Die erste Kostprobe gibt es in Form des Openers "Deep in the Country". Geradlinig und ohne Schnörkel hämmern Gitarre und Banjo ein rockiges Riff drauf los, und Staffiles Gesang passt sich mit rotziger Attitüde wunderbar an. Das macht Spaß und geht ins Ohr, besonders beim krachenden Refrain. Auch "Where Did all the $ Go" präsentiert sich mit Ecken und Kanten. Nicht ganz so forsch, dafür sehr eingängig - gefühlt kann man schon nach der ersten Minute die entscheidenden Passagen mitsingen. Wer jetzt schon auf dem Geschmack gekommen ist, wird bei "White Trash" restlos entzückt sein. Nach einem verspielten Intro steigert sich die Nummer in einen Gassenhauer allererster Güte. Die Hookline des Refrains - "Redneck - what the heck - hillbilly - you bet" - geht einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Ein frischer und frecher Song, der ein wenig an Gretchen Wilsons "Here for the Party" erinnert. Der absolute Anspieltipp des Albums!
Doch auch der Rest des Silberlings hat noch eine ganze Menge zu bieten. Bei "Family Tree" wird erst einmal einen Gang zurückgeschaltet. Deutlich poppiger und geschliffener kommt der Track daher. In der Strophe verfällt Staffile in eine Art Sprachgesang, bevor der Refrain so süß und klebrig klingt, wie es sonst nur Little Big Town oder The Band Perry hinbekommen. Letztere Band ist ein gutes Stichwort, da sich mit "Put Me in the Ground" ein Song auf dem Album befindet, den Kimberly Perry mit ihren Brüdern einst schon äußerst erfolgreich trällerte. Große qualitative Unterschiede zwischen den beiden Versionen lassen sich nicht feststellen, was definitiv als Kompliment für HER & Kings County zu werten ist.
Dass die sechsköpfige Combo jedoch am liebsten das Gas in die Ölwanne drückt, zeigt sich in der Songauswahl ganz deutlich. Da wären zum Beispiel der muntere Rocker "My Backyard" oder die von treibenden Gitarren und Banjo-Einlagen dominierten "Freight Train" und "Young Guns". Eine gänzlich andere Seite offenbaren HER & Kings Country bei "Heavens Crashing Down", das bedacht und verträumt beginnt und in einer pompösen Rockoper endet. Stark! Auch "My Heart Can’t Take Anymore", ein Duett mit Rick Huckaby, und "Oh My Darling" setzten gekonnt auf Emotionen anstatt satter Inszenierungen.
Zum Abschluss kehren HER & Kings County jedoch zu ihrem Steckenpferd zurück. "Down in Dixie" und der im Original von den Ozark Mountain Dare Devils stammende Titelsong "Raise a Little Hell" (man beachte die Mundharmonika!) treiben das Partybarometer noch einmal gekonnt in die Höhe. Als kleines Extra gibt es dann noch eine Live-Version von "Be My Lover" zu hören, die wunderbar veranschaulicht, dass Staffile’s Stimme live genauso kraftvoll und ausdrucksstark klingt wie auf Platte.
Fazit: Ein kreatives, eigenwilliges, unbekümmertes Album, das HER & Kings County hier abliefern. Wer seine Musik gerne etwas wilder mag, wird von dieser Band ganz sicher nicht enttäuscht werden.
Label: India (rough trade) | VÖ: 23. Januar 2015 |
Titelliste
01 | Deep in the Country | 09 | Oh My Darlin' |
02 | Where Did All the Money Go? | 10 | Young Guns |
03 | My Backyard | 11 | Down in Dixie |
04 | Put Me in the Ground | 12 | Raise a Little Hell |
05 | Freight Train | 13 | Spinning Wheels |
06 | Six Figures | 14 | Deep Six |
07 | Heavens Crashing Down | 15 | By My Lover |
08 | My Heart Can't Take Anymore |