Paul Cauthen führt ein so selbstzerstörerisches wie - beinahe - geregeltes Leben während der ersten Monate in seinem neuen Domizil. "Jede Nacht trank ich Alkohol wie ein Fisch, auch Kokain kam mir immer mal wieder dazwischen", erzählt der Mitt-Dreißiger auf seiner Homepage. "Zwischen 4:00 Uhr morgens und bis Mittag schrieb ich an neuen Liedern oder nahm diese auf. Danach haute ich mich in die Falle und schlief erschöpft ein, bis dieser Irrsinn an Dasein bei Sonnenuntergang weiterlief."
Irgendwann kollabierte der Körper, Paul Cauthen musste medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Nicht nur einmal. Und trotzdem gelang es dem sich selbst gegenüber gnadenlosen Berserker irgendwie, sein Opus zu finalisieren. Nur: "Müsste ich dieses Ding ein weiteres Mal aufnehmen", sagt Paul Cauthen, "würde ich in kürzester Zeit tot sein. Schließlich handelt die Platte vom Irrsinn des Überlebens."
Tragödien auf Room 41
Dass "Room 41" überhaupt entstanden ist und zu Ende gebracht wurde, verdankt Paul Cauthen einer Vielzahl von Freunden und Bekannten - Schriftstellern, Musikern oder Produzenten. Sie alle glaubten an das große Werk des Grenzgängers, etwa Matt Pence (Jason Isbell, Nikki Lane) oder die Produzenten und Songwriter Beau Bedford sowie Jason Burt. Aufgenommen wurde im "Modern Electric Studio", im "The Echo Lab Studio" und im "Niles City Sound Studio", sämtlich in Texas gelegen.
"Room 41" ist, zumindest für ihren Hauptprotagonisten, ein existentielles Album geworden. Dafür allerdings strahlt die Platte musikalisch - beinahe - Heiterkeit und Gelassenheit aus, höchstens mal etwas Wehmut oder Sentimentalität. Sofern man die meist tief-düsteren Texte außen vorlässt, sei dazu erwähnt.
Paul Cauthen besitzt einen sonoren, vollen Bariton, der in erster Linie an Großmeister Johnny Cash erinnert. Bei den flotteren Stücken auch an den guten alten Elvis, an Chris Isaak, an Merle Haggard. Die Wurzeln der zehn Songs mögen in der Country Music stecken. Doch bereits bei seinen ersten beiden Solowerken hat der Mann aus den amerikanischen Südstaaten keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich gerne in unterschiedlichsten Spielarten verirrt, um daraus abwechslungsreich hervor zu tauchen.
Das kann Funk á la Prince sein, Gospel á la geläuterter James Taylor, gar HipHop á la Gnarls Barkley. Um dann doch wieder in den klassisch-althergebrachten Schoß etwa von Willie Nelson und dem von Paul Cauthen hoch geschätzten Roy Orbison zurückzukehren.
Inhaltlich dreht sich das Meiste auf "Room 41" um geradezu alttestamentarische Themen, gerne die sieben Todsünden. Kein Wunder, entstammt Paul Cauthen einer Familie von Predigern und Tief-Gläubigen. "Lust, Neid, Stolz und Verzweiflung", hätten ihn beim Schreiben angetrieben, erklärt Cauthen auf seiner Homepage. Und fährt fort: "Vieles löst sich auf in Erlösung oder Verzweiflung." Darunter tut es dieser Mann nicht.
Seit kurzem residiert Paul Cauthen wieder in einer eigenen Bude. Und arbeitet bereits an neuen Songs. "Ich habe überlebt", meint er, "also stehe ich meinem Schöpfer gegenüber in der Pflicht weiterzumachen." Nicht umsonst ist "Room 41" neben seiner Familie in erster Linie Gott gewidmet, der "mich aus dem Rinnstein gezogen hat", bedankt sich der Country-Outlaw.
Fazit: "Room 41" ist bewegende Musik, erzeugt im physischen wie psychischen Ausnahmezustand. Doch wer die Entstehungsgeschichte nicht kennt, hört ein ordentliches Country-Crossover-Album von Paul Cauthen.
Label: New West /PIAS (roughTrade) | VÖ: 6. September 2019 |
01 | Holy Ghost Fire |
02 | Prayer for Rain |
03 | Cocaine Country Dancing |
04 | Slow Down |
05 | Big Velvet |
06 | Can't Be Alone |
07 | Freak |
08 | Angel |
09 | Give 'em Peace |
10 | Lay Me Down |