Heiß war's im "Knust". Brütender wird's in Chely Wrights Heimatstaat Kansas im Sommer auch nicht sein. Als die Sängerin gegen halb neun die Bühne betritt, machen die 300 Zuschauer in dem sehr gut gefüllten Club Lärm, als sei der Laden restlos ausverkauft. Ein dankbares Publikum, dem Chely ebenso dankbar begegnet. Strahlend, bestens gelaunt und energetisch wirbelt sie über die Bühne, während die fünfköfige Band (zwei Gitarren, E-Piano, Bass und Schlagzeug) loslegt. Chuck Berrys "C'est la vie (You never can tell)" brachte schon John Travolta und Uma Thurman in "Pulp Fiction" zum Twisten und ist auf Chely Wrights aktuellem Album "The Metropolitan Hotel" enthalten. Als Opener gibt er das Tempo der ganzen Show vor, denn das ist trotz einiger Balladen extrem hoch. Schneller, gradliniger Country-Rock.
Chely Wright trägt standesgemäß ein hellblaues Top, Bluejeans und Boots. Um ihren Hals baumelt ein kleines Kreuz an einem Lederband und auf ihrem Gürtel glitzern die Pailletten. Sie sei von ganzem Herzen Country-Sängerin, sagt sie mehrfach - als müsste man das extra erwähnen! Überhaupt redet sie während der Show gerne und viel. Auf höchst charmante Art plaudert sie mit dem Publikum, bezieht es ein. Eine versierte, professionelle Entertainerin. Zu fast jedem Song hat sie eine kleine Anekdote oder Geschichte parat. Etwa die von ihrer Mutter, die dreieinhalb Schachteln Zigaretten am Tag raucht und auch im Knast weiterqualmen würde, wenn Rauchen plötzlich verboten wäre. Oder von Loretta Lynn, mit der sie mittlerweile befreundet ist, es aber immer noch nicht fassen kann. Da bleibt Country-Star Chely Wright ganz Fan.
Etwa zur Konzerthälfte greift sie selbst zur Gitarre und beginnt einen Set mit Songs, die so neu sind, dass nicht einmal die Bandmitglieder sie schon vollends draufhaben. Stimmungshöhepunkt: Ein ironischer Beziehungs-Sing-a-long, in dem Wright die Vokabeln "hope", "positive" und "happy" unterbrachte, weil ihrer Managerin das neue Material zu deprimierend war. Doch der Refrain liest sich so: I hope that you're miserable, I'm positive that I hate your guts, it makes me happy to know I never have to see your face again. Soviel zu ihrem Sinn für Humor.
Ihre herzerfrischende Naivität offenbart sie kurz darauf. Man muss als Amerikanerin die deutsche Bundeskanzlerin vielleicht nicht kennen. "Wer war eigentlich die Lady, der Bush den Rücken massiert hat?" fragt sie unverblümt, bevor sie betont, total unpolitisch zu sein. Um anschließend ihre Ballade "The Bumper of my S.U.V." zu singen, einem Song, der von einem U.S.-Marines-Aufkleber an ihrer Stoßstange handelt, und den sie von ihrem Bruder, einem Marine, geschenkt bekommen hat. Natürlich ist es ziemlich unhöflich, ihr dafür den Stinkefinger zu zeigen, wie sie berichtet und wie es auch in dem Stück vorkommt. Aber zu glauben, der Aufkleber sei kein politisches Statement, sondern ein privates, ist sehr einfach gedacht. Denn Privates, dass öffentlich gemacht wird, ist automatisch politisch. Chelys Song ist es auch, ob sie will oder nicht. Ihren Fans ist es eh schnurz, sie lieben die melancholische Ballade: In Amerika wurde sie zum Überraschungshit, und im "Knust" feiert man sie frenetisch.
Neben den erwähnten Weltpremieren und einigen Coverversionen, mit denen sie Hank Williams, Merle Haggard und dem jüngst verstorbenen Buck Owens Tribut zollt, spielt sie ihre bekanntesten Nummern wie "Shut up and drive" und "Jezebel", und beendet das Konzert mit ihrem größten Hit: "Single, White, Female", einem feisten Country-Rocker. Zu Zugaben lässt sich Chely nicht lange bitten, und direkt nach der Show schreibt sie am Merchandise-Stand auch noch fleißig Autogramme. Wenn sie darf, würde sie im nächsten Jahr gern wieder im "Knust" spielen, hat sie gesagt. Wer sollte nach dem Konzert was dagegen haben?