Seitdem hat Clark drei Alben mit Platin-Status veröffentlicht - "Terri Clark", "Just the Same" und "How I Feel". Sie wurde für vier CMA-Awards nominiert und gewann achtmal die Auszeichnung "Fan's Choice Entertainer of the Year" der Canadian Country Music Association. Der Respekt, der ihr innerhalb der Musikszene bezeugt wurde, die Loyalität ihrer Fans und ihre einmalige Bühnenpräsenz, gestützt auf ihr tolles Aussehen, ihr Gitarrenhelden-Charisma und ihre typische Kopfbedeckung, bestärkten das Bild von Clark als Frau, die hart im Nehmen ist.
Die Umstände sollten dieses Bild jedoch ändern. In den letzten Jahren musste Terri Clark zwei große Herausforderungen meistern. Die erste war beruflicher Natur: Ihr langjähriger Vertrag mit Mercury Nashville wurde beendet, ein nachfolgender Deal mit Sony Music Nashville platzte. Viel schwieriger jedoch war für sie die Nachricht, dass ihre Mutter an Krebs erkrankt war.
"Der Arzt gab meiner Mom ein Verfallsdatum", erinnert sie sich. "Man bekommt gesagt, wann man diese Person verlieren wird. Ich glaube nicht, dass irgendein Teil von jemandem durch so etwas unbeeinflusst bleibt, und es springt auch auf die kreative Arbeitsleistung über. Mich hat es dazu gebracht, stehen zu bleiben und mein gesamtes Leben, die Richtung, die es eingenommen hatte, zu betrachten. Ich merkte, welche Dinge ich in meinem Leben akzeptieren konnte und welche nicht, denn mir wurde klar, dass alles vorübergehend ist."
Terri Clarks Herangehensweise zu "The Long Way Home" könnte sich nicht krasser von der ehrgeizigen Haltung der damals 18-jährigen unterscheiden, die von ihrer Mutter von Medicine Hat, Alberta (Kanada) nach Nashville gefahren wurde. "Einen Vertrag mit einem Major-Label abzuschließen - das war alles, woran ich denken konnte", erzählt sie. "Das war meine Mission. Und hier stand ich nun mit meinem zweiten Major-Deal und versuchte, mich in diese winzige Schachtel zu zwängen und diese Autos zu verfolgen, die man Hit-Singles nennt. Nach einer Weile war ich mir nicht mal mehr sicher, wem ich da hinterherfuhr. Wir nahmen auf und nahmen auf, gaben Geld aus und versuchten, eine Single zu finden, die die Albumverkäufe antreiben würde, damit die Plattenfirma das Album herausbringen konnte."
Mit dem Segen von Joe Galante, Chef von Sony Music Nashville, stieg Clark aus dem Sony-Vertrag aus und fuhr zurück nach Kanada, wo sie für die Dauer der Krebsbehandlung bei ihrer Mutter blieb. Die Erfahrung hat ihr geholfen, die Medaille umzudrehen und ihre andere Seite zu zeigen. Der ursprüngliche Eindruck verschwand dabei nicht völlig, jedoch genug für Clark, um sich auf "The Long Way Home" mit beispielloser Offenheit zu präsentieren.
Das Album, auf einem unabhängigen Label in Kanada veröffentlicht und in den USA von EMI vertrieben, hat viel Chuzpe, schlägt aber auch nachdenklichere Töne an - eine Haltung, die nur ein Künstler einnehmen kann, der sowohl aus den schwierigen Momenten als auch aus den Freuden des Lebens gelernt hat. "Wenn du einmal mit dem Schlimmsten konfrontiert wurdest, wird sich das auch in deinen Songs widerspiegeln", sagt Terri Clark. "Songs zu singen, zu spielen und zu schreiben war für mich immer ein emotionales Ventil und eine Flucht - und zwar eine gesunde. Es ist also unmöglich, dass sich diese Erfahrung im Songwriting nicht bemerkbar macht. Ich habe wirklich tief gegraben und geschrieben, was ich fühlte, statt zuviel darüber nachzudenken."
Die Früchte dieser Arbeit blühen durch das gesamte Album "The Long Way Home". Auf "A Million Ways to Run" kommt Terri Clarks pure Ehrlichkeit zum Ausdruck. Sie schrieb das Stück selbst, fügt jedoch nachdenklich hinzu: "Ich glaube, es kam von Gott." Die erste Single, "Gypsy Boots", geschrieben von Clark, Jon Randall und Leslie Satcher, kommt mutig und draufgängerisch daher, wobei der Song in zwei Versionen dargeboten wird: mit voller Bandbesetzung und als bodenständige, Swamp-Blues-artige Akustikversion. Auf "Merry Go Round" untermalt ein skurriler Walzer-Takt die nachdenkliche Botschaft des Songtextes: "The trick is to know when to let go".
"Ich schrieb das Stück zusammen mit Bobby Pinson und Tom Shapiro", erzählt Clark. "Wir nahmen eine Arbeitsversion auf, sie geriet aber in Vergessenheit. Etwa sechs Monate hielt Tom eine Demo-Session ab. Er suchte ein viertes Stück und stieß auf unsere Arbeitsaufnahme. Irgendetwas daran hat ihn berührt. Er nahm es in seiner Demo-Session auf und buchte Mallary Hope, um es zu singen, da ich auf Tournee war. Er spielte es verschiedenen Leuten vor - beim Zuhören kamen ihnen die Tränen. Also rief mich Tom an und sagte 'Ich glaube, wir waren uns gar nicht bewusst, was wir da hatten'."
"'Merry Go Round' ist sicher ein persönlicher Song", sagt Shapiro, der Terri Clark für vier weitere Albumtitel als Koautor unterstützte, wie bereits für ihre erste Hit-Single "Better Things to Do". "Es geht darum, wohin du mit deiner Karriere gehen willst: Hörst du auf oder machst du weiter? In all den Jahren war mein Geschmack sehr kommerziell geprägt. Auch Terri mag Songs mit kommerziellem Schema. Als ich älter wurde, wollte ich in meinen Songs auch bestimmte Dinge ausdrücken, also haben wir hier an der richtigen Stelle angesetzt."
Einer der persönlichsten Titel auf "The Long Way Home" ist "The One You Love", auf dem auch Vince Gill zu hören ist. Ihr Co-Autor Gary Burr erinnert sich, wie Clark sich mit der Song-Idee an ihn wendete: "Sie sagte 'Ich weiß, das Stück geht wahrscheinlich tiefer als du magst. Wahrscheinlich wird es deshalb auch niemals im Radio gespielt werden. Aber es wichtig für mich.'", erzählt Burr. "Ich weiß nicht, ob Kunst und Kommerz sich wirklich gegenseitig ausschließen, aber ich versicherte ihr, wenn es wichtig für sie wäre, wäre es auch wichtig für mich. So sind wir an den Song herangegangen - es war ihr anfangs fast peinlich, mich zu bitten, so tief einzutauchen."
Ehrlichkeit traf auf professionelles Handwerk, und so entstand eine herzergreifende Ballade über geliebte Menschen, die sich allmählich aus dem Einflussbereich der Menschen, die ihnen so dringend helfen wollen, zurückziehen. "Wenn ich einen Song schreibe, der wirklich ans Herz geht, gehe ich nach der Philosophie vor, nicht zu deutlich zu werden. Ich will einen Song, in dem es um eine bestimmte Sache geht, möchte ihn aber so schreiben, dass es um alles gehen könnte", erklärt Burr. "Deshalb habe ich mich mehr für die Gefühle als für die Details interessiert. Wir sind so nahe an die Substanz gegangen, wie wir konnten. Wir haben lediglich darauf geachtet, dabei nichts heraufzuholen, das Terri später auf keinen Fall singen könnte."
Wie man es von Clark erwarten kann, kommt auch ihre andere Seite zum Vorschein: die Sensibilität, die "The Long Way Home" auszeichnet, wird durch ihre unerschütterliche geistige Unabhängigkeit ausgeglichen. Clark hat bereits früher co-produziert. Dieses Album ist jedoch ihre erste Arbeit als alleinige Produzentin. Sie veröffentlicht das Album in Kanada auf ihrem eigenen Label Baretrack Records und übernimmt somit größere geschäftliche Verantwortung, genießt dabei aber auch mehr künstlerische Freiheit. "Ich habe ein Album abgeliefert, das nicht durch die A&R-Mühle gegangen ist" erklärt sie stolz. "Ich habe wirklich genau die Musik gemacht, die ich machen wollte."
Auch als Songwriterin hat sie für sich ein wichtiges Kapitel aufgeschlagen. "Wenn man sich Songs von Bob McDill oder Mac McAnally anhört, merkt man, dass die Inhalte unbeschönigt sind", stellt die Country-Sängerin fest. "Lebenserfahrung spielt eine große Rolle. Vieles dreht sich um erwachsene Themen. Das Format verändert sich, das Publikum wird immer jünger. Aber viele Leute wollen etwas hören, das ein bisschen mehr Tiefgang hat, das mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat. Für jede Musik gibt es ein Publikum, und wenn man bereit ist, es zu suchen, wird man es auch finden."