Nachdem sich die beiden 2016 im Bluebird Cafe kennen gelernt haben, heirateten sie ein Jahr später - um drei Jahre später die Scheidung einzureichen. Es ging so schnell bergab, wie es vorher bergauf ging. So ist das Leben. Zumindest manchmal für manche Menschen.
Die Ehe der beiden Country-Stars hatte keinen Bestand, die Freundschaft, die zwischenmenschliche Beziehung indes schon. Zumindest gaben sich beide auf ihren Social-Media-Kanälen alle Mühe, diesen Eindruck zu erwecken. Man sprach von Seelenverwandtschaft und davon, dass man immer füreinander da sei. Das ist löblich und erwachsen und allemal besser als ein Rosenkrieg à la Johnny Depp und Amber Heard.
Zwölf Songs von der Therapeuten-Couch: The Weakness
Doch, diesen Eindruck bekommt man schon beim Albumtitel, Narben hinterließ diese gescheiterte Ehe. Wie sonst könnte es ein Kerl wie Ruston Kelly "The Weakness" nennen. Sicher, er wäre 2015 nach einer Überdosis fast gestorben. Er weiß also, wie sich Schwäche und Hilflosigkeit anfühlen. Aber das alles ist schon eine Weile her. Dieser neuerliche Schwächeanfall hat, da muss man kein Prophet sein, mit seinem gebrochenen Herzen zu tun. Es wird wieder heilen. Und diese zwölf Songs von "The Weakness" werden ihren Teil zum Heilungsprozess beitragen. Sie werden ihm helfen, die gescheiterte Beziehung zu verarbeiten und sie werden ihm - im besten Falle - eine Orientierungshilfe für seinen weiteren Weg geben. Dafür sind Songs da, dafür schreibt man sie auch.
Songs, wie den düsteren, sehr rockig vorgetragenen Titeltrack, bei dem Ruston Kelly nach 20 Sekunden zu einer strammen Akustik-Gitarre wie von irgendwoher singt. Viel Hall. Einiges an Mystik. Dann Chor und Drums. Noch mehr Mystik. Und ein Sänger, der sein Elend in allen Facetten auslebt. Wenn Kacey Musgraves den Song hört - und sie wird ihn hören - wird sie vermutlich Gänsehaut bekommen und vielleicht auch die eine oder andere Träne verdrücken. Das könnte ihr auch beim nachfolgenden, nicht minder dramatisch angelegten Hellfire passieren. Hier schlägt Ruston Kelly aber viel sanftere Töne an: ein Folk- oder Americana-Song mit hübscher Klavier- und Akustikgitarren-Melodie.
Sieht wieder Licht am Ende des Tunnels: Ruston Kelly
Eine Gangart, die "The Weakness" ohnehin prägt. Ruston Kelly, dieser eigentlich nicht gerade für seinen Sanftmut bekannte Sänger und Songschreiber, schlägt im Verlauf des neuen Song-Dutzends mehrfach wehmütige, tiefschürfende, introspektive Töne an. Vor allem in der zweiten CD-Hälfte. Titel wie "Mending Song", "Dive", das hymnische "Better Now" oder das sehr langsame, sehr reduzierte "Cold Black Mile" eint eine sphärisch-luzide Stimmung. Getragene Songs, mit nebeligen Keyboard-Sounds und mit verletzlicher Stimme vorgetragen.
Ganz klar, hier hat einer eine Lektion gelernt. Eine schmerzhafte, offenbar. Davon berichten auch Songs wie der im Midtempo gehaltene Folk-Rocker Breakdown, die ruhige Folk-Nummer "Holy Shit" oder das mit einem synkopierten Groove ausgestatte, entfernt an eine U2-Sehnsuchts-Ballade erinnernde "Wicked Hands".
Aber - und das ist die gute Nachricht - der Mann hat wieder neuen Mut gefasst. Das wird in dem munteren Pop-Track "Michael Keaton", in dem langsamen Country-Love-Song "Let Only Love Remain" und natürlich in dem hymnischen "Better Now" deutlich. Im letzteren Track macht sich im Refrain sogar so etwas wie Euphorie bemerkbar. Nun ja, ist doch so: Das Leben geht weiter. Eine Tür geht zu, die nächste auf...
Fazit: Ruston Kelly macht auf "The Weakness" nicht nur auf woke - er ist auch der sensible, verletzliche Sänger und Songschreiber. Ein ruhiges Album voller Einblicke in eine geschundene Künstler-Seele.
Label: Rounder / Concord (Universal) | VÖ: 7. April 2023 |
Disk 1 | |
01 | The Weakness |
02 | Hellfire |
03 | St. Jupiter |
04 | Let Only Love Remain |
05 | Michael Keaton |
06 | Mending Song |
07 | Dive |
08 | Breakdown |
09 | Holy Shit |
10 | Better Now |
11 | Wicked Hands |
12 | Cold Black Mile |