Dass dieses Konzert in einem intimeren Rahmen stattfinden sollte, merkte man schon beim Betreten der Prinzenbar. Schummeriges Licht, aus den Boxen kam kein, sonst so typisches, Gedudel, um die Leute bis zum Auftritt bei Laune zu halten. Als Joe Henry die Bühne betrat, wurde das Licht noch einmal gedimmt. Fast musste man sich durch die Prinzenbar tasten, um nicht versehentlich eine Stufe zu verpassen. Was sich jetzt vielleicht unangenehm liest, passte aber hervorragend zum Auftritt, denn Joe Henry betrat allein die Bühne und begleitete sich selbst nur mit einer Gitarre. Später wechselte er für wenige Lieder zum Klavier. Das war es auch schon.
Joe Henry braucht keinen Support
Die meisten Musiker holen sich als Vorband einen lokalen Künstler oder eine lokale Band zu ihrem Auftritt. Joe Henry braucht dies allerdings nicht. Das Multitalent hat so viel Erfahrung auf dem Buckel, dass er keine weitere Vorbereitungszeit benötigt. Lässig betrat der 57-Jährige die Bühne, schnappte sich seine Gitarre und legte los.
Dass der Auftritt nicht ausschließlich aus Songs seines neuen Albums "Thrum" bestehen würde, dürfte wohl jedem Gast schon im Vorfeld klar gewesen sein. Trotzdem waren die Anwesenden angenehm überrascht, als der Folk-Star das Konzert nicht einmal mit einem Song vom neuen Album eröffnete, sondern mit dem gleichnamigen Hit des Albums "Trampoline" von 1996.
Mehr Best-of als Album-Tour
Obwohl der Auftritt in der Prinzenbar offiziell unter dem Namen "Thrum-Tour" firmierte, kann man das Konzert geflissentlich als Best-of-Auftritt bezeichnen. Neben "Trampoline" gab Joe Henry zahlreiche andere Lieder früherer Alben zum Besten, wie etwa "Sold" aus dem Album "Tiny Voices" von 2003 und Country aus dem Album "Civilians" von 2007. Insgesamt kamen so etliche Lieder zusammen und das Konzert dauerte über 90 Minuten. Wirklich toll.
Hinzu kam ein Tribut an Henrys gute Freundin Joan Baez, als er ihren Song "Civil War" vortrug. Das alles wurde auf handwerklich höchstem Niveau präsentiert. Man merkt einfach wie durch und durch professionell Joe Henry ist.
Unnahbar und stickig
Eigentlich ist es nicht fair, ein Konzert zu kritisieren, welches musikalisch auf solch einem hohen Niveau vorgetragen wird und dazu noch so lange geht. Doch ganz perfekt war der Auftritt leider nicht. Zum einen platzte die Prinzenbar aus allen Nähten. Mit über 200 Besuchern war sie nicht nur ausverkauft, sondern leider auch etwas zu voll. Die Menschen standen auf den Treppen und in jeder noch so kleinen Spalte des Raums. Das ging nicht nur zulasten der Sauerstoffqualität, sondern auch des allgemeinen Gefühls, denn viele Fans konnten ihren Star nicht einmal sehen.
Zum anderen umhüllte Joe Henry während des ganzen Konzerts irgendwie der Nimbus des Unnahbaren. Und dies, obwohl der Sänger mehr als einmal aus dem Nähkästchen plauderte und erzählte was er sich bei welchem Song gedacht hatte. Henrys Aura war freundlich aber seltsam distanziert. Schöner wäre es auch gewesen, hätte es mehr Sitzgelegenheiten gegeben. Denn Joe Henrys, teils sperrige, immer aber melancholische Folk-Songs laden zum Kuscheln und nicht zum Tanzen ein. Das alles ist aber meckern auf allerhöchstem Niveau und sollte niemanden davon abhalten die Konzerte von Joe Henry am 8. Februar 2018 in Berlin und am 10. Februar 2018 in Bremen (Mehr dazu in unserem Terminkalender) zu besuchen. Man bekommt feinsten melancholischen Folk von technisch höchster Qualität geboten. Und darauf kommt es letztendlich doch an oder?