Ty Herndon: Phoenix aus der Asche
Die Folge war ein sowohl künstlerischer wie auch persönlicher Abstieg: zwei Scheidungen, Insolvenz, Alkohol- und Drogen-Probleme, diverse Rechtsstreitigkeiten, kurz: das volle Programm des Niederganges. Doch Ty Herndon ist ein Kämpfer. Und er hat Mut: Ende 2014 outete er sich im People-Magazin als Homosexueller - in der doch eher konservativen Country-Szene ein No-Go, möchte man meinen. "Ich war mir nicht sicher, ob ich meine Musikkarriere nach dem Outing überhaupt fortsetzen kann", verriet er dem Rolling Stone. Er sei zwar zuversichtlich gewesen, aber skeptisch, ob er im Country noch eine Chance haben würde. Doch: "Ich bin total falsch gelegen. Die Fans stehen zu mir", sagt er jetzt und fügt hinzu, dass "House On Fire", natürlich, sein bestes da ehrlichstes Album seit seinem Debüt vor über 20 Jahren sei. Diese Phoenix-aus-der-Asche-Geschichte ringt einem genauso Respekt ab, wie die Öffentlichmachung seiner sexuellen Orientierung. Doch wie steht es nun um die Musik? Was hat "House On Fire" zu bieten?
Leider, so viel vorab, bringt er musikalisch nicht annähernd den Mut auf, den er ansonsten in seinem Leben zeigt. Das Dutzend Songs von "House on Fire" weiß zwar mit angenehmen Country-Pop, oder besser gesagt: mit Pop-Country, zu gefallen. Sie sind gefällig. Im besten Sinne des Wortes. Angefangen vom Opener "That Kind of Night" über "Sweet Way to Go" und "Stick With What I Know" bis zu den harmonisch hübsch gemachten und mit einem opulenten Gospel-Chor ausgestatten "World I’m Livin' In" suchen alle Titel den Weg der goldenen Mitte: nicht zu laut, nicht zu leise; nicht zu schnell, nicht zu langsam; nicht zu froh, nicht zu traurig.
Ty Herndon bleibt mit "House on Fire" in der goldenen Mitte
Warum ausgerechnet ein Mann mit ausgeprägter Berg-und-Tal-Biografie keine Lust verspürt, emotionale Grenzen auszuloten, bleibt Ty Herndons Geheimnis. Vermutlich versucht er, nach diversen Flops der letzten Jahre, es allen Recht machen zu wollen. Wie man weiß, geht so etwas in den seltensten Fällen auf. Erstaunlich ist überdies, dass der 54-Jährige aus Mississippi so konsequent seine 90er Jahre Country-Roots gekappt hat - zugunsten eines ganz im Pop angesiedelten Sounds. Wobei: So gelegentlich klingt seine musikalische Vergangenheit noch durch. Bei dem dezent countryfizierten "Blame It On The Mustang" und dem souligen Country-Pop von "Stick With What I Know".
Die Mehrzahl der Tracks klingen aber so wie sich Ty Herndon auf dem Cover von "House on Fire" zeigt: stylisch, modern, Pop-orientiert. Wenn diese Klänge aber auf biografische Texte stoßen, so wie beim finalen "Fighter", dann entfaltet sie dennoch eine betörende Kraft. Auch wenn dem Arrangement eine Prise weniger Pathos nicht geschadet hätte.
Fazit: Ty Herndon outete sich als homosexuell - und beweist damit, dass die Country-Szene liberaler ist, als man glauben würde. Wobei sich der einstige New-Country-Star jetzt größtenteils im Pop bedient.
Label: Journey On (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 11. November 2016 |
01 | That Kind of Night |
02 | Sweet Way to Go |
03 | Just Friends |
04 | All Night Tonight |
05 | Blame It on the Mustang |
06 | House on Fire |
07 | Go |
08 | If You |
09 | Stick with What I Know |
10 | Nothing Left to Break |
11 | World I'm Livin' In |
12 | Fighter |