Heiß erwartet: Midland geben ihr Deutschland Debüt

Midland live in Berlin

Im März 2018 feierten Midland ihr Deutschland Live-Debüt in Berlin.

Das ist entweder ein gut geplanter Gag oder echte Schusseligkeit am Ende eines langen Tages - ein Country Sänger, der seinen Hut im Hotel vergisst? Tatsache ist, bei ihrem ersten Konzert in Deutschland, am 6. März 2018 im Berliner Frannz Club, kommt die texanische Band Midland zwar auf dem Country Ticket, aber irgendetwas ist hier anders.

Als im vergangenen Herbst das Debüt-Album "On The Rocks" des texanischen Trios Midland erschien, staunte die Welt nicht schlecht: meilenweit entfernt vom Auto-Tune-Bro-Country setzt ihr Sound auf Harmonien, auf sonnigen Bakerfield Twang, auf Pop Hooks und auf einen Rock 'n'Roll, der gerade recht ist für den Club, für das klassische Honky-Tonk, wo der Spaß den Ton angibt. Ein totgeglaubter Sound erlebt mit Midland eine Wiedergeburt und alte Sicherheiten geraten ins Schwanken: die Eagles sind out und uncool? Dwight Yoakam und George Strait waren gut in den Achtzigern, und an Bob Seger erinnert sich eh keiner mehr?

Zunächst wirken Midland softer als auf ihrem Debüt-Album

An diesem Abend im Berliner Frannz Club brauchen sie ein paar Songs um anzukommen. Sänger Mark Wystrach, Gitarrist Jess Carson und Bassist Cameron Duddy schauen sich fast schüchtern um, checken das Publikum und die Atmosphäre, und noch hat man den Eindruck, dass die Band softer rüberkommt als auf ihrem Album. Ein seltenes Phänomen, denn für gewöhnlich sind Live Shows härter als die Konserve. Verstärkt werden sie von einem Drummer, der später auch Saxophon spielen wird, und von einem zusätzlichen Gitarristen, über den der durchtrainierte Mark Wystrach später scherzt, dass zwischen ihm und Jess Carson eine gewisse Konkurrenz existiert, was so falsch nicht ist.

Diese Stimme ist ein Juwel

Er selber spielt Akustikgitarre, glänzt aber vor allen Dingen mit seiner Stimme, die ein wahres Juwel ist. Sie hat genau jenes Timbre, das Country von anderen Stilen unterscheidet. Einen gutturalen Grundton, der sich im entscheidenden Augenblick bricht, Höhen erklimmt und durch das typische Näseln für Sexyness sorgt. Und er weiß genau, was er tut.

Dem Trio eilt der Ruf besonderen Modebewusstseins voraus, zahlreiche Fotostrecken in Magazinen wie GQ und Playboy und natürlich das Cover ihres Debüt-Albums haben das dokumentiert, und sie sprechen auch gerne darüber. Im High Class Hillbilly Vintage Klamottenladen von Kollegin Nikki Lane in Nashville sind sie Stammkunden, und immer sieht man sie gut gekleidet im Siebziger Jahre Desperado Look. Fellmäntel für draußen, Muscle Shirts für drinnen, und wenn es feierlich wird die klassischen Nudie Suits.

Eine Band, die auch modisch Akzente setzt

Heute kommen sie im schlichten T-Shirt mit schönem Indianer Warrior Aufdruck, allein der schmächtige Jess Carson trägt Hut. Mark Wystrach sieht aus wie eine Mischung aus Liam Gallagher und Lee Van Cleef, manchmal auch wie James Blunt, sein Charme ist rundum gewinnend. Beim vierten Song "Burn Out" haben sie ihren gemeinsamen Ton gefunden, "Electric Rodeo" folgt, und das Publikum kommt in den Genuss ihrer umwerfenden Harmonien. Ein kleiner Block mit Cover-Versionen zeigt, wo ihre musikalischen Wurzeln liegen: "Tougher Than The Rest" von Bruce Springsteen, "American Girl" von Tom Petty und "Dixieland Delight" von Alabama, später folgen unter anderem "I'll Shall Be Released" von Bob Dylan und "Turn The Page" von Bob Seger, das in einer großartigen Version den Abend beschließt.

Noch gilt es Midland zu entdecken

Neugier und vielleicht sogar etwas Misstrauen wird dieser Band entgegengebracht, ihre freundliche, selbstbewusste Ironie und die Nichtzugehörigkeit zu etablierten Szenen sorgen für Irritation. Ihr erster großer Hit "Drinkin' Problem" war nicht nur für zwei Grammies nominiert, sondern erlebte auch eine raketenhafte You Tube Karriere und sorgt im letzten Drittel des Konzerts für entsprechende Begeisterung.

Insgesamt aber scheinen die Songs des Albums noch nicht sehr vertraut. Die Chance beim fantastischen "More Than a Fever" mit seinen hymnischen Hu-Hu's mitzusingen, blieb leider ungenutzt. Noch gilt es Midland zu entdecken, ihr Debüt-Album ist eins der besten Country-Alben der letzten 25 Jahre und an diesem Abend verabschieden sie sich mit dem Versprechen, das nächste Mal für eine längere Tour zu kommen. Jetzt erst mal geht es nach England zum Country 2 Country Wochenende in den Arenen von London, Dublin und Glasgow und im September spielt Midland dann bei der Country Night Gstaad (mehr dazu in unserem Terminkalender), ob sie dort ihre verspielte Lockerheit wie an diesem Abend in Berlin zeigen können, wird abzuwarten sein.

vgw
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