Ein bisschen Country, ein bisschen Hollywood

Flicka - Freiheit, Freundschaft, Abenteuer

Entscheide Dich für eine Sache und mach diese richtig.

Was einmal ein guter Rat für jeden war, der erfolgreich sein wollte, hat seine Gültigkeit verloren. Der heutigen Einstellung nach, zumindest in Nashville, geht die Glaubwürdigkeit als Country-Sänger mit der Lizenz zur Schauspielerei einher. Wenn sich jedoch ein Künstler eingehender mit Hollywood beschäftigt, bleibt dabei nicht etwas auf der Strecke?

Tim McGraw, der 33 Millionen Country-Alben verkauft hat und im Remake von "Flicka" eine Hauptrolle spielt, glaubt das nicht. Während eines Telefongesprächs von Los Angeles, Kalifornien, aus, wo er die Werbetrommel für den Film rührt, sagte McGraw: "Mein Terminkalender war sowieso frei, da ich vorhatte, eine Auszeit zu nehmen. Ich kann normalerweise nicht viele Filme drehen, aber dieser kam genau richtig." Also zog die Familie McGraw für drei Monate von Nashville in ihren Wohnsitz in Beverly Hills, Kalifornien.

Im Remake des Films "Flicka" von 1943 spielt McGraw Rob McLaughlin, einen hart arbeitenden Rancher, Ehemann und überfürsorglichen Vaters in Wyoming. "Ich hatte ursprünglich überhaupt kein Interesse daran", so McGraw über den Erhalt des Skripts. "Ich wollte diese Rolle eines Ranchers mit Cowboyhut nicht spielen. Aber je weiter ich las, desto schwieriger wurde es, abzulehnen."

Ohne Frage hat McGraw die Musik im Griff. Er erntete Kritikerlob für seine Nebenrolle in dem Film "Friday Night Lights - Touchdown am Freitag" von 2004, aber "Flicka - Freiheit, Freundschaft, Abenteuer" war sein erster Versuch in einer Hauptrolle. "Ich hatte keine Zweifel hinsichtlich meiner Fähigkeiten, aber etwas Bammel davor, so lange auf der Leinwand zu sein", meinte McGraw.

RebaAuch wenn er mit härteren Rollen zurechtkäme, seine Musik kann dies möglicherweise nicht. Seit McGraw ernsthaft mit der Schauspielerei begonnen hat ("Black Cloud" und "Friday Night Lights - Touchdown am Freitag" in 2004), hat er kein Album mit durchweg neuen Songs veröffentlicht.

In diesem Jahr hat er ein Greatest Hits-Album mit gerade einmal vier neuen Aufnahmen auf den Markt gebracht.

Damit steht McGraw nicht alleine. Reba McEntire übernahm viele Filmrollen und spielt in einer langlebigen Fernsehserie namens "Reba". Obwohl niemand im Team McEntire irgendwelche Opfer zugeben wird, so sind ihre Top10-Hits weniger geworden, seit sie sich einen aufreibenden Fernsehterminplan aufgelastet hat. Seit "Reba" vorfünf Jahren anlief, haben es nur drei ihrer Lieder in die Top10 der Country-Charts geschafft. Dagegen hatte sie in den fünf Jahren vor Beginn der Serie 13 Hits in den Top10.

Mit Billy Ray Cyrus hat ein weiterer Star der County-Musik 2001 in der Fernsehserie "Doc" und jüngst in "Hannah Montana" als Schauspieler begonnen. Seit er den Sprung zur Schauspielerei genommen hat, hatte er nicht eine Single in den Top10. Aber das war kein Zufall. Cyrus war sich dessen bewusst, dass eine Karriere als Schauspieler es mit sich bringen würde, die Country-Musik hinter sich zu lassen.

Hanna Montana"Zu dieser Zeit brachte Nashville einen Cowboy-Einheitsbrei hervor und es war offensichtlich, dass ich nicht in das Schema dessen passte, was im Country-Radio gespielt wurde", so Cyrus. "Man konnte einen Song, einen Hut oder ein Gesicht nicht vom anderen unterscheiden. Ich dachte, dass ich mich entweder leise verabschieden oder mir wie Dolly Parton neue Tätigkeitsbereiche suchen könnte."

Seine Schauspielkarriere steckt noch zu sehr in den Kinderschuhen, um vorauszusagen, ob Country-Superstar Toby Keith jemals seine Musik zurückstellen wird. Sein erster Versuch war "Broken Bridges", der Anfang September in die amerikanischen Kinos kam. "Ich hege keine Absichten, meinen Hauptberuf zugunsten der Schauspielerei aufzugeben", so Keith. "Aber ich würde gerne so alle 18 Monate einen Film herausbringen."

Kleindarsteller

Eine Handvoll anderer Country-Musiker haben auch kleine Nebenrollen gespielt. Faith Hill, die Ehefrau McGraws, absolvierte einen Auftritt in "Die Frauen von Stepford", Willie Nelson tauchte im Kinofilm von "Ein Duke kommt selten allein" auf und Dwight Yoakam hatte eine Rolle in "Panic Room". Sogar Kenny Chesney hat anklingen lassen, dass er sich jenseits der Grenzen von Nashville beweisen möchte. Er machte aus seiner letzten Single "You save me" einen 9-minütigen Kurzfilm, der zugleich als Musikvideo für den Song dient.

Panic RoomDie Entscheidung, einen Film mit einem Country-Musiker zu besetzen, kann aus jeder Richtung kommen. Manchmal bewirbt sich ein Künstler um eine Rolle. Dann wiederum bekommen sie aus heiterem Himmel einen Anruf, um ein Skript zu lesen.

Chet Flippo, Redaktionsleiter bei CMT, findet, dass es auch Zeit dafür war. "Den Wunsch seitens der Country-Musiker gab es schon immer, und jetzt hat sich Hollywood endlich dazu durchgerungen, Country-Musiker als normale Menschen zu akzeptieren", meinte Flippo gegenüber der Tribune. "Das zeigt, dass die Country-Musik im Mainstream angekommen ist."

Aber es hat nicht immer nur etwas mit einem aufgeschlossenen Casting-Director zu tun. Manchmal dreht sich alles um gesteigerte Kartenverkäufe. Man bedenke nur, wie viele Menschen "Flicka - Freiheit, Freundschaft, Abenteuer" anschauen werden, nur um McGraw zu sehen. Oder wie viele Keith-Fans die "Broken Bridges"-DVD vorbestellen werden.

"Immer mehr Agenten setzen Country-Stars als Schauspieler ein", so Danny Roth, Eigentümer von Casting House. "Wenn man einen Sänger in den Film bekommt, hat man automatisch einen Markt. Die Studiobosse wissen, dass sie ihre Besetzung mehr aufgrund von Marktvorgaben und weniger aus traditionellen Gründen wählen sollten." Daher könnte es bei diesem besonderen Besetzungstrend nur ums Geschäft gehen und weniger darum, dass ein Künstler sein kreatives Potenzial erweitert.

Wenn man allerdings die Zahl der Rapper betrachtet, die in Hollywood erfolgreich sind, wie beispielsweise Eminem, Will Smith, Queen Latifah und OutKast, kann man leicht erkennen, warum Country-Musiker in deren Fußstapfen treten möchten. Die Hip-Hopper haben den Übergang auf die Leinwand so nahtlos bewältigt, dass es Popkulturwissenschaftlern schwer fallen könnte, sich zu erinnern, was zuerst da war: Rap oder Schauspielerei.

Heißt das, dass Musiker bald die erste Wahl für Hauptrollen darstellen? Soweit sind wir noch nicht.

BrokenBridgesNach Angaben von "Flicka"-Regisseur Michael Mayer war McGraw nicht seine erste Wahl. Er hatte zunächst an Kevin Costner in der Hauptrolle gedacht. "Als ich es zum ersten Mal las, dachte ich an die rauen Cowboytypen. Harte Kerle, die mehr in das althergebrachte Bild eines Ranchers passen", so Mayer. "Aber Tim zeigte eine solche Leidenschaft für diese Figur, dass ich mir nicht vorstellen konnte, den Film ohne ihn zu drehen."

Mayer stellte außerdem fest, dass McGraw eine Sonderbehandlung ablehnte. "Er bestand darauf, dass ich ihn forderte. Er meinte: "Lass mir nichts durchgehen."

McGraw erledigt in dem Film das Reiten und den Umgang mit dem Seil selbst. Wenn es darum ging, seinen Text zu üben, tat er dies zu Hause mit Faith Hill.

Keine Probleme

"Ich habe es nicht so mit dem Coaching. Ich hatte nie Gesangs- oder Gitarrenunterricht", gibt McGraw zu. "Wegen all der Lieder, die ich im Gedächtnis habe, fällt es mir nicht schwer, mir Text zu merken."

Friday Night LightsDennoch weiß McGraw, dass er nicht perfekt ist. Er gibt zu, dass es etwas ganz anderes ist, Filme zu drehen als Musikvideos. "Bei meinen Videos habe ich das Sagen. Aber bei Filmen ist man jemand anderem ausgeliefert", meinte er. "Außerdem sieht man bei Videos direkt in die Kamera. Bei Filmen muss man so tun, als wäre sie nicht da. Ich bin mir sicher, dass ich deshalb eine Menge Aufnahmen in den Sand gesetzt habe."

Seine Rolle in "Flicka - Freiheit, Freundschaft, Abenteuer" beweist nicht, wie weit er sich vom Cowboy-Image entfernen kann. Anders dagegen seine Rolle in "Friday Night Lights - Touchdown am Freitag". Hier spielte er einen exzessiven, gewalttätigen Alkoholiker und wurde für einen MTV Movie Award als Best Breakthrough (bester männlicher Neudarsteller) nominiert. Der Film war ein Kassenknüller mit Einnahmen von 61 Millionen US-Dollar.

Keiths "Broken Bridges" lief an den Kinokassen nicht annähernd so gut. Der Film wurde als weinerliche Countryballade fürs Kino kritisiert und konnte nur armselige 250.000 Dollar bei einem Kinostart mit einer begrenzten Anzahl Kopien einnehmen. Dennoch setzt Produzent Donald Zuckman großes Vertrauen in Keiths Schauspielkünste. Er erklärte gegenüber der Tribune, dass Keith mit einem Schauspiellehrer hart arbeite, um sich vorzubereiten.

Tim McGrawBei dieser neuen Generation der zu Schauspielern gewordenen Sänger besteht die Gefahr, die Musik zu vernachlässigen, die sie erst berühmt gemacht hat. Bei ihren Bemühungen aus den Ketten auszubrechen, die Nashville ihnen auferlegt, könnten sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen. Um Erfolg zu haben, muss ein Künstler gewisses Niveau erreicht haben, auf dem das Country-Radio weiterhin seiner Musik treu bleibt, auch wenn sie schon eine Weile in den Regalen stand. Und die Fans trotz weniger CDs und einem weniger aufwändigen Tourplan die Treue halten.

Unter dem Strich muss man ein ganz Großer sein, um damit durchzukommen.

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