Verlauf des Tribute-Albums sehr gut nachvollziehen. Der Mann hatte einfach ein goldenes Händchen für catchy Melodien - die er, alte Outlaw-Schule, mit kecken Texten und raubeinigen Klängen kombinierte. Musikalisch war Walker ganz klar im rustikalen Country, im erdigen Folk und - gelegentlich - im naturbelassenen Blues beheimatet. Heute würde man ihn als klassischen Americana-Act bezeichnen. Das macht deutlich, wie aktuell und letztlich zeitlos seine Musik ist. Vor allem, wenn sich ihrer Steve Earle & The Dukes annehmen: keine einzige Song-Nullnummer. Jeder Tack ein Treffer.

"Jerry Jeff" - tolles Tribute, zeitlos starke Musik

Schon der Opener "Gettin' By" verströmt Dylan-mäßiges Folk-Feeling, "Gypsy Songman" verströmt mit einem fidelen Akkordeon ausgelassene Cajun-Stimmung und bei dem leisen und subtilen Folk von "Little Bird" erweist sich der verstorbene Künstler als Song-Poet erster Güte. Gerade letzterer Track gewinnt in der Interpretation von Rauhkehlchen Steve Earle: die sanfte Melodie und die Reißnagelstimme ergeben einen hübschen Kontrast.

Schon nach den ersten drei Tracks wird klar, wir recht Steve Earle hat: Jerry Jeff Walker ist mehr als "Mr. Bojangles". Viel mehr. Und so hochwertig geht es weiter. Toll sind beispielsweise der temperamentvolle und blitzgescheite Folk-Bluegrass "I Makes Money (Money Don't Makes Me)", der herrlich gefühlvolle Rain-Song "Hill Country Rain", das so intime wie bewegende "My Old Man" oder der zu mehreren Tausend Prozent authentische Hobo-Song (nur Mundharmonika und Gesang) "Old Road". Tja, und dann wäre da natürlich auch noch "Mr. Bojangles". In der Mitte des Albums haben Earle & The Dukes diesen unverwüstlichen Evergreen verpackt. Vielleicht müsste man sagen: versteckt. Klar, es geht nicht ohne diesen Signature-Song. Aber warum sollte es auch? Der Titel ist - selbst nach unzähligen Male hören - immer noch ein Gänsehaut-Song. Und in Steve Earles-Interpretation erst recht. Ganz, ganz großes Kino.

Fazit: Hier stimmt alles: Die Motivation für das Album "Jerry Jeff", die Interpretation von Steve Earle & The Dukes, die Songauswahl und für uns Hörer der sich ergebende Lerneffekt: Jerry Jeff Walker war ein grandioser Songschmied. Steve Earles Würdigung wird ihm absolut gerecht.

Label: New West (H'Art) VÖ: 2. September 2022
01 Gettin' By
02 Gypsy Songman
03 Little Bird
04 I Makes Money (Money Don't Make Me)
05 Mr. Bojangles
06 Hill Country Rain
07 Charlie Dunn
08 My Old Man
09 Wheel
10 Old Road
vgw
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