An dem selbst für Tennessee-Verhältnisse warmen 2. November-Abend herrschte in Nashville Ausnahmezustand. Wo man auch hinsah: Polizeistreifen mit blinkendem Blaulicht, Absperrungen - und ein unglaubliches Gedränge von schick gemachten Menschen vor dem Eingang der Bridgestone-Arena. Keine Frage, die 50. CMA-Awards haben für einen echten Hype in der Music City USA gesorgt. Niemand, der mit den Klängen von Garth, Dolly, Reba & Co. etwas anfangen konnte, wollte das runde CMA-Jubiläum verpassen - und das bei Ticketpreisen von locker mal 400, 500 Dollar.
Wer das Glück hatte, eine Karte zu ergattern reihte sich nun also um kurz vor 18:00 Uhr vor dem Haupteingang ein. Geduld war gefragt, denn: Sicherheit ging vor. Deshalb wurde man beim Einlass ähnlich sorgfältig wie bei einer Flugreise gefilzt. Die fast ausschließlich in Abendkleid und Anzug/Smoking gekommenen Gäste hat das nicht weiter gestört und so näherten sie sich ohne zu murren im Schneckentempo dem Einlass des modernen Entertainment-Tempels. Endlich im Inneren der Arena angekommen, besorgte man sich noch ein hoffnungslos überteuertes Bud-Light, um dann zügig seinen Platz einzunehmen. Showtime ist um 18.45 Uhr. Punkt 18.45, denn die Show wird live auf ABC ausgestrahlt.
Die 50. CMA Awards starten punktgenau
Dann endlich. Das Licht geht aus, die Menge jubelt. Doch anstatt Brad Paisley und Carrie Underwood, die beiden Moderatoren der Gala, erscheinen zwei Akustikgitarristen, der eine davon, so viel dröhnt durch die Lautsprecheranlage, ist der Sohn von Merle Haggard. Ein besonnener Auftakt, dem aber schon bald ein kleines Spektakel folgen soll: Nun anmoderiert von den beiden hippen Country-Stars gibt es einen Rückblick von CMA-Gewinnern der letzten Dekaden: Alabama, Charlie Daniels, Reba McEntire, Dwight Yoakam, Clint Black, Alan Jackson und Randy Travis, der sich erstmals seit seiner Krankheit wieder in der Öffentlichkeit zeigte, präsentierten eine Art Medley klassischer Country-Hits. Ein Song-Feuerwerk im Turbo-Modus: denn jede Legende bekam für ihren Auftritt lediglich eine Strophe und einen Refrain zugesprochen. Country-Geschichte im Schnelldurchlauf.
Man muss das verstehen. Schließlich blickt auch die Country-Szene lieber in die Zukunft, als auf die eigene Vergangenheit. Selbst bei einem 50. Jubiläum. Dennoch: Fans des 90er-Jahre-Countrys, und davon gab es viele in der Bridgestone Arena, waren nach diesem Intro zwar auf den Geschmack gekommen, aber alles andere als satt. Da hier jeder Act live spielte, kam man um den Eindruck des Verheizens nicht so ganz herum. Aber: The Show must go on. Und das macht sie auch - und wie. Dafür sorgen schon mal Paisley und Underwood, das als witziges, sich gegenseitig hochnehmendes und dazu richtig frech austeilendes Moderator-Paar vollauf überzeugen kann.
Was erstaunt, ist, dass die beiden auch den amerikanischen Wahlkampf aufs Korn nahmen und vor allem gegenüber Trump einige Breitseiten loslassen. Wer immer noch glaubte, das Nashville-Establishment sei streng Redneck und republikanisch, reibt sich hier Augen und Ohren. Köstlich sind auch die Seitenhiebe der beiden auf ihre singenden Kollegen. Beispielsweise als sie zwei Puppen - Barbie und Ken - für einen auf Tim McGraw und Faith Hill gemünzten Sketch einsetzen. Als die Kamera Tim und Faith für die Großleinwand einfängt, ist eine gewisse Gesichtsröte bei beiden nicht zu übersehen. Doch auch das gehört zur Show: Freude und Schadensfreude.
In den nachfolgenden zweieinhalb Stunden überwiegt aber dann die Freude, die Freude über gewonnene Awards. Maren Morris, zur neuen Künstlerin des Jahres gewählt, lässt ihren Tränen freien Lauf, Eric Church, der sich den Award für das "Album des Jahres" abholt, bleibt selbst bei seiner Dankesrede cool wie ein Poker-Profi; die Brothers Osborne, das frischgebackene "Duo des Jahres" flippt dagegen völlig aus und auch Garth Brooks, zum fünften Mal "Entertainer of the Year", verschenkt pathetische Gefühle: "Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir Teil der Country Music sind", ruft er ins Mikro. Chris Stapleton, "Sänger des Jahres", hat auf dem Gebiet der Dankesrede natürlich noch nicht die Erfahrung eines Garth Brooks. Umso ehrlicher und sympathischer wirkt der bärtige Star auf der Bühne, als er leicht stammelnd bemerkt: "Die Menschen, die in der Country Music tätig sind, sind einfach die besten Menschen der Welt."
Für den Höhepunkt der Gala sorgt - mal wieder - Dolly Parton. Ihre Dankesrede, als sie den "Willie Nelson Lifetime Achievement Award" in Empfang nimmt, bildet den rhetorischen Höhepunkt der Show. Fröhlich witzelnd meint sie, dass sie ja liebend gerne weinen würde, "aber das würde nur mein Make-Up ruinieren."
Die 50. CMA-Awards bieten also ein Großaufgebot an Künstlern und Emotionen und die opulent ausgestattete Show läuft rund wie ein Schweizer Uhrwerk. Doch zu einer professionellen Show gehört nun mal auch das Vermarkten, die Werbung, und das trübt den Eindruck der Veranstaltung erheblich. Etwa alle acht bis zehn Minuten wird die Show von einem mehrminütigen Werbeblock ausgebremst. Die Zeit wird zwar mit Videos - größtenteils Werbefilme für die CMA - überbrückt und auf der Bühne für Umbaupausen genutzt. Unumgehbare Notwendigkeiten also, dennoch: Eine Show kommt auf diese Weise einfach nicht richtig in die Gänge, sie bleibt im Stop-and-Go-Stotter-Modus hängen. Doch auch daran hat sich das amerikanische Publikum mit Sicherheit gewöhnt.