Es ist schon ein Stahlbad, dem sich Newcomer hier aussetzen - und nicht jede und jeder ist diesem Druck gewachsen. Es ist aber auch eine Willensprobe. Denn nur wer es wirklich will, wer wirklich bereit ist, diesen steinigen Karriereweg zu gehen, hat eine Chance. Hannah Ellis war dazu bereit - und sie hat ihre Chance genutzt. Mit "That Girl" präsentiert sie jetzt ihr Debüt-Album.
Papi und Mami der aus Campbellsville, Kentucky, stammenden Künstlerin, werden bestimmt mächtig stolz auf sie sein. Immerhin haben sie ihre Tochter bei ihrem künstlerischen Werdegang bisher nach Leibeskräften unterstützt. Selbstverständlich ist das nicht. Vielleicht nicht einmal so richtig vernünftig. Denn der Wunsch, eine Musikkarriere einzuschlagen ist schließlich alles andere als ein gesicherter Werdegang. Klar, es kann klappen - es kann aber auch fulminant in die Hose gehen. Für die meisten Kandidaten und Kandidatinnen in Nashville ist leider meist die zweite, die Fail-Option zutreffend. Doch: wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
"That Girl" - der logische nächste Schritt
Dass das Vertrauen der Eltern in ihre talentierte Tochter gerechtfertigt ist, zeigte Hannah Ellis bereits bei mehreren Tourneen. Sie konnte bereits im Vorprogramm von verschiedenen Country-Schwergewichten überzeugen, darunter auf Konzertreisen mit Martina McBride, Carly Pearce, Billy Currington und Jake Owen. Und auch als Backing-Sängerin konnte sie sich bei Aufnahmen von u.a. KING & COUNTRY, Carly Pearce und Russell Dickerson einen Namen machen. Erstaunlicherweise ist man selbst bei den Grand Ole Opry-Verantwortlichen schon auf sie aufmerksam geworden: bereits Ende September 2023 feierte sie in der Country-Ruhmeshalle ihr Debüt. Ein Full-Length-Album ist da der logische nächste Schritt.
Um es vorwegzunehmen: musikalische Wunderdinge darf man von der Newcomerin nicht erwarten. Nein, das sicher nicht. Dafür aber präsentiert sie mit angenehmer, warmer Altstimme 13 durchdachte und dazu grundsolide Country-Pop-Songs. Ob ein Song auf Anhieb in den Gehörgängen bleibt? Eher nein. Ist ein richtiger Flop-Track drauf? Ebenfalls: nein. Und so rieselt das Song-Setup an einem vorbei, gefällig, keinesfalls störend, aber auch ohne ein herausragendes Song-Highlight. Wobei, ganz am Ende…
Wie sehr der jungen Dame das Thema Country am Herzen liegt, verdeutlicht sie uns bereits im Opener "Country Can". Tja, was Country alles kann. Hannah Ellis verrät es und fügt mit dem eher traditionell startenden, dann mit einer an die Lumineers erinnernden Aura versehenden Track den besungenen Vorzügen der Country Music weitere Episoden hinzu. Sehr niedlich. Etwas störend aber ist, dass den eher ruhigen Strophen lärmige Refrains folgen. Eine alte, längst ausgeleierte Masche und leider Strickmuster für mehrere "That Girl"-Songs: Für das nette "Us" genauso wie für den balladesk angelegten Titeltrack und auch für das ganz im Country verankerte "One of These Days", dem vorletzten Track des Albums.
Hannah Ellis: Newcomerin mit Perspektive
Was die Newcomerin stimmlich drauf hat, zeigt sie in ruhigeren Songs. Beispielsweise in der gelungenen Ballade "Someone Else's Heartbreak" und der dazu gehörigen Fortführung "Somebody Else" oder in dem im Midtempo-Bereich angelegten, mit einer schönen Melodie versehenen "Still". Dass Hannah Ellis auch Rock im Blut hat, belegt sie in dem energischen "Replaceable". Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Reiz erweist sich "Karma on the Rocks". Ein Song, der nicht nur im Titel, sondern auch im Arrangement mit interessanten Einfällen aufwartet.
Für das ultimative Glanzlicht des Debüts sorgt ausgerechnet der letzte Track: "Too Much & Not Enough", der mit Abstand beste Song des Albums. Hier brilliert sie als sensible Storytellerin, die verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten perfekt bedienen kann. In dem im Sechs-Achtel-Takt gehaltenen Track verlässt sie für ein paar Minuten die Nummer-Sicher-Mainstream-Highway um sich auf ungesichertes, wenig erschlossenes Terrain zu begeben und überzeugt dabei auf ganzer Linie. Beim nächsten Album bitte mehr Songs diesen Kalibers.
Fazit: Talent vorhanden, Stimme gut - nur die Songs dümpeln größtenteils im Mittelmaß dahin und verhindern damit, dass sich die Newcomerin ein eigenes Profil verdient. Was sie wirklich kann, zeigt sie im letzten Track.