Hannes Wader - Sing

CD Cover: Hannes Wader - Sing

"Sing" nennt Hannes Wader sein gefühlt 100. Album. Sing - ohne Ausrufezeichen, obwohl Imperativ. Doch strenge Befehlsform und wichtigtuerische Ausrufezeichen liegen dem 1942 in Bielefeld geborenen Liedermacher nicht. Er hat's nicht mit der Autorität, deshalb kann man die Aufforderung zu singen eher als Eigenappell interpretieren. "Singen macht dich stark", schmettert er da in dem knapp sechsminütigen Song mit seiner unverkennbaren Chansonnier-Stimmer, "Singen besiegt die Angst ... und geht es mir mal schlecht ... dann singe ich erst recht."

Es ist natürlich purer Anachronismus: Protestsongs sind vermutlich seit mindestens 40 Jahren aus der Mode gekommen, doch das einstige DKP-Mitglied bleibt sich künstlerisch so treu wie nur wenige. Wie schon 1974, als er mit "Der Rattenfänger" ein Album vorlegte, das jeder Gymnasiast mit halbwegs intellektuellen Ambitionen in seiner Sammlung haben musste, teilt Wader immer noch tüchtig aus Er wettert gegen die korrupte politische Klasse, gegen die Benachteiligung des Proletariats, gegen braune Gesinnung oder einfach gegen die Ungerechtigkeiten und Schmerzen, die das Leben für eine sensible Natur wie ihn so bereit hält.

Dennoch: Hannes Wader klang während seiner 1969 gestarteten Karriere nie richtig verbittert oder gar verzagt. Merke: Wader jammert nicht. Ja, er klagt an, er schimpft und er legt mit Begeisterung den Finger in jede sich ihm bietende Wunde - doch, und das zeichnet ihn aus und macht ihn so unvergleichlich, stets schelmisch mit einem zwinkernden Auge. Sein Humor und sein Sarkasmus sind bei ihm genauso ausgeprägt wie sein politischer Wille und sein Gerechtigkeitssinn. Wenn er bei dem Auftakt-Lied "So wie der" von einem hageren Straßenmusiker erzählt, der ihn an die eigene Jugend erinnert, als ihm die "Bullen vorm Springer-Hochhaus '68 in Berlin die Zähne ausschlugen", dann schwingt da immer noch ein humorvoller, ja geradezu belustigter Unterton mit. Man möchte glatt mitpfeifen - was vor allem auch an der Instrumentierung liegt. Seine gesungenen Texte, bei denen er sich keinen Deut um Syntax oder Reimformen schert, verpackt er bei "Sing" in erfrischenden Country-Blues. Es groovt, die Gitarrenlinien perlen munter, eine Harp sorgt für Lagerfeuer-Romantik.

Mit seinen 72 Jahren hat der im letzten Jahr mit einem ECHO für sein Lebenswerk geehrte Hannes Wader viel erlebt. Er hat viel zu erzählen. Einige schöne Geschichten hat er in den Talking-Blues "Wo ich herkomme" verpackt - ein harmonisch netter und damit an Reinhard Mey erinnernder Track von über acht Minuten Länge. Und keine Minute zu lang. Denn es macht einfach Spaß dem Bielefelder Sturkopf seine skurrilen Stories - wie über beispielsweise eine missglückte Schönheitsoperation - singen zu hören, zumal von einer so stattlichen und kompetenten Country-/Bluegrass-Combo assistiert. Ein Alterswerk - ohne die Spur von Ermüdungserscheinungen oder gar Altersstarrsinn.

Fazit: Einer der letzten großen Geschichtenerzähler und Deutschlands vielleicht letzter Protestsänger: Hannes Wader in Top-Form und Folk- und Country-Outfit.

Label: Mercury (Universal) VÖ: 6. Februar 2015

  • Titelliste

01 So Wie Der 06 Alles nur Schein
02 Wo Ich Herkomme 07 Bei Dir
03 Für Dich 08 Das kleine Gartentor
04 Folksinger's Rest 09 Lissi (Aus Giengen an der Brenz)
05 Morgens am Strand 10 Sing

vgw
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