Morgan Wade - Reckless

CD Cover: Morgan Wade - Reckless

Mit "Reckless" gelingt Morgan Wade aus Virginia ein ausgezeichnetes Debüt-Album im Grenzfeld zwischen Country-Rock, Pop und Folk.

Oho, man will es kaum glauben. Selbst Morgan Wade blickt mit ihren zarten 26 Jahren bereits auf "Wilder Days" zurück. Im Opener erzählt sie davon. Oder etwas nicht? Wer genauer hinhört, lernt, dass es dabei um einen Typen geht, mit dem sie zusammen war. Dieserjenerwelcher scheint ihr um einen Tick zu brav gewesen sein.

"You said you hate the smell of cigarette smoke" berichtet sie, und davon, dass sie ihm vielleicht zu jung gewesen sei, jedenfalls singt sie unverblümt: "I wish I had known you in your wilder days". Dann, ja dann wären die beiden vielleicht heute noch zusammen und lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Vielleicht, vielleicht.

Morgan Wade gelingt mit "Reckless" ein bärenstarkes Debüt

Diese kleine Geschichte gibt auch Auskunft über Morgan Wade. Sie ist, das macht auch das Coverfoto mit ihren komplett-tätowierten Händen deutlich, keine dieser hübschen, aber harmlosen Sing-Mäuse, die es über Casting-Shows zum Plattenvertrag gebracht haben. Morgan Wades Karriereweg sieht da schon anders aus, weil sie auch anders ist: erdig, hemdsärmelig, ein bisschen rotzig und verwegen und dazu eine Spur lasziv. Kurzum: ideale Voraussetzungen für ein interessantes Album mit Inhalten, die den üblichen Themenrahmen aktueller Country-Künstler und Country-Künstlerinnen sprengen.

Aber keine Sorge, allzu weit vom Mainstream entfernt sie sich dann doch nicht. Auf ihrem Solo-Debütalbum präsentiert die frühere Frontfrau der Formation "Morgan Wade & The Stepbrothers" jedenfalls keine zu schwer verdauliche Kost. Keinen düsteren Alternative-Country und auch keine zu provokanten Tracks. Rebellisch ist sie, aber fein dosiert. Schon im erwähnten Opener kleidet sie den kecken Text in ein schmackhaftes Country-Pop-Outfit - mit für Frohsinn sorgenden Melodien und einem unwiderstehlichen Refrain. Hitverdächtig? Absolut!

Auch weil die Blonde, auf Fotos stets jedes anbiedernde Lächeln vermeidende Sängerin einen sehr eigenen Gesangsstil hat: betont lässig, manchmal ein bisschen schnoddrig und dazu in den höheren Lagen etwas lolitahaft. In Nashville singt derzeit jedenfalls keine Zweite so wie Morgan Wade. Wenn das nichts ist? Schließlich gelingt ihr bereits mit dem Debüt-Album so etwas wie ein eigener Trademark-Sound. Ein Klangbild, das sich aber ganz und gar von den Großen des Folk und Country und Americana speist, in dem die Roots unüberhörbar durchschimmern und das sich im Songwriting an den Wurzeln des Genres orientiert. Nein, sie will die Musikgeschichte nicht neu erfinden, aber sie will sie mit guten neuen Songs bereichern. Und das gelingt ihr.

Morgan Wade kann Country, Folk und Pop

Beispielsweise mit dem etwas spröden Track "Matches and Metaphers". In dem ruhigen, größtenteils akustisch eingespielten Song klingt sie wie eine Mischung aus Joni Mitchell und einer jungen Stevie Nicks: etwas wild und gleichzeitig tiefgehend. Diese seltene Melange zeichnet vielleicht sogar die meisten Tracks der von Sadler Vaden, dem langjährigen Gitarristen von Jason Isbell & The Unit 400, produzierten CD aus. So empfiehlt es sich, bei jedem Song auf die Texte zu achten. Bei "Other Side", dem gut gelaunten Folk-Rocker à la Tom Petty, genauso wie bei dem eher auf modern gebürsteten Country-Pop-Prachtstück "Don't Cry" wie auch bei der wunderschönen Country-Folk-Ballade "Mend", bei der sie stimmlich sogar an Lady Gaga erinnert.

Die Songs sind ausnahmslos luftig und transparent arrangiert. Keine Keyboard-Teppiche, keine halligen Gitarren, sondern ein cleaner, trockener Klang - das ideale Umfeld, um die bemerkenswerte Stimme von Morgan Wade in den Fokus zu rücken. Erstaunlicherweise kann die junge Künstlerin sowohl im Pop- als auch im traditionellen Country-Fach bestehen. Mehr noch: sie kann in beiden Stilrichtungen brillieren. Man nehme nur die schimmernde Pop-Perle "Last Cigarette" und das reduzierte, ganz akustisch gehaltene "Met You". Man könnte fast von zwei musikalischen Welten sprechen. Doch nicht mit Morgan Wade! Für sie scheint es nur eine einzige zu geben - die eine Welt der guten Songs.

Fazit: Mal erinnert sie an Stevie Nicks, mal an Joni Mitchell und das nächste Mal an Lady Gaga. Morgan Wade, die 26-jährige aus Virginia, gelingt mit "Reckless" ein herausragendes Country-Folk-Pop-Debüt.

Label: Ladylike / Thirty Tigers (Membran) VÖ: 19. März 2021
01 Wilder Days
02 Matches and Metaphors
03 Other Side
04 Don't Cry
05 Mend
06 Last Cigarette
07 Take Me Away
08 Reckless
09 Northern Air
10 Met You
vgw
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