Jonny Hill - Bitte treten Sie zurück

Jeder der einmal mit der Londoner U-Bahn unterwegs war, kennt den einen Satz, der selbst schon so etwas wie eine Touristenattraktion ist: "Mind The Gap". Über Jahrzehnte hinweg vernahm ein jeder mit diesem Satz die Stimme von Oswald Laurence. Diese wurde nach und nach durch neue Aufnahmen ersetzt. So auch an der Haltestelle Embankment im Herzen der Stadt. Soweit nichts besonderes, wäre da nicht die Witwe von Lawrence Margaret McCollum, die immer wieder zur Haltestelle kommt, um die Stimme ihres Ehemanns zu hören. Als die Aufnahme umgestellt wird, schreibt sie den U-Bahn-Betreibern ihre Geschichte. Gerührt tauschen diese die neue Durchsage wieder durch die Stimme von Oswald Laurence aus.
Diese Geschichte, die das Leben geschrieben hat, hörte auch Jonny Hill und inspirierte ihn zum Titellied seines neuen Albums "Bitte treten Sie zurück". Mit seinem charakteristischen und einfühlsamen Sprechgesang knüpft er dabei stilistisch, wie auch emotional an seinen großen Erfolg "Ruf’ Teddybär Eins-Vier" an.

Wie die Geschichte des Openers beinhaltet das gesamte Werk einen melancholischen Blick zurück, meist getragen von einem klassischen Country-Sound mit pointiertem Einsatz von Geigen oder Steel Guitar - immer an der Grenze zum Schlager. Gewidmet ist das Album seiner Ehefrau Helga, mit der Hill in diesem Jahr Goldene Hochzeit feiert. Dies hört man in Songs wie "Ist die schönste Zeit vorüber?", "Ich halt dich fest", "Was fang ich ohne dich an?", "Dabei wäre es doch so leicht" und "Ich stell mir vor, du wärst bei mir".

Ein wenig Wehmut schwingt in der Ballade "Die Erinnerung an stille Tage" mit, in dem sich Hill an die guten alten Zeiten erinnert. Im Gegensatz dazu steht "Immer wieder Rock 'n' Roll" bei dem die Retrospektive mit flottem Rock 'n' Roll Rhythmus unterlegt ist - allerdings auch nicht zu flott und seinem Alter angepasst. Zwei Lieder richten sich an seine Kinder. In "Ein paar Jahre mehr" erteilt Hill den obligatorischen Rat des erfahrenen Mannes. In "Mama und ich" gibt er Mut für die Zukunft. Diesen Song hat er zusammen mit Sigmar Strecker geschrieben, der unter anderem auch schon mit Bernhard Brink, Linda Feller und Tom Astor zusammenarbeitete.

Den Abschluss des von Retrospektive und Melancholie geprägten Albums bildet "Warum musste alles so enden". Dabei greift Hill wieder das Bild des Bahnhofs auf und stellt die Fragen, die sich am Ende einer Liebe wohl jeder stellt.

Fazit: Viel Gefühl und Melancholie an der Grenze von Country und Schlager. Nach bewährtem Rezept hat Hill ein handwerklich einwandfreies Album geschaffen, das bei den Fans sicherlich gut ankommen wird.